Alarmierende Studie: Neubau-Krise im Landkreis Garmisch-Partenkirchen
Landkreis - Das Pestel-Institut, ein Dienstleister für Kommunen, Unternehmen und Verbände, schlägt Alarm: In einer aktuellen Regionalanalyse zum Wohnungsmarkt, die im Auftrag des Bundesverbandes Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB) erstellt wurde, wird dem Landkreis Garmisch-Partenkirchen ein massives Neubau-Defizit attestiert. Die dringende Empfehlung: „Es muss gebaut werden.“ Und zwar im großen Stil.
Diese Zahlen sind besorgniserregend: Laut der Studie des Pestel-Instituts fehlen derzeit 440 Unterkünfte, um den Bedarf zu decken. Bis 2028, so das Ergebnis der Untersuchung, braucht die Region zwischen Staffelsee und Karwendel 410 neue Wohnungen – und zwar pro Jahr. Doch davon ist man aktuell meilenweit entfernt. So gab es in den ersten fünf Monaten dieses Jahres gerade mal für 71 neue Wohnungen eine Baugenehmigung. 2023 waren es im gleichen Zeitraum immerhin noch 84. „Damit ist die Bereitschaft, neuen Wohnraum zu schaffen, innerhalb von nur einem Jahr um 15 Prozent zurückgegangen“, stellt Matthias Günther laut einer Pressemitteilung fest. Der Institutsleiter spricht von einem „lahmenden Wohnungsneubau, dem mehr und mehr die Luft ausgeht“. Die Gründe hierfür dürften vor allem in den massiv gestiegenen Bau- und Finanzierungskosten zu finden sein.
Knapper Baugrund, viel Zuzug
Das Wohnraum-Problem in der beliebten Tourismusregion ist bekannt. Baugrund ist knapp und teuer. Der Zuzug dafür ungebrochen hoch. Das treibt die Preise – mit fatalen Folgen. Denn Betriebe tun sich immer schwerer, Mitarbeiter zu finden. Weil Unterkünfte fehlen. Darunter leiden vor allem die beiden Schlüsselbranchen Gastronomie und Pflege.
Dabei stehen etliche Wohnungen leer. Das Pestel-Institut kommt auf 2190. Ein Großteil davon, so Günther, müsste allerdings zuerst komplett saniert werden. Und das ist aufwändig und teuer. Viele Hauseigentümer halten sich offenbar zurück: „In ihren Augen ist eine Sanierung oft auch ein Wagnis. Sie sind verunsichert. Sie wissen nicht, welche Vorschriften – zum Beispiel bei Klimaschutz-Auflagen – wann kommen. Es fehlt einfach die politische Verlässlichkeit. Ein Hin und Her wie beim Heizungsgesetz darf es nicht mehr geben“, kritisiert Günther. Außerdem hapere es bei vielen am nötigen Geld. Und oft scheuen sich Hauseigentümer auch, sich einen Mieter ins eigene Haus zu holen, mit dem sie sich am Ende vielleicht nicht verstehen. Für Günther steht deshalb fest: „Am Neubau von Wohnungen führt daher kein Weg vorbei.“
Für Katharina Metzger, Verbandschefin des Baustoff-Fachhandels, steht fest: „Der Wohnungsbau ist auch im Kreis Garmisch-Partenkirchen das Bohren dicker Bretter.“ Um voranzukommen, fordert sie, die Standards zu senken: „Einfacher bauen – und damit günstiger bauen. Das geht, ohne dass der Wohnkomfort darunter leidet. Andernfalls baut bald keiner mehr.“ Es müsse ein „starkes Abspecken“ bei Normen und Auflagen geben – im Bund, bei den Ländern und Kommunen.
Hierzulande ist seit vielen Jahren die Zugspitz Region GmbH, die landkreiseigene Wirtschaftsförderung, an dem Thema dran. „Das Problem ist: Nur mit Neubau werden wir es nicht schaffen. Man muss versuchen, mit anderen Wegen Wohnraum zu generieren“, sagt Carolina Zimmermann, zuständig für das Projekt „Bezahlbarer Wohnraum“. Die Expertin möchte an vielen Stellschrauben drehen und Potenziale heben. Angefangen bei der Umwandlung von Ferienwohnungen in „normale“ Mietwohnungen bis hin zur Nachverdichtung. Die Zugspitz Region setzt vor allem auf Aufklärung und Information – und darauf, die Menschen zu sensibilisieren.
Die Gemeinden stehen unter Druck. In vielen Orten wurde und wird beispielsweise in den kommunalen Wohnungsbau investiert, den der Freistaat großzügig mit hohen Zuschüssen und zinsgünstigen Darlehen unterstützt. Ein Beispiel ist Oberau, wo an der Loisachauenstraße ein Komplex mit 24 Einheiten hochgezogen wurde. „Die Nachfrage war sehr groß. Wir hätten die Wohnungen dreimal vermieten können“, berichtet Robert Zankel, der geschäftsleitende Beamte im Rathaus. 11,50 Euro beträgt die Kaltmiete pro Quadratmeter – für Landkreisverhältnisse ein Schnäppchen. Aber das Ganze hat sich, das ist die Kehrseite, als Zuschussgeschäft entpuppt: Die Mieteinnahmen reichen zur Refinanzierung nicht aus. Die Explosion der Baupreise ließ die Investitionskosten auf rund 9,2 Millionen Euro klettern. Ursprünglich hatte man mit deutlich weniger, nämlich mit 7,2 Millionen Euro, kalkuliert.
Sozialgerechte Bodennutzung
Dennoch setzen viele Kommunalpolitiker darauf, dass die Gemeinden aktiv(er) werden. Die Lage sei „sehr akut“, sagt die SPD-Kreisrätin Dr. Sigrid Meierhofer. „Wir brauchen Wohnungen für die Leute, die die Arbeit machen.“ Die ehemalige Garmisch-Partenkirchner Bürgermeisterin ist überzeugt: „Es gibt Möglichkeiten.“ Neben dem kommunalen Wohnungsbau verweist sie unter anderem auf das Modell der sozialgerechten Bodennutzung, die, vereinfacht gesagt, bei der Schaffung von Neubaugebieten soziale Kriterien berücksichtigt. Und auch an der Idee einer landkreisweiten Wohnbaugesellschaft halten die Sozialdemokraten fest, auch wenn hierfür noch keine Mehrheiten gefunden wurden.