Lindner fordert Rückführungsabkommen mit Syrien, Baerbock kontert: „Frage mich, ob er aufgepasst hat“
Beim WahlFORUM werben Außenministerin Baerbock und FDP-Chef Lindner um die Wählergunst. Der Anschlag in München und die deutsche Migrationspolitik machten große Unterschiede der Parteien deutlich.
München – Kurz vor der Bundestagswahl sorgen sowohl die Politik des US-Präsidenten Donald Trump als auch der Anschlag in München für hitzige Debatten. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sowie Ex-Finanzminister und FDP- Parteivorsitzender Christian Lindner standen dazu in München Bürgerinnen und Bürgern Rede und Antwort. Beim WahlFORUM des Münchner Merkur von IPPEN.MEDIA beschäftige die Menschen die Frage nach der Sicherheit im Land. FDP-Chef Lindner forderte in der Migrationspolitik einen harten Kurs und brachte dafür Rückführungsabkommen mit Afghanistan und Syrien ins Spiel. Außenministerin Baerbock konterte den Vorstoß prompt.
Baerbock und Lindner vor Bundestagswahl in München
Am Samstag (15. Februar) waren erst der FDP-Chef, später die Grüne Außenministerin zu Gast im Münchner Pressehaus vor jeweils rund 200 Gästen. Markus Knall, Chefredakteur von IPPEN.MEDIA, Georg Anastasiadis, Chefredakteur des Münchner Merkur und Sebastian Arbinger, Chefredakteur der tz, stellten den Spitzenpolitikern Fragen von Leserinnen und Lesern. Während Lindner als Ex-Finanzminister und nun Oppositionspolitiker eifrig und zugespitzt die Politik von Rot-Grün kritisierte, gab sich Baerbock als Chefdiplomatin staatstragend, versuchte komplexe Themen rund um Migration und der Beziehung zu den USA einzuordnen.
Die kontroverse Rede des US-Vize J.D. Vance auf der Sicherheitskonferenz sorgte die Menschen. Lindner hütete sich vor scharfer Kritik an der US-Administration, kritisierte die Außenministerin aber indirekt. „Nicht alles, was Trump-Vertreter sagen, sollte man wörtlich nehmen. Ich würde mir wünschen, öffentlich cooler umzugehen, mit dem, was sie sagen. Und hinter verschlossenen Türen dann mit klaren Worten auftreten.“
Baerbock, die direkt von der Sicherheitskonferenz kam, machte klar, dass sie seit Amtseintritt vor drei Jahren Gespräche hinter verschlossenen Türen führe. Auf die amerikanischen Einmischungen in die deutsche Innenpolitik (mit einer indirekten Wahlempfehlung für die AfD) und Trumps Gespräche mit Putin – über die Köpfe der Ukrainer und der Europäer hinweg – reagierte Baerbock klar: „Über die Ukraine entscheidet die Ukraine alleine – über Wahlen in Deutschland entscheidet nur der deutsche Wähler.“ Die Grüne Außenministerin plädierte mit Blick auf Putin, aber auch Trump, für eine gemeinsame europäische Stimme, für die sie in engem Austausch mit ihren Amtskollegen stehe: „Wir Europäer sind stark und wir werden einstehen für unseren Frieden.“
Trump, Ukraine, Migration: Was die Wähler beschäftigt
Die Veranstaltungen standen auch unter dem Eindruck des mutmaßlichen Anschlags eines Afghanen in München, der inzwischen zum Tod einer Mutter und ihrem Kind führte. Lindner bekräftigte, für eine härtere Linie in der Migrationspolitik einzustehen. „Es kann nicht jeder in Deutschland bleiben. Ich bin dafür, dass wir Rückführungsabkommen mit Afghanistan und bald auch Syrien abschließen”, so der FDP-Politiker. Die Länder seien zwar keine „Westminster-Demokratien“, aber es gebe keinen weltweiten Anspruch auf Freizügigkeit, so der FDP-Vorsitzende. „Wir entscheiden, wer hier sein darf“. Ohne Kontrollen in Fragen der Migration breche jedes soziale Sicherungssystem zwangsläufig zusammen, sagte Lindner.
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Angesprochen auf Lindners Vorstoß für Rückführungsabkommen, plädierte Baerbock für Pragmatismus und Realismus: „Menschen zurückzuführen in Länder wie Afghanistan, wo die Taliban herrschen und wo deutsche Mitarbeiter der GIZ neulich entführt wurden, ist deutlich schwieriger, als in andere Länder“, so die Grünen-Politikerin. Für Syrien betonte sie, dass nun nicht Rückführungsabkommen Priorität hätten, sondern es darum gehe, „nun ein stabiles Syrien auszubauen – sodass die Menschen in ein sicheres Land zurückkommen können.“ Darüber hinaus wurden in Ampel-Zeiten bereits Rückführungsabkommen beschlossen und besprochen, etwa mit Kenia oder Georgien. „Ich frage mich, ob er in jeder Sitzung aufgepasst hat“, konterte Baerbock ihren früheren Koalitionspartner.
Baerbock plädierte in der Migrationsdebatte für Differenzierung. Sie sprach sich klar für die Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern aus, die straffällig werden. „Solche Menschen verlieren ihren Schutzstatus in Deutschland.“ Vor dem Hintergrund des Münchner Angriffs machte die Außenministerin aber auch klar, dass es den Attentätern dabei „darum geht, die Menschlichkeit zu zerstören“ und dass es deshalb umso wichtiger sei, sich als Gesellschaft nicht spalten zu lassen. Man müsse in der Asyl- und Migrationspolitik zwischen Schwerverbrechern und einer Mutter mit ihrem Kind unterscheiden. „In solchen Momenten muss ein liberaler Rechtsstaat die Kraft finden, nicht in Populismus und Schwarz-Weiß-Denken zu verfallen“, sagte die Außenministerin.