Durchschnittlich 20 Tage pro Arbeitnehmer - So viele wie noch nie: Was hinter dem Rekord an Krankschreibungen 2023 steckt

Arbeitgeber vermuten höheren Missbrauch

Die hohen Zahlen haben eine Diskussion über die Gründe ausgelöst. Die DAK selbst verweist in ihrem Pressestatement zur Studie auf die Erkältungswellen im Frühjahr und Herbst des vergangenen Jahres. Besonders die erste dürfte schwerer ausgefallen sein als sonst, weil der Winter 2022/23 der erste seit Jahren ohne Corona-Schutzmaßnahmen war. Atemwegserkrankungen führen denn auch das Ranking der Gründe für die Krankschreibungen mit 4,15 Fehltagen pro Arbeitnehmer deutlich an. Auf 3,73 Fehltage kommen Muskel-Skelett-Erkrankungen – hauptsächlich Rückenschmerzen – dahinter rangieren mit 3,23 Fehltagen psychische Erkrankungen.

Arbeitgeber befürchten jedoch, dass immer mehr Arbeitnehmer die einfachen Regeln zur Krankmeldung und die im internationalen Vergleich großzügigen sechs Wochen Lohnfortzahlung ausnutzen. Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Arbeitgeber (BDA), bezeichnete es als „Fehlleistung der Gesundheitspolitik“, dass Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) weiterhin die telefonische Krankschreibung bei Erkältungen zulässt. Ärzte können diese für fünf Tage telefonisch ausstellen, wenn sie einige diagnostische Fragen stellen und der Patient in der Praxis bekannt ist. Der Gemeinsame Bundesausschuss von Ärzten, Krankenkassen und Kliniken (G-BA) hatte Anfang Dezember beschlossen, die ursprünglich in der Corona-Pandemie eingeführte Regelung unbegrenzt zu verlängern.

Corona-Pandemie hat Wandel ausgelöst

Jene Corona-Pandemie dürfte noch in anderer Hinsicht Grund für die vielen Krankschreibungen sein. Sie hat bei vielen Arbeitnehmern zu einem Umdenken geführt. Eine Umfrage der Krankenkasse Pronova BKK zeigte jetzt, dass im vergangenen Jahr 66 Prozent der Arbeitnehmer mit leichten Infekten zu Hause geblieben sind. 2018 waren es nur 50 Prozent. Die so genannte „Bettkantenentscheidung“, also die Frage, ob man bei leichten Symptomen wie einer triefenden Nase oder Kopfschmerzen daheimbleibt, fällt immer öfter zu Gunsten des eigenen Wohlergehens aus. 10 Prozent geben an, in diesem Fall häufig zuhause zu bleiben, 23 Prozent manchmal und 26 Prozent selten. Nur 41 Prozent gehen trotzdem immer zur Arbeit.

Dies gilt nicht nur für Erkältungssymptome, sondern auch beispielsweise für Rückenschmerzen. Mit ihnen schleppen sich nur noch 46 Prozent zur Arbeit. 2018 waren es noch 57 Prozent. Und obwohl Rückenschmerzen der zweithäufigste Grund für Krankschreibungen sind, sind sie immer noch die häufigste Erkrankung, mit der Arbeitnehmer trotzdem noch zur Arbeit gehen. Und auch bei Atemwegserkrankungen gehen viele immer noch krank zur Arbeit. Laut Pronova-Umfrage warten rund 20 Prozent nur ab, bis die schlimmsten Symptome vorbei sind, anstatt sich vollständig auszukurieren. Zwölf Prozent gaben sogar an, mit einem positiven Corona-Test noch zur Arbeit zu gehen.

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