Der Hamilton-Wechsel zu Ferrari war bisher kein Erfolg. Jetzt verrät Teamchef Fred Vasseur, woran das liegen könnte – und räumt sogar Fehler ein.
Maranello – Für Lewis Hamilton ist der Wechsel von Mercedes zu Ferrari bisher enttäuschend verlaufen. In den ersten 14 Formel-1-Rennen mit der Scuderia stand der siebenfache Weltmeister kein einziges Mal auf dem Podium, nur der Sprint-Sieg in China war ein kleiner Erfolg. Doch die Hoffnung, dass Hamilton in naher Zukunft um seinen achten WM-Titel fahren kann, ist kaum noch vorhanden.
Nun hat sich Ferrari-Teamchef Fred Vasseur offen geäußert und dabei sogar Fehler eingeräumt. „Rückblickend muss ich zugeben, dass wir, damit meine ich Lewis und ich, den Wechsel in eine andere Umgebung unterschätzt haben“, gibt der Franzose im Gespräch mit Auto, Motor und Sport zu. „Als Lewis bei Ferrari ankam, dachten wir naiverweise, dass er alles unter Kontrolle haben würde.“
Ferrari-Teamchef: Wechsel ist eine neue Situation für Lewis Hamilton
Doch genau darin habe man sich geirrt. „Er war vorher 18 Jahre lang beim gleichen Team, wenn ich McLaren und Mercedes mal als eine Heimat bezeichnen darf. Es war ein englisches Team, und das Motorumfeld blieb immer das gleiche“, erinnert Vasseur, der nicht an den Rücktritt von Hamilton glaubt. „Es ist ein größerer Unterschied zwischen Ferrari und Mercedes als zwischen Mercedes und McLaren.“
Heißt im Klartext: Für Hamilton ist der Teamwechsel eine neue Situation, und die braucht Eingewöhnungszeit. „Er ist keiner wie Carlos Sainz, der alle paar Jahre das Team wechselt und mit diesem Vorgang vertraut wäre“, meint der Ferrari-Teamchef. „Lewis hat vier bis fünf Rennen gebraucht, um die Situation unter Kontrolle zu bekommen. Seit dem GP Kanada ist er eigentlich auf Kurs.“
Doch die positive Entwicklung erhielt vor der Sommerpause einen Rückschlag. Beim Großen Preis von Ungarn landete Hamilton im Qualifying lediglich auf dem zwölften Rang, während Teamkollege Charles Leclerc die Pole-Position holte. Hamilton bezeichnete sich anschließend als „nutzlos“ und riet seinem Team sogar dazu, den Fahrer auszutauschen.
Ferrari-Teamchef deutlich: „Lewis [Hamilton] übertreibt manchmal mit Problemen“
„Lewis ist sehr selbstkritisch“, weiß Ferrari-Teamchef Vasseur. „Er ist in seinen Ausschlägen immer extrem. Manchmal geht er mit dem Auto zu hart ins Gericht, manchmal mit sich selbst. Meistens ist er nur zur Presse so extrem. Wenn er dann in den Briefing-Raum kommt, hat er sich meistens schon wieder beruhigt. Das ist halt seine Art. Für mich ist das kein Drama.“
Ganz unproblematisch seien solche Aussagen jedoch nicht, räumt Vasseur ein. „Die Nachricht, die er damit aussendet, macht die Dinge nur schlimmer“, betont der Franzose, der trotz Fehlstart entspannt bleibt. „Man muss ihn dann runterbringen und ihm erklären, dass er im Q2 nur eine Zehntel weg war von dem Fahrer, der später die Pole-Position geholt hat. Das ist kein Beinbruch.“
„[Die Probleme] sind nicht megagroß, sehen nur so aus“, meint der Ferrari-Teamchef, der allerdings eine weitere Schwierigkeit sieht: „Lewis übertreibt manchmal mit Problemen, die er für sich im Auto sieht. Das Team will dann natürlich reagieren und alle stürzen sich auf dieses Problem.“ Doch dadurch geraten die tatsächlichen Baustellen bei Ferrari aus dem Blickfeld. (SoBre)