Nach Imamoglu-Verhaftung: Erdogan droht unverhohlen der Opposition
Mit der Inhaftierung des Istanbuler Bürgermeisters hat Präsident Erdogan seinen wichtigsten Gegner ausgeschaltet. Erdogan legt nach und droht der Opposition weiter.
Istanbul – Die Fronten zwischen der Opposition und der Regierung in der Türkei bleiben weiterhin verhärtet. Seit der Inhaftierung des Istanbuler Bürgermeisters und Spitzenkandidaten der Oppositionspartei CHP am 19. März kommt das Land nicht zur Ruhe. Demonstrationen, gefolgt von Massenverhaftungen von Angestellten der Istanbuler Stadtverwaltung und gegenseitige Verbalattacken sind die Folge. Die Justiz wirft Imamoglu und seinen Beamten Korruption und Terrorismusdelikte vor. Die Angeklagten weisen das zurück. Präsident Recep Tayyip Erdogan legt jetzt nach und warnt die Opposition, sich gegen ihn und seine AKP zu stellen.
Nach Imamoglu-Verhaftung in der Türkei: Erdogan droht Gegnern mit „zugrunde gehen“
„Mal sehen, wie viele CHP-Mitglieder noch auf dem Weg zu ihren Präsidentschaftsambitionen zugrunde gehen werden“, sagte Erdogan in einer Fraktionssitzung. Mit Imamoglu hat Erdogan einen Gegner beiseite räumen lassen, der bei den Wahlen durchaus eine Chance gegen den mächtigen Mann in der Türkei haben könnte. Mit diesen Worten warnt Erdogan auch andere mögliche Kandidaten der Opposition, die ihm die Stirn bieten wollen.

Erdogan hatte auch den CHP-Vorsitzenden, Özgür Özel, in seiner Rede heftig kritisiert. „Er versucht, auf billige Art und Weise auf die Tagesordnung zu kommen, indem er unsere Minister, Mitglieder der Justiz und der Sicherheitskräfte angreift“. Özel hatte sich immer wieder bei ausländischen Politikern und Medien über Erdogan und seine Politik beschwert und damit den türkischen Präsidenten verärgert. „Er blamiert seine Partei und sein Land, indem er sich bei ausländischen Medienorganisationen ausweint“.
Türkei-Wahl: Erdogan prophezeit Scheitern des CHP-Chefs
Özel werde genauso wie der Istanbuler Bürgermeister daran scheitern, Präsident zu werden. „Und jetzt, in diesem miserablen Zustand, hat er begonnen, sich um die Präsidentschaftskandidatur zu bewerben. Der Vorherige hat auch an jeder Tür geklingelt. Das Ergebnis aber ist offensichtlich: Er wollte Präsident werden, und jetzt ist er Geschichte“. An die Adresse des CHP-Vorsitzenden sagte er: „Wir werden sehen, ob sein Atem bis 2028 reichen wird“. Dann sollen die Wahlen regulär stattfinden.
Kanal-Istanbul soll 277 Milliarden Dollar Schaden bringen
Die CHP wirft Erdogan und seiner AKP vor, mit dem Kanal-Istanbul Projekt, einer zweiten Wasserstraße, die das Marmara Meer mit dem Schwarzen Meer verbinden soll, regierungsnahe Bauunternehmer zu bevorzugen und Schmiergelder einzukassieren. Durch das Kanalprojekt entstehe der Türkei ein Schaden von mindestens 277 Milliarden Dollar, so der inhaftierte Istanbuler Bürgermeister über X.
Alleine der Bau des Mammutprojekts soll 100 Milliarden Dollar kosten. „Dieses Geld würde das gesamte Land, einschließlich Istanbul, wiederbeleben, es erdbebensicher machen und unser gesamtes Land auf die Beine stellen“, schreibt er. Imamoglu und seine Stadtverwaltung sind die größten Gegner dieses Projekts.
Experten warnen vor Erdogans Mammut-Projekt
In ihrem jüngsten Bericht warnt die Ingenieurs- und Architektenkammer von Istanbul vor dem Mega-Bauprojekt. Ziel des Kanal-Istanbul sei es, hohe Gewinne zu erzielen. Die Risiken seien bei dieser Wasserstraße um ein Vielfaches höher als beim Bosporus. „Auch wenn das Bauprojekt vor Gericht gestoppt wird, geht der Bau in den kritischen Wassereinzugsgebieten, Weiden und landwirtschaftlichen Flächen Istanbuls unvermindert weiter“.
Angeblich sollen rund um den neuen Kanal Sozialwohnungen entstehen, hieß es bislang. Die Experten der Ingenieurs- und Architektenkammer von Istanbul warnt aber: „Selbst wenn es sich um sozialen Wohnungsbau handelt, sollte für das betreffende Gebiet keinerlei Baugenehmigung erteilt werden“.
Umstrittenes Mega-Bauprojekt: Videos zeigen Erdogan bei Besichtigung von Kanal-Istanbul
Auch wenn es von Seiten der Regierung heißt, die Projekte um den Kanal-Istanbul gestoppt zu haben, gehen die Bauarbeiten offenbar weiter. Der CHP-Chef veröffentlichte auf X ein Video, dass das belegen soll. Darauf zu sehen ist Erdogan, wie er mit einem Helikopter über die Baustellen rund um das Megaprojekt fliegt und eine Konferenz, in der ihm Details zu dem Projekt vorgestellt werden. (erpe)