Anschlag nahe Moskau: Russischer Sicherheitsdienst wusste wohl von der IS-Bedrohung

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Bei dem Terroranschlag bei Moskau hatten vier Männer das Feuer auf die Besucher der Crocus City Hall eröffnet und anschließend die Konzerthalle in Brand gesetzt (Bild vom 22. März 2024). © Sergei Vedyashkin/Moscow News Agency/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Die USA warnten Moskau vor einem möglichen Terroranschlag in Russland. Der Kreml schlug das in den Wind – dabei hatten russische Geheimdienste die Gefahr offenbar bereits selbst erkannt.

Moskau – Bei dem Terroranschlag nahe Moskau vor einer Woche kamen mehr als 140 Menschen ums Leben, über 180 wurden verletzt. Etwa zwei Wochen zuvor hatten die USA bereits vor einem möglichen Anschlag in Russland gewarnt, doch der Kreml tat das als Versuch der „Destabilisierung“ der russischen Gesellschaft ab. Nun stellt sich offenbar heraus: Auch russische Sicherheitsdienste hatten schon Tage vor dem Angriff die innenpolitische Bedrohung erkannt. Das ergaben Ermittlungen des in London ansässigen Dossier Centers, das sich auf Dokumente des russischen Geheimdienstes berief.

Russische Geheimdienste kannten Gefahr eines Terrorangriffs durch den IS-Ableger ISPK

Wenige Tage vor dem Terroranschlag hätten Mitglieder des russischen Sicherheitsrats eine Warnung erhalten, dass tadschikische Staatsbürger bei Terroranschlägen auf russischem Territorium eingesetzt werden könnten, so der Bericht des Dossier-Centers. Die Terrorgruppe Islamischer Staat Provinz Khorasan, kurz ISPK, gilt als Ableger des Islamischen Staats in Afghanistan und Zentralasien. Aktivitäten dieser Terrorgruppe seien in Russland genau beobachtet worden, hieß es demnach in den russischen Geheimdokumenten.

Insgesamt habe man die Gefahr terroristischer Anschläge in Russland als hoch eingestuft, so der Bericht weiter. Bereits vor dem Anschlag auf die Crocus City Hall soll eine den Geheimdiensten nahestehenden Quelle das Dossier Center über die Terrorgefahr durch ethnische Tadschiken gewarnt haben. Die Angaben der Investigativ-Organisation ließen sich nicht unabhängig überprüfen.

Über das Dossier Center

Der im Exil lebende Kremlkritiker und frühere Oligarch Michail Chodorkowski gründete das Dossier Center 2017 als „Antikorruptionsprojekt“.

Der Bericht des Dossier-Centers wies auch auf weitere Probleme des russischen Sicherheitsapparats hin: So seien Polizeibeamte erst eine Stunde nach den ersten Schüssen am Ort des Anschlags eingetroffen. Und das, obwohl das Hauptquartier der Moskauer Bereitschaftspolizei weniger als drei Kilometer von der Konzerthalle Crocus City Hall entfernt liege. Mindestens vier der mutmaßlichen Angreifer konnten fliehen und das rund 400 Kilometer entfernte Brjansk erreichen, „obwohl es in Moskau und auf den nahegelegenen Autobahnen zahlreiche Überwachungskameras gab“, so die Analyse weiter.

Warnung vor Terror: IS ruft zu weltweiten Angriffen auf

Der Islamische Staat (IS) bekannte sich offiziell zum Anschlag nahe Moskau und erklärte, dass vier festgenommene Tatverdächtige Mitglieder der Terrororganisation seien. Kremlchef Wladimir Putin sprach indes von einer Spur in die Ukraine, ohne Beweise vorzulegen. Kiew wies jede Verwicklung in den Angriff zurück. Laut New York Times gab es auch Hinweise auf eine Reaktion Russlands auf die US-Warnung vor einem möglichen Terroranschlag: Am 7. März habe der russische Inlandsgeheimdienst FSB bekannt gegeben, einen ISPK-Anschlag auf eine Synagoge in Moskau vereitelt zu haben. Zudem sei das Personal der Crocus City Hall offenbar vor der Möglichkeit eines Terroranschlags gewarnt und eingewiesen worden, was in einem solchen Fall zu tun sei.

Womöglich sei Moskau misstrauischer gegenüber den US-Informationen geworden, als es innerhalb der von Washington genannten 48 Stunden akuter Bedrohung nicht zu einem Anschlag gekommen sei. Es war nicht der erste Angriff der ISPK auf Russland: Schon im Jahr 2022 waren bei einem Bombenanschlag der IPSK auf die russische Botschaft in der afghanischen Hauptstadt Kabul fünf Menschen ums Leben gekommen. Indes kündigte die Terrormiliz IS am vergangenen Donnerstag in einer Audiobotschaft weitere Anschläge weltweit an, insbesondere in den USA, Europa, Israel und Palästina. Laut Bundesregierung ist die Terrorgefahr in Deutschland derzeit „akut“. (bm)

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