„Zahl ist dramatisch angestiegen“: Experte erklärt, warum in Bayern so viele Menschen ertrinken

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Mit steigenden Temperaturen häufen sich auf den Gewässern in Bayern die Rettungseinsätze. © Florian Böcking/DLRG

Die Flüsse und Seen in Bayern locken Badegäste aus nah und fern. Doch die Zahl der Unfälle steigt. Experte Michael Förster kennt die Ursachen.

Bayern – Geht es um die Zahl der Badetoten, ist der Freistaat bundesweit trauriger Spitzenreiter. 70 Menschen sind nach Angaben der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) allein im Vorjahr in Bayern ertrunken. 2023 hatte man noch acht Tote weniger zu beklagen. In 51 Fällen kamen die Menschen in freien Gewässern wie Seen, Weihern, Flüssen oder Bächen zu Tode – eine Person ertrank nach DLRG-Angaben in einem Freibad. Pünktlich zum Sommerbeginn steigen auch in diesem Jahr die Einsatzzahlen der Rettungskräfte, berichtet Michael Förster von der DLRG.

Start in Badesaison: Zahl der Ertrunkenen in Bayern steigt „dramatisch“

Konkrete Zahlen für das Jahr 2025 liegen laut Michael Förster erst im Herbst vor. Um die Badetoten richtig zuordnen zu können, braucht es schließlich Zeit, vor allem dann, wenn sie in Grenzgebieten aufgefunden werden. Als Beispiel nennt Förster die Donau bei Ulm, wo schon wenige Meter entscheiden, ob ein Ertrunkener in Baden Württemberg oder in Bayern in der Statistik auftaucht.

„Im Frühjahr waren es witterungsbedingt wenige Todesfälle“, erinnert sich Förster. Mit Beginn der Badesaison sei die Zahl der Ertrunkenen jedoch „dramatisch angestiegen“. Allein mit dem Aufzählen der Fälle, die sich am vergangenen Wochenende ereignet hatten, ist Förster bereits eine ganze Weile beschäftigt.

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Junge Männer oft zu leichtsinnig

Dass es gerade im Freistaat häufig zu Badeunfällen kommt, sei dabei keineswegs Zufall. „Wir sind ein flächenmäßig großes Bundesland mit vielen attraktiven Badeseen“, erklärt Förster. Doch nicht nur die stehenden Gewässer, auch die Flüsse bergen Gefahren, weiß der Leiter der DLRG-Verbandskommunikation in Bayern. Zwar gebe es in anderen Teilen der Bundesrepublik ebenfalls große Seen, nur finde man dort oftmals „mehr Schnacken als Menschen“: schlecht für den dortigen Tourismus, erfreulich für die Wasserwacht.

Wer allerdings denkt, bei den Verunglückten in Bayern handele es sich allein um Touristen, der irrt. Auch Einheimische „fallen mit einem Sonnenstich vom Surfbrett“, gibt Förster zu bedenken. Zumeist seien es aber zwei Gruppen, derentwegen die Rettungskräfte ausrücken müssen. Zum einen handele es sich um „junge Männer zwischen 20 und 40 Jahren“. Michael Förster bedauert vor allem die Leichtsinnigkeit vieler Männer: „Sie unterschätzen die Gefahren im Wasser“ – beispielsweise an tiefen Baggerseen, Staustufen oder Wehren.

Herz-Kreislauf-Erkrankungen als Risiko

Ein Großteil der Unfälle sei jedoch auf Senioren über 65 Jahren mit Vorerkrankungen zurückzuführen. „Die können schwimmen, sind vielleicht sogar ein Leben lang geschwommen“, sagt Förster. Meldet sich nach den ersten Zügen im kühlen Nass aber plötzlich eine Herz-Kreislauf-Erkrankung zu Wort, „geht man unter“.

Einen dringenden Appell richtet Förster indessen an Eltern kleiner Kinder. Gerade in freien Gewässern, wo das Wasser tief und Rettungsschwimmer meist fern sind, müssten Erziehungsberechtigte ihrer Aufsichtspflicht nachkommen und ihre Schützlinge stets „in Griffnähe“ behalten. Aufmerksamkeit sei freilich auch im Freibad angebracht – wo man allerdings auch dafür bezahle, dass im Notfall geschulte Rettungsschwimmer ins Becken springen. Tödliche Unfälle gebe es dort, zwischen Kiosk und Wasserrutsche, folglich seltener als an einsamen und weitläufigen Seen und Flüssen.

Rettungsboot auf dem Starnberger See
Häufig im Einsatz sind die Rettungskräfte auf den Seen im bayerischen Alpenvorland. © DLRG

Worauf sollte man also achten, möchte man dem Rettungsboot der Wasserwacht einen Einsatz ersparen? Älteren Menschen und Personen mit Vorerkrankungen rät Michael Förster dazu, sich beim Hausarzt durchchecken zu lassen. Gibt der grünes Licht, sollte man sich dennoch nicht übereifrig in die Fluten stürzen, sondern den Körper langsam an die Wassertemperatur gewöhnen. Sich ordentlich abzufrischen, sei „ganz wichtig“, merkt Förster an. Ansonsten steige die Gefahr eines Kreislauf-Schocks. Der wiederum könne eine Ohnmacht zur Folge haben und im schlimmsten Fall zum Ertrinken führen.

Immer mehr Nichtschwimmer in Bayern

Die zunehmende Zahl jener Menschen, die sich ohne die nötigen Fähigkeiten in offenen Gewässern den Gefahren aussetzen, beobachtet Michael Förster mit wachsender Besorgnis: „Der Anteil an Nichtschwimmern und nicht sicheren Schwimmern nimmt stetig leicht zu.“ Die Gründe dafür sind vielfältig. An den Schulen stehe der Schwimmunterricht zwar im Lehrplan, so Förster, weil das nächste Schwimmbad aber oft weit entfernt liegt, sei dieser allerdings nicht verpflichtend und falle im wahrsten Sinne ins Wasser.

Einen weiteren Grund sieht Michael Förster in der Zuwanderung. Menschen aus anderen Kulturkreisen hätten in ihrer alten Heimat oft nur wenige Berührungspunkte mit dem Schwimmen und es nie richtig gelernt. Ein sonniger Tag am Baggersee könne so schnell im Drama enden.

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