Empörung über Großbrauerei: Rentner müssen 100 Kilometer fahren, um ihren „Haustrunk“ zu erhalten

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Gehört mittlerweile einem Weltkonzern: Die Löwenbräu-Brauerei, hier mit ihrem Festzelt auf dem Münchner Oktoberfest. © IMAGO/Brigitte Saar

Mehr als 20 ehemalige Mitarbeiter von Löwenbräu im Landkreis Garmisch-Partenkirchen haben auch im Ruhestand das Recht auf den sogenannten Haustrunk. Diesen konnten sie früher im Getränkemarkt in der Nähe abholen - jetzt müssen sie eine 100 Kilometer lange Fahrt nach München in Kauf nehmen. Die Rentner wittern Kalkül hinter der Sache.

Drei Kästen Bier oder Unalkoholisches im Monat stehen Friedl Ostler zu – vertraglich. Die Tradition des sogenannten Haustrunks ist nicht nur in bayerischen Brauereien beinahe so alt wie das Handwerk selbst. Doch bekommen Ostler und rund 20 weitere ehemalige Angestellten des Löwenbräu-Depots in Garmisch-Partenkirchen den Haustrunk nicht mehr in den Landkreis mitgeliefert. Die drei Kästen müssten sie sich ab sofort selbst abholen – direkt bei Löwenbräu in München, gut 90 Kilometer weit weg. „Ein Unding“, moniert Ostler. Zumal viele seiner Rentner-Kollegen alleine schon gesundheitlich gar nicht mehr dazu in der Lage sind, diese weite Fahrt für ein paar Getränke auf sich zu nehmen. Vom ökologischen Aspekt ganz abgesehen: „Da tun die großen Brauereien immer auf nachhaltig und umweltschonend, aber dann verlangen sie, dass 20 Menschen mit ihren Autos nach München fahren sollen, um sich ein paar Tragl zu holen.“

Über 20 Jahre lang war der Garmisch-Partenkirchner, der mittlerweile in Farchant wohnt, bei Löwenbräu als Bierfahrer angestellt. Seit zehn Jahren ist er in Rente. Laut seinem Vertrag stehen im auch nach seiner aktiven Dienstzeit monatlich drei Kästen Getränke der Brauerei zu. „Es ist also quasi ein Teil unserer Rente“, beschreibt Ostler das Problem. „Schließlich sind Getränke nicht billiger geworden, ganz im Gegenteil.“

Für den bisherigen Getränkelieferanten waren die paar Kästen kein Mehraufwand

Bislang musste das Gebräu bei Getränke Höck (ehemals Sprenger) in Garmisch-Partenkirchen geholt werden. Für Betreiber Sebastian Höck war die Fahrt zur Abholung in der Landeshauptstadt eine Selbstverständlichkeit: „Die Rentner haben es sich schließlich verdient“, sagt er. Seine Mutter war ebenfalls Löwenbräu-Mitarbeiterin, kommt also ebenfalls in den Genuss des Haustrunks. „Ich habe die Lieferung gerne gemacht.“ Zumal für ihn kein Mehraufwand entstanden ist. „Ich fahre ja sowieso nach München, also hätten die paar Tragl auch nichts ausgemacht“, versichert er.

Doch das sieht Löwenbräu anders. Die Münchner Brauerei gehört mittlerweile dem Konzern Anheuser-Busch InBev Germany Holding GmbH. Seit der Übernahme haben die Geschäftsführer in Bremen und Brüssel wohl kein großes Interesse mehr dran, den kostenfreien Trunk an die ehemaligen Mitarbeiter auszugeben. „Sie haben mir geschrieben, dass das Bier ab sofort in München selbst abzuholen sei, da sie mir diese Zusatzarbeit nicht zumuten wollen“, sagt Höck. Als er dem Konzern zurückschrieb, dass das für ihn kein Aufwand sei, erhielt Höck nicht einmal eine Antwort.

Rentner wittern Kalkül hinter der Sache

„Das ist wirklich eine Sauerei“, sagt Ostler. Für Löwenbräu habe er sich jahrzehntelang aufgearbeitet, auch körperlich. Stets mehrere Kästen über viele Stockwerke schleppen, das hat Rücken und Gelenke enorm in Mitleidenschaft gezogen. Da wäre es doch das Wenigste, zumindest die vertraglich zugesicherten Freigetränke zu bekommen, moniert Ostler.

Eine Stellungnahme vom Anheuser-Busch-InBev-Konzern zu bekommen, ist schwierig. Trotz Tagblatt-Anfrage blieb eine Stellungnahme bislang aus. Das belgische Unternehmen ist gemessen am Absatzvolumen mittlerweile die größte Brauereigruppe der Welt. Es beschäftigt weltweit rund 160 000 Mitarbeiter und ist mit 630 Marken, gebraut in 260 Betrieben, in über 150 Ländern vertreten. Im Jahr 2022 setzte der Konzern insgesamt fast 600 Millionen Hektoliter Bier um, mit einem Jahresumsatz von 57,8 Milliarden US-Dollar und einem Gewinn von 7,6 Milliarden US-Dollar. „Wenn sie sich da keinen Haustrunk mehr leisten können, weiß ich auch nicht mehr“, sagt Ostler.

Der Haustrunk beschäftigt deutsche Gerichte schon seit über 100 Jahren. Es ist nämlich, wie vieles in Deutschland, „höchst bürokratisch“, sagt Antonius Huber, Geschäftsführer der Brauerei Garmisch. Bei ihm gibt es noch den Haustrunk für seine Mitarbeiter. Doch weiß er, dass viele andere Betriebe davon absehen. „Für die meisten ist es mittlerweile zu viel Bürokratie.“ Und tatsächlich, die Sache mit dem Haustrunk ist rechtlich kompliziert. Der Gerstensaft in Brauereien ist zwar von der Biersteuer befreit. Im Einkommensteuerrecht zählt das Getränk an die Arbeitnehmer aber nicht zu den steuerfreien Annehmlichkeiten, sondern zu den steuerbaren Einkünften aus nicht selbständiger Arbeit. Allerdings gibt es in der Lohnsteuer-Richtlinie Hintertürchen. Doch scheint der bürokratische Aufwand vielen Konzernen ein Dorn im Auge zu sein.

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