Kanzler Scholz stützt EU-Chefin jetzt doch: Von der Leyen kurz vor dem Ziel

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Ursula von der Leyen (CDU) kann, wie es aussieht, im Brüsseler Machtpoker nun auf die Unterstützung durch Kanzler Olaf Scholz (SPD) rechnen. Ein Kommentar von Merkur-Chefredakteur Georg Anastasiadis. © Geert Vanden Wijngaert/AP/dpa/Klaus Haag

Olaf Scholz stellt sich nun wohl an die Seite von Ursula von der Leyen (CDU) als EU-Kommissionspräsidentin. Dem SPD-Kanzler bleibt auch nichts anderes übrig, wenn er nicht unpatriotisch erscheinen will. Ein Kommentar von Georg Anastasiadis.

Wenn es stimmt, was die Spatzen von den Brüsseler und Berliner Dächern pfeifen, dann hat sich Olaf Scholz jetzt doch dazu aufgerafft, für den Verbleib der CDU-Frau Ursula von der Leyen an der EU-Spitze zu kämpfen. Alles andere ergäbe für den bei der Europawahl böse verprügelten SPD-Kanzler auch keinen Sinn. Ließe er von der Leyen fallen, ginge er am Ende auch noch als der Unpatriot in die Geschichte ein, der eine Deutsche auf Europas Chefsessel verhinderte. Die Folge wäre zudem, dass laut Ampel-Koalitionsvertrag dann just die grünen Wahlverlierer einen EU-Kommissarsposten für sich reklamieren dürften, etwa für Annalena Baerbock. Für Scholz‘ wankende Kanzlerschaft könnte eine solch unpopuläre Personalie den Sargnagel bedeuten.

Ganz durch ist die Taktikerin von der Leyen noch nicht

Den Weg zu ihrer Wiederwahl hatte zuvor die Kommissionspräsidentin selbst geebnet. Ihre am Wahlabend formulierte Absage an jede Kooperation mit extremen Kräften im EU-Parlament war der Preis für die Unterstützung der Sozialdemokraten und Liberalen. Ob damit auch die aus den Postfaschisten hervorgegangenen Fratelli d‘Italia von Giorgia Meloni gemeint waren, ließ sie offen. Zugeschlagen ist diese Tür jedenfalls nicht. Die aus Machtkalkül in die rechte Mitte strebende, bisher pro-europäisch agierende Italienerin fordert als Preis für ihre Hilfe bei von der Leyens Wiederwahl eine spürbar konservativere EU-Politik beim Green Deal und in der Migrationsfrage. Die römische Wahl-Triumphatorin darf sich hier der Sympathie einer großen Mehrheit der Wähler nicht nur in Italien sicher sein.

Ganz durch ist die gewiefte Taktikerin Ursula von der Leyen noch nicht – und auch nicht CDU-Chef Merz, für den ein Sieg im Brüsseler Machtpoker um seine Parteifreundin eine wichtige Trophäe auf dem Weg zur Kanzlerkandidatur wäre. Aber der Wahlerfolg ihrer EVP-Volksparteienfamilie, das Scheitern des unberechenbaren Franzosen Macron und der Schreck, der vielen Brüsseler Strippenziehern nach dem Erfolg der Rechtsradikalen in die Glieder gefahren ist, sprechen klar für eine zweite Amtszeit der 65-Jährigen. In Europa tobt ein furchtbarer Krieg, von der Leyen gilt als energische Unterstützerin der Ukraine. Nichts braucht die von Putin hart bedrängte Europäische Union jetzt so dringend wie Stabilität.

Georg Anastasiadis

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