„Eigentlich ein Hohn“: Maschmeyer zerlegt Homeoffice-Mythos

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Wirtschaft und Politik fordern „mehr Bock auf Arbeit“. Investor Carsten Maschmeyer findet das „einfach unlogisch“. Im Interview erklärt er, was es stattdessen braucht.

Als Investor arbeitet Carsten Maschmeyer viel mit Start-up-Unternehmen zusammen. Dabei hat der 66-Jährige vor allem mit jüngeren Partnern zu tun. Auch aus der sogenannten Generation Z, also den Jahrgängen ab 1995. Dass die Jugend von heute faul sei – dieses Vorurteil kann Maschmeyer nicht bestätigen. Vielmehr habe die Gen Z einen veränderten Blick auf Arbeit. Andere Dinge seien für sie „wichtiger als nur ein hohes Gehalt“, sagt Maschmeyer im Interview mit dem Münchner Merkur.

Investor Maschmeyer: „Die Gen Z ist nicht faul“

Herr Maschmeyer, vor kurzem haben Sie auf LinkedIn geschrieben: „Die Gen Z wird am Arbeitsplatz oft missverstanden. Oder schlimmer: Man will sie gar nicht verstehen“. Wie haben Sie das gemeint?

Die Gen Z hat sich an eine veränderte Arbeitswelt mit technologischer Nutzung angepasst. Diese Anpassung empfinden ewiggestrige Chefs als befremdend und fehlinterpretieren es als zu bequem, unmotiviert sowie faul.

Und sehen Sie es genauso? Ist die Gen Z zu faul?

Nein. Das haben schon unsere Urgroßväter über unsere Großväter gesagt, die Großväter über unsere Väter und die Väter über uns. Aber die Gen Z ist nicht faul. Sie sind einfach anders und haben abweichende Prioritäten.

Welche?

Die Gen Z legt Wert auf Ergebnisse, nicht auf Präsenzzeit. Sie wollen Vertrauen, psychologische Sicherheit, wenn sie neuartige Vorschläge machen. Die junge Generation möchte selbst entscheiden, wann, wo und wie viel sie arbeitet, wenn sie die Zielvorgaben erreichen. Und: Sie möchte nicht dauernd kontrolliert werden. Die Resultate soll man sehr wohl kontrollieren, aber nicht jeden Detailschritt, wie die Resultate erzielt werden. Junge Leute sind bereit, sich an Erfolgen messen zu lassen. Ältere Chefs und Traditionskonzerne tun sich mit diesem neuen Arbeitsbild schwer.

Wird sich das je ändern?

Aus Arbeitgebersicht muss es sich ändern. Unternehmen, die auf die Bedürfnisse der Gen Z eingehen, haben Vorteile im Recruiting und bei der Mitarbeiterbindung. Ein Fernseh-Produzent sagte mir kürzlich, er bekomme nur noch Leute, wenn er eine Vier-Tage-Woche anbiete oder viel Remote-Arbeit erlaube.

Investor Carsten Maschmeyer am Rande des Ludwig-Erhard-Gipfels am Tegernsee im Interview mit Reporter Andreas Schmid.
Investor Carsten Maschmeyer (rechts) am Rande des Ludwig-Erhard-Gipfels am Tegernsee im Interview mit Reporter Andreas Schmid. © Lisa Gilz

Maschmeyer gegen Homeoffice-Pflicht: „Denkweise aus letztem Jahrhundert“

Mehrere größere Unternehmen wie Amazon holen ihre Arbeiter aus dem Homeoffice zurück. Nachvollziehbar?

Es ist eigentlich ein Hohn, dass Amazon, ein Unternehmen mit der DNA des Online-Handels, Präsenz erwartet. Ich war vor kurzem bei Amazon in Seattle, Nichteinhaltungen gegen diese Homeoffice-Regel werden dort ebenso wenig sanktioniert wie bei Apple im Silicon Valley. Ich habe die Leute dort gefragt: Arbeiten die Mitarbeiter im Homeoffice mehr? Ja, sie arbeiten mehr. Mitarbeiter wollen heute an Zielen gemessen werden – nicht daran, wie früh, wie lange und wie oft sie im Büro sind.

Büro-Pflichten lehnen Sie also ab?

Komplett. Die Konzerne denken, die Mitarbeiter tun mehr, wenn der Chef im selben Gebäude ist und wenn sie wiederum sehen, wie lange der Mitarbeiter in der Arbeit ist. Aber das ist eine Denkweise aus dem letzten Jahrhundert. Trotzdem braucht es fürs Homeoffice klare Regeln.

Welche?

