Bahnbrechendes Anti-Krebs-Verfahren entdeckt: Tumore sollen sich dabei selbst zerstören
Die Idee eines neuen Krebsverfahrens ist es, dass Krebszellen sich selbst zerstören. Forschende ziehen Vergleiche mit dem „trojanischen Pferd“.
Pennsylvania – Allein in Deutschland erkranken pro Jahr etwa eine halbe Million Menschen neu an Krebs, wie aus Daten des Deutschen Krebsforschungszentrums hervorgeht. Im Schnitt leben nur rund zwei Drittel fünf Jahre später noch. Die Forschung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Penn State University in den USA macht Hoffnung: Die Forschenden programmierten den genetischen Schaltkreis in Krebszellen so um, dass sie sich in eine Art „trojanisches Pferd“ verwandelten. Die Folge: Die bösartigen Zellen zerstörten sich selbst und töteten auch benachbarte, medikamentenresistente Krebszellen ab.
Kampf gegen Krebs: Forschende entwickeln „trojanisches Pferd“ gegen Tumore – die zerstören sich selbst
Die Arbeit des Forscherteams um Scott Leighow erschien am 4. Juli in der renommierten Fachzeitschrift Nature Biotechnology und hatte ein gängiges Problem der Krebs-Therapie im Blick: Tumore können resistent gegen die Behandlung werden. Krebsmedikamente versagen oft – und zwar nicht, weil die Therapeutika nicht gut sind. Vielmehr wegen der Vielfalt und Heterogenität von Krebs, kommentierte der an der Studie beteiligte Justin Pritchard in einer Mitteilung der Universität.
Wenn sich eine Resistenz entwickle, wirke das Medikament nicht mehr und der Krebs könne zurückkehren. Dann gehe die Behandlung mit einem neuen Medikament von vorne los. Doch das von den Forschenden entwickelte „trojanische Pferd“ trickst die Krebszellen aus und verwandelt deren Stärke in eine Schwäche: „Ich liebe die Idee, dass wir die Unvermeidlichkeit der Evolution eines Tumors gegen ihn verwenden können“, sagt Pritchard. Mediziner sollen damit dem Krebs künftig einen Schritt voraus sein, statt nur zu reagieren.

So funktioniert der Schaltkreis gegen Krebs: Zweiter Schalter aktiviert „Selbstzerstörungs-Gen“
Der Schaltkreis der Forschenden besteht aus zwei Komponenten: Der erste Schalter ermöglicht es, Arzneimittelresistenzen ein- oder auszuschalten. Der Patient bekommt mit eingeschaltetem Schalter eins ein Medikament. Das tötet die natürlichen, nicht resistenten Krebszellen ab. Zurück bleiben einerseits die natürlichen resistenten Krebszellen – die bislang das Problem in der Krebsbehandlung waren – und andererseits die mithilfe des Schalters modifizierten, „künstlich resistenten“ Zellen. Die künstlich resistenten Zellen sind zahlenmäßig überlegen und verdrängen schließlich die natürlich resistenten Zellen.
Die Folge: Der Patient entwickelt keine neuen Resistenzen gegen Krebsmedikamente. Zudem besteht der dann entstehende Tumor überwiegend aus genetisch veränderten Zellen. Wird Schalter eins ausgeschaltet, reagieren die Zellen wieder auf Medikamente. Dann kommt der „Trick“: Schalter zwei wird umgelegt und verbreitet eine Art „Selbstzerstörungs-Gen“. In der Folge produzieren die Zellen ein „Gift“, das sowohl die künstlich resistenten als auch die benachbarten natürlich resistenten Zellen tötet. „Das ist entscheidend. Diese Population muss beseitigt werden, damit der Tumor nicht nachwächst“, erklärt der Wissenschaftler Pritchard laut Mitteilung der Penn State die Hintergründe.
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Hoffnung für Millionen Patienten: Forschende wollen innovative Krebsbehandlung bald zielgenauer machen
Krebserkrankungen sind – nach Herz-Kreislauf-Erkrankungen – die zweithäufigste Todesursache in Deutschland, wie Daten des Statistischen Bundesamtes zeigen. Das neue Anti-Krebs-Verfahren aus den USA könnte in Zukunft auch hierzulande viele Menschenleben retten. Bislang testeten Forschenden aus den USA das Verfahren allerdings nur an Mäusen. Laut der Mitteilung von Penn State arbeiten die Wissenschaftler nun unter anderem daran, den genetischen Schaltkreis zu verbessern, um ihn sicher und gezielt in wachsende Tumore und bald auch in metastasierende Erkrankungen einbringen zu können.
Auch ein Antrag auf Patentierung der in der Studie beschriebenen Technologie läuft bereits. „Das Schöne ist, dass wir die Krebszellen gezielt angreifen können, ohne zu wissen, um welche Zellen es sich handelt, und ohne darauf zu warten, dass sie auswachsen oder sich eine Resistenz entwickelt, denn dann ist es zu spät“, fasste einer der Autoren der Studie, Scott Leighow, die Ergebnisse zusammen. Eine Studie der US-amerikanischen University of California stellte im vergangenen Jahr ebenfalls eine Art Selbstzerstörungsmechanismus von Tumorzellen vor.