Berlin und Wien in der Spionagefalle - Russische Agenten unterwandern Europa

Hinter der harmlosen Fassade des Russischen Hauses in Berlin, wo Borschtsch serviert wird und die Bücherregale mit Tolstoi- und Dostojewski vollgestopft sind, verbirgt sich möglicherweise mehr. Das Haus wird von den Behörden unter die Lupe genommen, da es im Verdacht steht, ein geheimes Zentrum für Spionage und Propaganda des Kremls zu sein.

Russische Spionage und Propaganda im Herzen Berlins?

Laut einem Bericht des „Telegraph“ bestehen erhebliche Bedenken, dass das Russische Haus EU-Sanktionen umgeht, die nach der Invasion der Ukraine verhängt wurden. Roderich Kiesewetter, CDU-Bundestagsabgeordneter und ehemaliger Oberst der Bundeswehr, warnt: „In Anbetracht der imperialen Bestrebungen und der totalitären Ausrichtung Russlands müssen russische Kultureinrichtungen immer als politisches Instrument betrachtet werden.“

Kiesewetter zufolge dient das Russische Haus seit langem als Sprachrohr des Kremls und verbreitet Desinformation und Propaganda. Zudem stehen Verstöße gegen Sanktionen im Raum. Die Institution wird von Rossotrudnitschestwo betrieben, einer Regierungsbehörde, die als Dachorganisation für ein Netzwerk russischer Agenten gilt.

Scholz zögert

Die deutsche Regierung zögert jedoch, das Russische Haus zu schließen, da eine solche Maßnahme mit einer möglichen Schließung des Goethe-Instituts in Moskau beantwortet werden könnte. Ein Sprecher des Auswärtigen Amts erklärte, die EU habe seit Juli 2022 Sanktionen gegen die Betreiberorganisation verhängt.

Pavel Izvolsky, Direktor des Russischen Hauses, äußerte gegenüber dem „Telegraph“ Unverständnis über die Sanktionen: „Es war eine Entscheidung der EU, und eine große Überraschung für mich. Es gibt viele Abteilungen der russischen Regierung. Warum haben sie uns sanktioniert und nicht das Verteidigungsministerium?“

Wien als neues Zentrum russischer Spionage

Unterdessen sieht sich Wien einer noch größeren Herausforderung gegenüber. Nach dem Ausschluss von 600 russischen Spionen aus europäischen Hauptstädten nach der Ukraine-Invasion, sind viele dieser Spione in Wien wieder aufgetaucht. Ein Bericht des „Wall Street Journal“ zeigt auf, wie Wien zur neuen Drehscheibe russischer Spionageoperationen in Europa geworden ist.

Christo Grozev, ein investigativer Journalist, dessen Dokumentarfilm über den Mordanschlag auf Alexej Nawalny einen Oscar gewann, lebt jetzt unter Polizeischutz in Wien. Russische Spione hatten geplant, ihn zu ermorden. Sein Fall ist nur eines von vielen Beispielen, wie tief die russische Spionage in Österreich verwurzelt ist.

Hälfte der russischen Staatsbediensteten sind Spione

Laut dem „Wall Street Journal“ sind derzeit über 500 russische Staatsbedienstete in Österreich tätig, viele davon Diplomaten und Verwaltungsmitarbeiter, von denen geschätzt wird, dass bis zur Hälfte als Spione arbeiten. Wien dient nun als Basis für verdeckte russische Operationen in ganz Europa. Oppositionsabgeordnete kritisieren die Regierung immer wieder für ihre „extrem gefährliche Untätigkeit“ in Bezug auf russische Spionageaktivitäten.

Die österreichische Regierung steht nun unter wachsendem Druck, Maßnahmen zu ergreifen. Omar Haijawi-Pirchner, der neue Leiter des österreichischen Geheimdienstes, hat bereits 11 russische Spione ausgewiesen und die Ausweisung weiterer beantragt.