Problematisch sind spontane Bettkantenentscheidungen wie „Heute bleibe ich daheim, weil das Wetter schön ist oder ich am Abend zuvor ein Bier zu viel hatte“. Teams sollten fixe Büro-Kerntage festlegen. Bei uns sind das beispielsweise Dienstag und Mittwoch. Das ist auch wichtig für den Dialog, die Kreativität und den Teamspirit, was ja bei ständigem oder unabgestimmten Homeoffice verloren gehen kann. Es braucht also beides – Homeoffice und Remote. Führungskräfte gehören allerdings ins Büro, sonst können sie ihre Aufgabe als Leader, Coach und Mentor nicht richtig wahrnehmen.

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Gen Z am Arbeitsplatz: „Das ist für sie wichtiger als nur ein hohes Gehalt“

Fernab von Homeoffice: Wann ist ein Arbeitsplatz attraktiv?

Das hängt von der vorherigen Tätigkeit und der Lebenssituation ab. Ältere Menschen bevorzugen eine große Firma, die viel Gewinn macht und vermutlich sichere Arbeitsplätze bietet. Junge Leute suchen einen Arbeitgeber mit Purpose.

Mit Purpose – was bedeutet das?

Damit ist ein gewisser Sinn gemeint. Unternehmen sollten einen Purpose haben, in dem sie einen positiven Zweck verfolgen und Nutzen stiften. Wenn das Arbeitsklima angemessen ist, wenn sie kein Greenwashing betreiben, sondern auf echte Nachhaltigkeit setzen und zusätzlich eine angenehme Arbeitsatmosphäre sowie motivierende Führungskräfte bieten. Junge Leute wollen ihren Freunden mit Stolz erzählen, für wen oder was sie arbeiten. Für sie ist ein Sinn in der Arbeit wichtiger als nur ein hohes Gehalt. Natürlich braucht es faire Löhne. Aber es geht auch um andere Dinge, um Work-Life-Blending statt Work-Life-Balance.

Work-Life-Blending – noch so ein Begriff, den Sie bitte genauer erklären müssen.

Work-Life-Balance meint ja die strikte Trennung zwischen Arbeit und Freizeit. Man arbeitet montags bis freitags von 9 bis 17 Uhr und hat davor und danach ausschließlich Freizeit. Mittlerweile hat sich der Anspruch aber geändert – hin zum Work-Life-Blending. Das heißt: Man kann während der Arbeitszeit einkaufen, zum Friseur gehen oder die Kinder aus der Kita abholen. Umgekehrt wird dann auch mal abends zu Hause etwas zu Ende gearbeitet. Es gibt nicht mehr strikt getrennte Zeitfenster, sondern eine bessere Vereinbarkeit von Arbeit und Freizeit. In der Maschmeyer Group setzen wir auf Work-Life-Blending.

Wie äußert sich das dann?

Uns ist egal, ob die Mitarbeiter zu einer gewissen Uhrzeit morgens alle kommen, wie viele Stunden sie absitzen, wie lange sie an etwas arbeiten. Mitarbeiter können später kommen, wenn sie Privates erledigen müssen. Im Gegenzug erwarte ich, dass sie auch am Wochenende noch auf eine wichtige Mail antworten, wenn es dringend ist. Entscheidend ist, dass Ergebnisse zählen, nicht die abgesessene Zeit. Zufriedene Mitarbeiter liefern bessere Resultate.

Ludwig Erhard Gipfel 2025  auf Gut Kaltenbrunn am Tegernsee mit Carsten Maschmeyer
„Es geht auch um andere Dinge,“, sagt Carsten Maschmeyer mit Blick auf die Vostellungen eines attraktiven Arbeitgebers. „Um Work-Life-Blending statt Work-Life-Balance.“ © IMAGO/Frank Hoermann / SVEN SIMON

„Wir brauchen nicht mehr Arbeit“

Der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA), Steffen Kampeter, fordert längere Arbeitszeiten – und mehr Lust auf Arbeit. „Wir brauchen mehr Bock auf Arbeit“, sagte er. Haben die Deutschen zu wenig Bock?

Es ist einfach unlogisch, dass man Zeitpräsenz und Produktivität gleichsetzt. Eine Firma macht nicht mehr Umsatz, wenn alle pünktlich Montagfrüh da sind und am Freitag niemand vor 17 Uhr geht. Ja, Deutschland muss produktiver werden. Aber Produktivität entsteht durch Fortbildung, Lösungsideen, ein gutes Arbeitsklima und auch durch den Einsatz von Technologien wie Automatisierung, Robotik und KI.

Unternehmer forderten auch einen Feiertag zu streichen, um die Wirtschaft anzukurbeln. Wie finden Sie das? 

Wir brauchen nicht mehr Arbeit, sondern produktivere Arbeit! Ein schlechtes Fußballspiel wird auch nicht besser, wenn es 180 statt 90 Minuten dauert.

Interview: Andreas Schmid

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