Anfang Dezember bot sich den Hüttenwirten der beliebten Stüdlhütte in Osttirol ein erschreckender Anblick. Beim Öffnen der Bergsteigerunterkunft auf 2800 Metern Höhe fanden sie massive Verwüstungen vor: eingeschlagene Fenster, zerstörte Lichtschalter und eine aufgebrochene Tür, umgeben von Bergen von Müll.
Auf Instagram veröffentlichten sie fassungslos: „Unser Winterraum wurde erneut mutwillig zerstört. Wir sind traurig, dass es so weit kommen muss.“
Zerstörung in den Alpen: „Echt traurig, was in unserer Gesellschaft abgeht“
Die Hüttenbetreiber Veronika und Matteo Bachmann bedankten sich bei den meisten Gästen für den respektvollen Umgang. Gleichzeitig appellierten sie: „Behandelt den Winterraum und das Inventar mit Respekt“, da Schäden hohe Kosten verursachen, die für Renovierungen und Wegebau fehlen.
Der offizielle Winterraum der Stüdlhütte ist bereits seit 2021 gesperrt, nachdem eine Gaskartusche explodiert war. Der nun genutzte kleine, provisorische Notraum ist unverschlossen, um Schutz in Notsituationen zu gewährleisten. Dies führe laut Pressesprecherin Hannah Trowal jedoch immer wieder zu Müllablagerung und weiteren Beschädigungen.
Die Fotos des zerstörten Schutzdomizils lösten in den sozialen Netzwerken eine Welle der Empörung aus. Unter dem Post kommentierten Nutzer: „Nur noch Deppen in den Bergen“, „wie verbittert muss man unterwegs sein“, oder „echt traurig, was in unserer Gesellschaft abgeht“.
Ein Problem, das viele Hütten betrifft
Laut dem Bayerischen Rundfunk (BR) ist der Vandalismus in der Stüdlhütte kein Einzelfall: Auch an der Knorrhütte im Wettersteingebirge, am Watzmann-Hocheck sowie in einigen Notunterkünften im Allgäu wurden dieses Jahr Winterräume verwüstet — mit beschädigten Möbeln oder aufgebrochenen Türen.
Der Deutsche Alpenverein (DAV) warnt gegenüber dem BR deshalb eindringlich: Winterräume seien „kein Partyraum, kein Gratis-Schlafplatz und schon gar keine Müllhalde“.
Besonders dramatisch sind die Folgen, wenn Notunterkünfte durch Vandalismus im Ernstfall nicht mehr zugänglich sind. Bergwachtleiter Michael Renner schildert gegenüber der „Süddeutschen Zeitung", wie am Watzmann-Hocheck mehrfach Türen aufgebrochen, Fenster zerstört oder Feuerstellen improvisiert wurden. Einmal habe ein kaputtes Schloss sogar die Bergretter selbst daran gehindert, schnell Zugang zum Lager zu bekommen.
Verheerender Social-Media-Trend
Renner bezweifelt, dass die Täter in einer Notlage waren: Bei echten Notfällen könne jeder einen Notruf absetzen und bekomme den Zugangscode zum Schlüsseltresor – zweisprachig ausgeschildert. Trotzdem würden Türen wiederholt eingetreten und sogar Hüttenwände mit Steigeisen beschädigt.
Einen Grund sieht der DAV inzwischen auch in den sozialen Netzwerken: Markus Block, Sprecher des Alpenvereins München, sagt dem BR, man vermute einen Social-Media-Trend hinter der Entwicklung: Junge Bergsteiger würden gezielt in Winterräume gehen, um „Micro-Adventures“ zu inszenieren und spektakuläre Fotos zu veröffentlichen.
Bei der Knorrhütte wurden zuletzt billige Schlafsäcke, Alkoholflaschen und Partymüll gefunden. „Wir gehen stark davon aus, dass Leute hier nur hergekommen sind, um schöne Fotos zu machen, zu feiern und wieder abzuhauen“, so Block.
Helfer am Limit: „Hinterlasst den Platz so, wie ihr ihn selbst vorfinden möchtet"
Viele der beschädigten Unterkünfte liegen auf über 2600 Metern – Reparaturen sind dort extrem aufwendig und oft nur per Hubschrauber möglich. Die „Süddeutsche Zeitung" berichtet, dass Helfer der Sektion München und Oberland regelmäßig die sogenannte Biwakschachtel, eine Schutzhütte am Jubiläumsgrat an der Zugspitze reinigen müssen. Zuletzt waren erst frisch erneuerte Laken wieder mit Schokolade verschmiert, den Müll konnte ein Bergsteiger aufgrund der hohen Menge nicht ins Tal bringen.
Die Sektion reagierte mit einem Appell: „Hinterlasst den Platz so, wie ihr ihn selbst vorfinden möchtet. Nur so bleibt das Biwak das, was es sein soll: eine Notunterkunft für alle, die sie wirklich brauchen.“
In der „Allgäuer Zeitung" sprach Michael Fracaro von der DAV-Sektion Allgäu-Immenstadt von zunehmendem Egoismus und schwindendem Respekt. In den vergangenen zehn bis 15 Jahren habe sich etwas verändert. Wenn das so weitergehe, müsse man über Gegenmaßnahmen nachdenken – zum Schaden für alle, die auf funktionierende Winterräume angewiesen sind.
Trotz der Häufung an Fällen betonen Alpenvereine und Hüttenbetreiber aber, dass die große Mehrheit der Bergsteiger respektvoll mit den Schutzräumen umgeht. Gerade deshalb sei es wichtig, Winterräume weiterhin unverschlossen zu lassen.