Kommentar von Unternehmer Martin Limbeck - Weniger Steuern für Zuwanderer: Wie sinnvoll dieser Ampel-Plan ist

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Michael Kappeler/dpa Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, und Christian Lindner (FDP), Bundesminister der Finanzen, nehmen an einer Pressekonferenz zum Haushaltsplan 2025 teil.
Dienstag, 09.07.2024, 16:49

In vielen Branchen fehlen Fachkräfte, das Wirtschaftswachstum stagniert auf historisch niedrigem Niveau. Um Abhilfe zu schaffen, will die Bundesregierung ausländische Fachkräfte über Steueranreize für Deutschland gewinnen. Unternehmer Martin Limbeck beleuchtet Sinn und Durchführbarkeit der Idee.

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Was genau beinhaltet der Steueranreiz für ausländische Fachkräfte, den die Ampelkoalition plant?

Im Rahmen der Verhandlungen zum Bundeshaushalt 2025 haben Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) nach Wegen gesucht, um den Fachkräftemangel in Deutschland zu senken.

Das Ergebnis: Bürokratische Hürden für die Arbeitsaufnahme von Geflüchteten sollen sinken – und ausländische Fachkräfte in den ersten drei Jahren nach ihrer Einreise weniger Einkommenssteuer zahlen. Konkret sieht die Wachstumsinitiative vor, dass neu zugewanderte Fachkräfte im ersten Jahr in Deutschland 30 Prozent ihres Bruttolohns steuerfrei erhalten, im Folgejahr 20 Prozent und im dritten Jahr noch 10 Prozent. 

Wie passt diese Maßnahme in die Wachstumsinitiative der Bundesregierung und welche Auswirkungen könnte sie auf das Wirtschaftswachstum haben?

Robert Habeck hat es treffend auf den Punkt gebracht: „Wenn mehr Geflüchtete und andere Ausländer in den Arbeitsmarkt integriert werden können, ist das eine Stellschraube für mehr Wachstum.“

Genau so sehe ich es auch. Denn in fast allen Branchen fehlen Fachkräfte, der deutschen Wirtschaft entgehen deswegen Milliarden an Einnahmen. Damit unsere Wirtschaft wieder zu Kräften kommen kann, muss die Menge an Erwerbstätigen mindestens gleich bleiben, idealerweise noch zunehmen. Ohne Zuwanderung sieht es jedoch finster aus: Laut des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) werden allein bis 2035 rund sieben Millionen Menschen in Deutschland in Rente gehen.

Über den Experten

Woher soll das Geld denn bitte kommen? Unternehmer und Autor Martin Limbeck
Martin Limbeck

Martin Limbeck ist Gründer der Limbeck® Group, Mehrfachunternehmer, Investor, Wirtschaftssenator (EWS), Mitglied des BVMW Bundeswirtschaftssenats und einer der führenden Experten für Sales und Sales Leadership in Europa. Neben seiner Unternehmertätigkeit hält Martin Limbeck Vorträge und engagiert sich als Botschafter von Kinderlachen e.V. für kranke und hilfsbedürftige Kinder in Deutschland. Sein Wissen aus 30 Jahren Unternehmertum gibt er in seiner Mastermind-Gruppe „Gipfelstürmer“ weiter.

 

Und was spricht dagegen, es anderen Ländern gleichzutun? Länder wie Italien, Spanien und Portugal bieten Ausländern vergünstigte Einkommenssteuersätze, auch Griechenland, Kroatien und Zypern haben in ihrem System für Anreize gesorgt. 

Dass es funktioniert, belegen die Zahlen: Deutsche Fachkräfte wandern vermehrt ins Ausland ab. Mehr als eine Viertelmillion Deutsche haben das Land 2022 verlassen, die Mehrheit im arbeitsfähigen Alter und etwa drei Viertel davon sind hoch qualifizierte Fachkräfte mit Hochschulabschluss, so eine Erhebung von Destatis.

Mit einer Auswanderungsrate von 5,1 Prozent liegt Deutschland derzeit auf Rang 3 im internationalen Vergleich. Nur in Großbritannien und Polen wandern noch mehr Menschen aus. Die Hauptmotive für den Wegzug sind dabei Arbeit und Einkommen – insgesamt 58 Prozent nannten berufliche Gründe für den Umzug, 18 Prozent Unzufriedenheit mit dem Leben in Deutschland.

