„Meterhohes Gestrüpp und Bäume“: Münchner Pilzsammler schimpfen über „verwahrlosten“ Wald

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„Man kann fast keinen Schritt mehr gehen, geschweige denn Pilze suchen, ohne dauernd über Äste und Bäume zu stolpern“: Roland Pihale und Helga Bauer ist die Lust aufs Pilzesammeln im Hofoldinger Forst vergangen. © Volker Camehn

Gestrüpp und umgestürzte Bäume im Hofoldinger Forst sorgen für Unmut bei Pilzsammlern. Doch der Revierförster erklärt den Nutzen für die Natur.

Brunnthal - Pilzesuchen ist eine prima Sache. Beim Durchstreifen von Wäldern entspannen, die Natur genießen. Noch bis Oktober, November findet man zum Beispiel Pfifferlinge und Steinpilze, die ganz prächtig in Nadel- und Mischwäldern gedeihen. Etwa im Hofoldinger Forst. Dort macht das Aufklauben der kleinen Knollen (botanisch: Fungi) allerdings immer weniger Spaß. Finden zumindest Helga Bauer (60) und Roland Pihale (64). Das Paar aus Obergiesing ist ziemlich angefressen, denn früher war hier alles besser: „Wir sind seit mehr als 30 Jahren in diesen Wäldern rund um Sauerlach und Hofolding unterwegs“, sagt Helga Bauer. Da war immer ein gutes Durchkommen abseits der Wege, doch mittlerweile vergeht ihnen zusehends die Lust am Umherstreifen im Tann. Der Grund: die Unordnung im Unterholz. „In diesem Wald sieht es mittlerweile sehr schlimm aus, es liegt in jeder Schneise meterhohes Gestrüpp und umgefallene oder abgeholzte Bäume.“ Da wird das Pilzesammeln leicht zum Risiko: „Man kann fast keinen Schritt mehr gehen, geschweige denn Pilze suchen, ohne dauernd über Äste und Bäume zu stolpern!“, schimpft Bauers Lebensgefährte Pihale. Kurz: Der Zustand des Waldes ist für die Pilzsuchenden kaum noch einen Pfifferling wert.

Darum ist Totholz wertvoll

„Der Hofoldinger Forst ist seit Jahren etwa von Sturm, Borkenkäfer und Nassschneelagen gezeichnet. In diesem Frühjahr kam es zu einem größeren Nassschnee- und Sturmwurfereignis, das zu einem nicht unerheblichen Schadholzanfall geführt hat“, erklärt Lasse Weicht, Forstbetriebsleiter der Bayerischen Staatsforsten, Schliersee. Insbesondere betroffene Fichten müssten aufgrund der Vermehrungsgefahr von Borkenkäfern (Buchdrucker und Kupferstecher) zeitig „aufgearbeitet“ werden, damit es „zu keinem Flächenbrand des Borkenkäferbefalles kommt“. Es sei ein „Kernziel“ der Bayerischen Staatsforsten, naturschutzfachlich ausgesprochen wertvolles Totholz im Wald zu belassen. „Totholz spielt im Ökosystem Wald eine ausgesprochen wichtige Rolle, da es etwa Lebensraum für seltene Arten wie Pilze und Insekten darstellt“, betont Weicht. So seien in Mitteleuropa mindestens 1340 Insektenarten auf Totholz angewiesen. „Zudem führt das im Wald belassene Totholz und Kronenmaterial Nährstoffe zurück in den Boden und spielt damit eine wichtige Rolle für die Nährstoffnachhaltigkeit.“ Auf nassen Standorten werde zudem Astmaterial in die Rückegassen eingebaut, um den Boden möglichst gut vor der Befahrung durch Forstmaschinen zu schützen. „Es wird zudem nur im Wald belassen, wenn es keinen potenziellen Brutraum für Buchdrucker und Co. darstellen kann.“ Das Bild des „gefegten“ Waldes sei mit Blick auf den Naturschutz heutzutage keinesfalls mehr mit einer vorbildlichen Waldbewirtschaftung vereinbar.

Mehr Kletterpartie als Waldspaziergang

Ortsbegehung unweit der Autobahnauffahrt Hofolding. Brunnthaler Gebiet. Der Wald hier ist sowohl in privater Hand als auch Teil der Staatsforsten, wie ein Anruf bei der Gemeinde ergibt. Bauer und Pihale gehen voran, sie kennen sich hier gut aus und haben eine gute Orientierung. Es geht über weite Moosflächen und über allerlei Äste und Baumstämme ganz unterschiedlicher Stärke und es bedarf schon einiges an Geschick und Trittsicherheit, um hier flott voranzukommen. Mehr Kletterpartie denn Waldspaziergang, mitunter Balanceakt. Wer hier nichts (oder aber Pilze) zu suchen hat, bleibt lieber auf dem Schotterweg, der sich durchs Areal zieht. Es sei „wirklich eine Schande, was aus diesen Wäldern geworden ist, gerade im Umkreis von Sauerlach, Hofolding und Aying, so Bauer. „Und in Faistenhaar ist es noch schlimmer!“ Überhaupt: „Warum räumt man nicht einen Großteil weg, damit der Wald wieder halbwegs begehbar wird? Die Wälder verkommen, es sieht aus wie auf Müllhalden“, ärgert sich Roland Pihale.

Förster: „Was hier liegen bleibt, ist gut für den Nährboden“

Was Pihale Müllhalden nennt, ist für Karl Einwanger vor allem Vielfalt. Einwanger ist Revierförster für Brunnthal, seit 35 Jahren macht er den Job. Und ein aufgeräumter Wald ist ihm ein regelrechter Gräuel, Unordnung ist ihm hier am liebsten. „Was hier liegen bleibt, ist gut für den Nährboden, also für das Öko-System Wald“, erklärt er. Denn, so betont er: „Eine Vielfalt an Strukturen, bedeutet Vielfalt an Leben.“ So seien etwa 40 Prozent der Käferarten vom sogennaten Totholz abhängig. „Durch den massiven Schneebruch im vergangenen Winter liegt hier jetzt natürlich mehr rum.“ Und auch das gibt er zu bedenken: „Wer im Wald unterwegs ist, muss mit waldtypischen Gefahren rechnen.“ Zum Beispiel mit herumliegenden Bäumen und Ästen (siehe Kasten).

Helga Bauer jedenfalls wird am Nachmittag nach der Ortsbegehung noch ein Foto schicken, das einige Pilze zeigt: „Ein paar Pfifferlinge haben wir schon gefunden. Steinpilze lassen derzeit noch auf sich warten.“

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