Antwort auf Kleine Anfrage der AfD - Grüne auf Platz 1? Das sagen die Zahlen zur Gewalt gegen Politiker
Spätestens, seit Europa-Spitzenkandidat Matthias Ecke (SPD) beim Plakatieren zusammengeschlagen wurde, ist Gewalt gegen Politiker ein vieldiskutiertes Thema. Denn: Ecke ist kein Einzelfall.
Auch Vertreter anderer Parteien wurden in den vergangenen Tagen und Wochen tätlich angegriffen. Dem dritten Bürgermeister von Essen, Rolf Fliß (Grüne), sollen Passanten Anfang Mai nach einem Wortgefecht ins Gesicht geschlagen haben, wie der „Tagesspiegel“ berichtet.
In Stuttgart wurden zwei AfD-Landtagsabgeordnete bei einer Protestaktion der Antifa leicht verletzt. Und ein 74-Jähriger attackierte offenbar die Berliner Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) beim Verlassen einer Bibliothek, wie aus mehreren Medienberichten hervorgeht.
Es scheint, als würde das politische Klima in Deutschland immer rauer werden. Als würden immer mehr Menschen ihrem Unmut mit roher Gewalt Luft machen, statt im friedlichen Dialog.
Daten stammen von 2019 bis 2023
Aber wie viel Gewalt gegen Politiker gibt es wirklich? Und wer ist am meisten davon betroffen? Genaueres geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der AfD zu „Angriffen auf Politiker, Parteibüros und Wahlplakate bis einschließlich 2023“ hervor.
Gleich auf der ersten Seite steht, auf welche Zahlen sich die Bundesregierung beruft:
„Die Beantwortung der Kleinen Anfrage erfolgt auf Basis der Fallzahlen zu politisch motivierten Straftaten, die über den 'Kriminalpolizeilichen Meldedienstes in Fällen Politisch motivierter Kriminalität' (KPMD-PMK) von den Landeskriminalämtern an das Bundeskriminalamt (BKA) gemeldet wurden.“
Geht es um sogenannte „Liegenschaften“, also Geschäftsstellen oder Parteibüros, hatten die Grünen im vergangenen Jahr mit den meisten Angriffen zu kämpfen. Insgesamt 224 Attacken auf Grünen-Einrichtungen wurden 2023 gemeldet. Bei SPD und AfD waren es jeweils 115.
Interessant ist, dass die AfD in ihrer kleinen Anfrage darum gebeten hat, Sprengstoff-, Brandstiftungs- und Sachbeschädigungsdelikte einzeln auszuweisen. Dem kam die Bundesregierung nach.
Brandstiftungs- und Sprengstoffdelikte
Es zeigt sich: Von Brandstiftungs- und Sprengstoffdelikten waren die Rechtspopulisten 2019 als einzige größere Partei betroffen. Das änderte sich in den Folgejahren. Auch bei den Grünen gibt es beispielsweise 2021 entsprechende Tabellen-Einträge.
Im vergangenen Jahr wurde mit Blick auf SPD und AfD jeweils ein Brandstiftungsdelikt registriert. Sprengstoffdelikte tauchen in der Tabelle für 2023 nicht auf - allerdings sind die Zahlen „vorläufig“, wie im Ampel-Statement zu lesen ist. Das bedeutet, dass es noch zu Nach- oder Änderungsmeldungen kommen kann.
Die AfD wollte auch wissen, wie viele Parteirepräsentanten von 2019 bis 2023 angegriffen wurden. In der Antwort der Bundesregierung heißt es: „Für den Zeitraum 2019 bis 2023 [wurden] 10.537 Straftaten gemeldet.“
Am häufigsten wurden demnach Grünen-Mitglieder und -Repräsentanten Opfer von Gewalt. Insgesamt 1219 Angriffe wurden mit Blick auf Vertreter der Klimapartei erfasst, bei der AfD waren es 478. Dicht dahinter rangiert die SPD mit 420 Angriffen.
Gewalt- und Äußerungsdelikte
Interessant ist auch der folgende Teil der Antworten. Hier geht es um Gewaltdelikte, also zum Beispiel Tötungsdelikte, Körperverletzung, Raub, Erpressung, Ladenfriedensbruch oder Brandstiftung, und Äußerungsdelikte. Darunter versteht man etwa Nötigung, Bedrohung oder Beleidigung.
Die Grünen waren im vergangenen Jahr zwar mit Abstand am meisten von Äußerungsdelikten betroffen - insgesamt 947 Mal. SPD und FDP belegen hier die Plätze zwei und drei, die AfD Rang vier.
Bei Gewaltdelikten gegen Partei-Vertreter ist die Rechtsaußen-Partei jedoch klarer Spitzenreiter. 86 Gewaltdelikte erfassten die Landeskriminalämter 2023 in Bezug auf AfD-Vertreter. Bei den Grünen waren es 62, bei allen anderen Parteien 20 oder weniger.
Auffällig ist also: Vertreter der Ampel-Parteien haben überwiegend mit verbaler Gewalt zu kämpfen, die AfD wird häufiger als andere Parteien physisch attackiert. Zumindest, wenn es nach den Zahlen geht, die die Bundesregierung vor kurzem veröffentlicht hat.
Soziologe sieht „Durchrohung der Gesellschaft“
In der Politik wollen das viele nicht so stehen lassen. Längst ist über die Daten ein Streit entbrannt. Vor allem zwischen der AfD und Vertretern anderer Parteien.
Denn während die Rechtspopulisten betonen, am häufigsten Opfer tätlicher Angriffe zu sein, heißt es von der politischen Konkurrenz, die AfD würde schlicht alle Fälle melden, sie selbst jedoch nicht. Das geht aus einem Bericht des „Spiegel“ hervor.
Wer Recht hat, lässt sich nur schwer überprüfen. Klar ist aber: Gewalt gegen Politiker - ob nun verbal oder physisch - ist ein ernstzunehmendes Problem. Experten debattieren schon länger über die Gründe.
Der Soziologe Wilhelm Heitmeyer etwa stellte im „Deutschlandfunk“ eine „Durchrohung der Gesellschaft“ fest. Und erklärte, dass sich die „Eskalationslogik von Konflikten in dieser Gesellschaft“ verschoben habe. Statt einer verständigungsorientierten Politik erkennt Heitmeyer eine „Entweder-oder-Logik“. Diese ist laut dem Soziologen gewaltanfällig.