Könnte dieser Plan deutsche Steuerzahler benachteiligen und wenn ja, wie wird dies ausgeglichen?

Die kritischen Stimmen haben nicht lange auf sich warten lassen: Yasmin Fahihi, Chefin des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) warnte vor dem „gesellschaftlichen Zündstoff“, den das Gesetz berge. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) erklärte, der Vorschlag würde der Steuergerechtigkeit widersprechen. Schließlich würden sich deutsche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dann benachteiligt fühlen.

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Dass Rufe nach Gleichheit kommen, war zu erwarten. Doch mal ehrlich: Was spricht abgesehen davon dagegen, ausländische Arbeitskräfte auf diese Weise vorübergehend zu entlasten? Schließlich haben sie auch zusätzliche Kosten durch einen Umzug, Wohnungseinrichtung und so weiter. Außerdem geht es hier nicht um astronomisch hohe Summen, wie das folgende Rechenbeispiel verdeutlicht.

Nehmen wir mal an, dass es um ein Bruttogehalt von 45.000 Euro geht. Die reguläre Einkommenssteuer für Steuerklasse 1 beträgt dann 5.919 Euro pro Jahr. Für eine Fachkraft, die von der neuen Regelung profitiert, wäre es im ersten Jahr eine Ersparnis von 30 Prozent, also 1.776 Euro. Im Folgejahr mit 20 Prozent Nachlass 1.184 Euro und im dritten Jahr 592 Euro. Zusammen macht das eine Steuererleichterung von 3.552 Euro im Zeitraum von drei Jahren.

Was allerdings nicht außen vor bleiben darf: Wie soll das ganze bürokratisch gestemmt werden? Sowohl in den Unternehmen als auch im Finanzamt würde dadurch erheblicher Mehraufwand anfallen. 

Welche weiteren Maßnahmen plant die Regierung, um die Integration von Geflüchteten und anderen Ausländern in den Arbeitsmarkt zu verbessern?

Die Bundesregierung plant außerdem, zukünftig die Beschäftigungserlaubnis für Geflüchtete schneller zu erteilen. Anstatt monatelange Prüfverfahren abzuwarten, soll zukünftig mit einer sogenannten „Genehmigungsfiktion“ gearbeitet werden. Sprich die Erlaubnis gilt als erteilt, wenn die Ausländerbehörde nach Beteiligung der Bundesagentur für Arbeit nicht innerhalb von 14 Tagen widerspricht.

Diese Entscheidung begrüße ich, denn wir haben in der Vergangenheit erlebt, wie lange sich solche Verfahren unter Umständen hinziehen können. Ich erinnere hier nur an die Bemühungen vor zwei Jahren, Unterstützung von ausländischen Arbeitskräften für die Abfertigung an den Flughäfen zu bekommen. Wer nach Deutschland kommt und arbeiten will, sollte das auch so schnell wie möglich tun können.

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Unfairer Vorteil oder guter Hebel für Wirtschaftswachstum?

Ich kann nachvollziehen, dass sich deutsche Fachkräfte benachteiligt fühlen, wenn ihre neuen ausländischen Kollegen mehr vom Lohn übrig behalten als sie selbst. Als Anreiz für die Gewinnung neuer Fachkräfte aus dem Ausland kann das funktionieren – dann müssen Unternehmen jedoch auch Strategien und Maßnahmen entwickeln, um mit der möglicherweise aufkommenden Unzufriedenheit im Team umzugehen. Langfristig gesehen halte ich es jedoch für wesentlich sinnvoller, das deutsche Steuersystem allgemein zu überarbeiten.

Wieso ist es nicht möglich, für alle die Lohnsteuer zu senken und so dafür zu sorgen, dass sich Leistung in unserem Land wieder mehr lohnt? Die Bundesregierung sollte nicht länger ignorieren, wie viele hochqualifizierte Menschen jedes Jahr Deutschland verlassen, weil Arbeitsplätze im Ausland mehr Anreize bieten.

Um langfristig dafür zu sorgen, dass sich unsere Wirtschaft erholt, Weniger Steuern für Zuwanderer: Geniestreich oder Ungerechtigkeit? Das ist nicht mehr als ein Tropfen auf den sprichwörtlichen heißen Stein.

Dieser Text stammt von einem Expert aus dem FOCUS online EXPERTS Circle. Unsere Experts verfügen über hohes Fachwissen in ihrem Themenbereich und sind nicht Teil der Redaktion. Mehr erfahren.