Interview mit Israels Netanjahu-Herausforderer - Naftali Bennet: „Wir können den Palästinensern gerade jetzt kein Land überlassen“
Die Stimmung in Israel nach dem 7. Oktober
Professor Guy Katz: Herr Bennett, wie ist die allgemeine Stimmung in Israel im Moment? Wie sehen Sie die aktuelle Situation - gesellschaftlich, politisch und allgemein?
Naftali Bennett: Es sind schwierige Zeiten. Viele Menschen in Israel haben Angst und stellen sich zum ersten Mal die Frage: Wird es Israel in 20 oder 40 Jahren noch geben? Wir sind mit einer realen Bedrohung konfrontiert, die viele beunruhigt. Dennoch glaube ich fest daran, dass Israel nicht nur überleben, sondern auch gestärkt und erfolgreicher aus dieser Krise hervorgehen wird. Aber wir müssen ehrlich sein - die Regierung hat am 7. Oktober versagt, und wir müssen dieses Versagen anerkennen, um es zu korrigieren.
Das Versagen der israelischen Regierung
Katz: Was genau war Ihrer Meinung nach das größte Versagen der israelischen Regierung am 7. Oktober?
Bennett: Am 7. Oktober haben wir zwei Dinge erlebt. Die erste war das völlige Versagen des Staates Israel beim Schutz seiner Bürger. Terroranschläge dauern normalerweise nur ein paar Minuten. Dieser dauerte jedoch Stunden, und der Staat hat es nicht geschafft, die Menschen zu retten. Aber die zweite Geschichte dieses Tages ist die bemerkenswerte Reaktion des israelischen Volkes. Tausende von Zivilisten, Männer und Frauen, haben sich freiwillig in die Krisengebiete begeben, um Leben zu retten - ohne Befehl, ohne Verpflichtung. Sie handelten aus einem tiefen Gefühl der Verantwortung für ihre Mitmenschen. Das ist die wahre Stärke Israels.
Der Mut der israelischen Jugend
Katz: Sie haben erwähnt, dass Sie von der Reaktion der jüngeren Generation Israels überrascht waren. Können Sie dies näher erläutern?
Bennett: Die größte Überraschung für mich war der unglaubliche Mut und die Entschlossenheit unserer jungen Menschen. Vor dem 7. Oktober dachte ich, dass die junge Generation, wie in vielen anderen Teilen der Welt, weicher geworden sei. Aber ich habe mich geirrt. Unsere junge Generation ist die stärkste, die Israel je hatte. Sie ist nicht nur intelligent und innovativ, sondern auch bereit, ihr Leben für ihre Mitmenschen und ihr Land zu riskieren. Diese Generation wird die Zukunft Israels sichern.
Zukunft der Beziehungen zu den Palästinensern
Katz: Wie sehen Sie die Zukunft der Beziehungen Israels zu den Palästinensern? Ist eine Zwei-Staaten-Lösung in naher Zukunft realistisch?
Bennett: Wir können den Palästinensern gerade jetzt kein Land überlassen. Es gibt keine Grundlage für Gespräche über einen palästinensischen Staat. Was wir kurzfristig tun können, ist, die Spannungen abzubauen und die Lebensbedingungen der Palästinenser zu verbessern - um ihre Würde und ihre wirtschaftliche Situation zu stärken, aber ohne unsere Sicherheit zu gefährden.
Die Abraham-Abkommen und die Zukunft Israels in der Region
Katz: Und wie sieht es mit den Beziehungen Israels zu seinen arabischen Nachbarn aus? Was halten Sie von den Abraham-Abkommen?
Bennett: Ich bin ein großer Befürworter des Abraham-Abkommens. Sie haben gezeigt, dass Frieden mit unseren arabischen Nachbarn möglich ist. Als Premierminister war ich der erste, der nach Abu Dhabi geflogen ist, um die Beziehungen zu vertiefen. Israel muss weiterhin starke Allianzen in der Region aufbauen, sowohl in wirtschaftlicher Hinsicht als auch in Bezug auf die Sicherheit. Unsere arabischen Nachbarn, insbesondere Länder wie Saudi-Arabien, sehen im radikalen Islam die größte Bedrohung für ihre Existenz, und wir sind natürliche Partner in diesem Kampf.