Kollaps-Angst? Trump zieht Zoll-Notbremse: Eine besorgniserregende Tendenz wohl die Ursache
Trump macht eine Kehrtwende und senkt die Zölle. Das könnte an der Entwicklung der Staatsanleihen liegen. Diese bereitet Experten Sorge.
Washington – Die Zölle sind fort, lang leben die Zölle: An den Börsen ist die Hoffnung zurück. Der Grund ist die Entscheidung des US-Präsidenten Donald Trump, die vor rund einer Woche angekündigten Strafzölle auf fast alle Länder drastisch zurückzufahren. China zum Beispiel leidet weiter unter den über 100-prozentigen Zöllen der US-Regierung. Dabei tun sich zwei wichtige Fragen auf: Bleibt dieser neue Hoffnungsschimmer von Dauer? Und warum hat sich Trump umentschieden?
Trump fährt Zölle zurück – „Wir sehen einen Fire Sale bei US-Staatsanleihen“
Am 10. April rätselt die Welt noch darüber, was den Präsidenten am Ende zum Einlenken bewogen hat. Ging es von vornherein nur um einen gezielten Absturz des Aktienmarktes, damit Trump selbst billig Aktien einkaufen und sie nach dem Aussetzen der Zölle wesentlich teurer verkaufen kann? In den USA jedenfalls scheint ein Reporter den Markt für Treasuries, wie US-Schuldenpapiere auch genannt werden, in Verdacht zu haben.

Am Mittwoch fragte er Trump direkt, ob seine Zoll-Entscheidung etwas mit den Turbulenzen bei den Treasuries zu tun habe. Trump sagte wörtlich darauf: „Nun, ich dachte, dass die Leute ein wenig aus der Reihe tanzen.“ Die Akteure hätten „ein wenig nervös, ein wenig ängstlich“ agiert. Für den sonst in Superlativen tweetenden Präsidenten scheint das untypisch zurückhaltend.
Tatsächlich hatten die Bewegungen am Bondmarkt Experten schwer beunruhigt. Die Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen stieg am Mittwoch (9. April) noch auf 4,111 Prozent, am Freitag vorher lag sie bei 3,990 Prozent. Am Donnerstag liegt ihre Rendite laut CNBC bei 4,314 Prozent. Die Rendite der 30-jährigen Anleihen steigen so stark wie seit 1981 nicht mehr. Der Auslöser: Wenn Anleger in großem Stil diese Anleihen verkaufen, fallen die Preise und die implizierten Renditen steigen.
„Wir sehen einen Fire Sale bei US-Staatsanleihen“, zitiert der Focus dazu Calvin Yeoh, einen Portfolio-Manager bei Blue Edge Advisors Pte. „Das ist wie eine Eisskulptur bei einem Waldbrand: Was eben noch gut aussah, ist eine Sekunde später weg.“
Zölle gefährden Leitwährung US-Dollar – Staatsanleihen könnten guten Ruf verlieren
Was das Ganze noch ungewöhnlicher macht, ist die Wirkung der Treasuries auf den US-Dollar. Ein kurzer Exkurs dazu: In Krisenzeiten gelten die Anleihen von Ländern mit hoher Bonität als sogenannter „sicherer Hafen“. Investoren zeigen starkes Interesse an solchen Staatsanleihen; zunehmende Käufe führen zu steigenden Kursen und die implizierten Renditen sinken. US-Staatsanleihen waren historisch immer gefragt, sobald sich eine Krise abzeichnete – sie galten als extrem sicher. Ein Ausverkauf kann bedeuten, dass die USA ihren Status als ein solcher Hafen verlieren.
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Der Knackpunkt dabei: Gleichzeitig könnte der US-Dollar seine Rolle als Weltleitwährung verlieren. „Wenn die Staatsanleihen weiter bluten, während der Aktienmarkt hässlich bleibt, dann tritt die wahre Gefahr ein“, schreibt Stephen Innes von SPI Asset Management in einem Kommentar. „Das ist das erste Rauchzeichen für einen ‚Sell America‘-Moment, der die Dominanz des Dollars schnell und schmutzig aufhebt.“ Innes ist der Ansicht, dass US-Finanzminister Scott Bessent der eigentliche Pilot hinter der Zoll-Kehrtwende ist – dieser soll „direkt in Trumps Ohr flüstern“.
Sollen Trump-Zölle den Dollar absichtlich schwächen? – Beben am Markt für Staatsanleihen
Eine solche Schwächung des Dollars ist jedoch genau das, was verschiedene Ökonomen als Trumps Endgame bei den Strafzöllen eingeschätzt hatten. Im März war der sogenannte Mar-A-Lago-Accord ins Rampenlicht der Öffentlichkeit gerückt, hinter dem ein 40-seitiges Dokument des Ökonomen Stephen Miran von der Investmentfirma Hudson Bay Capital steckt.
In „A User‘s Guide to Restructuring the Global Trading System“ beschreibt Miran, dass die „anhaltende Überbewertung des Dollars“ die „Wurzel der wirtschaftlichen Ungleichgewichte“ sei. Das globale Handelssystem brauche eine Reform und müsse fairer sein. Der überbewertete Dollar mache US-Exporte weniger wettbewerbsfähig, US-Importe zu billig und schwäche das produzierende Gewerbe.
Dieses Dokument galt als eine Art Anleitung für die Bekämpfung des US-Handelsdefizits. Frühere Entscheidungen des US-Präsidenten Trump hatten Rückschlüsse darauf zugelassen, dass er sich zumindest lose an Mirans Ideen gehalten hat. Allerdings könnte ihn in diesem Fall die Reaktion am Anleihemarkt überrascht haben. Der gilt als der größte und wichtigste Finanzmarkt der Welt; die Zeit bezeichnete die Krisen von 2008 und 2020 als „erfrischende Böen“ im Vergleich dazu, was bei einem Kollaps der US-Staatsanleihen passieren würde.
Trump-Zölle für China bestehen weiterhin – „Wir sind noch nicht über den Berg“
Wie geht es weiter? Zwar hat Trump die Zölle für viele Länder auf zehn Prozent zurückgefahren, aber die über 100-prozentigen Zölle auf chinesische Waren bestehen weiterhin. „Es besteht ein strukturelles Inflationsrisiko und ein langsamer Wachstumsrückgang“, warnt Innes.
„Der US-Verbraucher mag dies derzeit noch nicht spüren, aber die Auswirkungen werden sich abzeichnen, insbesondere angesichts der begrenzten Ersatzmöglichkeiten für einen Teil dieser Importe.“ Die 90 Tage Pause seien ein Rettungsanker für die Märkte – „Doch wir sind noch nicht über den Berg.“