„Haben immer noch Probleme" - Über 50 Prozent Preisanstieg: Rutschen wir in die nächste Gaskrise?

Die Gaspreise in Europa sind in den vergangenen Tagen auf den höchsten Stand seit rund einem Jahr gestiegen. Am virtuellen, niederländischen Handelspunkt TTF stieg der Gaspreis zeitweise auf 48,69 Euro pro Megawattstunde (Euro/MWh) – zuletzt erreichte der Gaspreis diese Marke Ende November vergangenen Jahres. Damit ist Gas allerdings immer noch bedeutend günstiger als während der Gaskrise 2022. Im August 2022 hatte der Preis an der TTF-Börse die Marke von 346 Euro erreicht.

Der Markt gilt als angespannt. Grund für den Preisanstieg dürfte unter anderem eine Warnung des österreichischen Öl-, Gas- und Chemiekonzerns OMV sein, der laut einem Bericht der Tagesschau Mitte November vor einer möglichen Einstellung der Erdgaslieferungen aus Russland gewarnt hatte. Grund dafür sei, dass ein Schiedsgericht der OMV im Zusammenhang mit eingestellten Gaslieferungen in Deutschland im September 2022 eine Schadenersatzsumme von 230 Millionen Euro gegenüber Gazprom Export zugesprochen habe.

OMV will zugesprochenen Schadenersatz bei Gazprom geltend machen

OMV versucht nun, den Schadenersatz über den Gasliefervertrag mit dem russischen Lieferanten Gazprom geltend zu machen. Gazprom, der zu 50 Prozent in Besitz des russischen Staates ist, ist der größte Erdgasförderer der Welt.

„Angesichts der Tatsache, dass die OMV angekündigt hat, sich sofort um die Rückerstattung des Schiedsspruchs zu bemühen, ist es möglich, dass sie ihre Zahlung an Gazprom für die im Oktober erhaltenen Lieferungen zurückhalten wird“, zitiert die Nachrichtenagentur Bloomberg Tom Marzec-Manser, Leiter der Gasanalytik beim Preis-Informationsdienst ICIS. Es sei eine angespannte Zeit.

Laut Tagesschau bekräftigte OMV gegenüber seinen Kunden, dass die vertraglich zugesicherten Gasmengen auch im Fall einer Lieferunterbrechung von Gazprom geliefert werden sollen. Zudem seien die Gasspeicher des Unternehmens zu mehr als 90 Prozent gefüllt. Auch in Deutschland sind die Gasspeicher mit einem Füllstand von rund 97 Prozent gut gefüllt. Generell ist es zudem nicht ungewöhnlich, dass die Gaspreise in den Herbst- und Wintermonaten aufgrund der steigenden Nachfrage in der Heizperiode ansteigen. Fachleute schätzen die Gefahr einer angespannten Gasversorgung im Augenblick als gering ein, berichtet die Tagesschau weiter. Ein sparsamer Gasverbrauch bleibe dennoch wichtig.

RWE-Vorstand:  „Wir haben immer noch Probleme mit der Gasversorgung“

Markus Krebber, Vorstandsvorsitzender des Energiekonzerns RWE, gab sich bei einer Konferenz in der vergangenen Woche weniger optimistisch, wie Bloomberg berichtet: „Wir haben immer noch Probleme mit der Gasversorgung“, so Krebber. „Wenn wir wirklich unabhängig von russischem Gas sein wollen, brauchen wir mehr Importkapazitäten, und das werden wir in diesem Winter wahrscheinlich wieder erleben, denn die Gasspeicher leeren sich angesichts eines kalten Winteranfangs recht schnell.“

Der Krieg Russlands gegen die Ukraine hatte sich zuletzt wieder verschärft, beide Seiten hatten in der vergangenen Woche Raketenangriffe gestartet. Infolge der wachsenden Spannungen zwischen den Ländern haben die USA die Gazprombank sanktioniert, das letzte große Finanzinstitut, das von US-Sanktionen ausgenommen war und das die Zahlungen für russisches Gas abwickelt.

Während die Sanktionen darauf abzielen, Russlands Einnahmen aus Energieexporten zu schmälern, erhöhen sie in Europa gleichzeitig das Risiko eines Gas-Lieferstopps. Europa hat seine Abhängigkeit von russischem Gas zwar erfolgreich verringern können, der Verlust einer der letzten verbleibenden Bezugsquellen für Pipeline-Erdgas würde allerdings den Druck auf den Gasmarkt erhöhen und könnte weltweit die Preise in die Höhe treiben, warnen Analysten von Energy Aspects.

Langfristig ist davon auszugehen, dass die Gaspreise weiter steigen werden. Allein die geplante, stufenweise Erhöhung des CO₂-Preises dürfte ihren Teil dazu beitragen – wodurch sich Wärmepumpen trotz ihrer zunächst höheren Installationskosten im Vergleich schneller bezahlt machen könnten.

Von Tobias Stahl