Massenflucht aus Gaza? Ägypten baut ummauertes Auffanglanger
Eine israelische Offensive in Rafah könnte mehr als eine Million Palästinenser erneut zur Flucht zwingen. Ägypten bereitet sich an der Grenze zum Gazastreifen vor.
Kairo – Ägypten sorgt sich um die Lage im Süden Gazas: Eine israelische Militäroffensive auf den Grenzort Rafah scheint kurz bevorzustehen. Dorthin flüchtete mit den UN zufolge etwa 1,3 Millionen Menschen der Großteil der palästinensischen Bevölkerung. Um sich auf einen möglichen Massenexodus vorzubereiten, räumte Ägypten eine Fläche von etwa 21 Quadratkilometern unweit der Grenze zu Israel und dem Gazastreifen und umschließt sie nun mit einer über sechs Meter hohen Betonmauer. Davon berichtete zuerst die in Großbritannien sitzende Sinai Foundation for Human Rights auf X.
Die Organisation teilte ihre Informationen mit der Washington Post, die einige der Bilder verifizierte. Ägyptische Offizielle sagten dem Wallstreet Journal, dass 100.000 Menschen in dem Lager Zuflucht finden könnten. Um sie unterzubringen, liefere man gegenwärtig zahlreiche Zelte. Sollte es zu einer Massenflucht aus Rafah kommen, so die Offiziellen weiter, wolle man die Anzahl der aufgenommenen Flüchtlinge allerdings auf 50.000 oder 60.000 begrenzen und weit unter der maximalen Kapazität bleiben.
Ägypten will den massenhaften Zustrom von Palästinensern verhindern
Die ägyptische Führung trifft mit den Arbeiten Vorkehrungen für den Notfall. Eigentlich will sie aber verhindern, dass palästinensische Flüchtlinge über die Grenze strömen. Ägyptische Medien berichteten, dass zu diesem Zweck die Militärpräsenz an der Grenze mit gepanzerten Fahrzeugen und über drei Dutzend Panzern verstärkt wurde. Es ist dem Land so ernst, dass es damit drohte, den Friedensvertrag mit Israel von 1979 auszusetzen, falls eine Offensive die Palästinenser über die Grenze triebe.

Parallel laufen internationale Verhandlungen über eine Lösung für das Flüchtlingsproblem. Israel habe vorgeschlagen, so die Washington Post unter Berufung auf einen Insider, 15 Lager mit jeweils 25.000 Zelten entlang der Mittelmeerküste von Gaza zu errichten. Alternativ könne man auch einen Korridor etablieren, um die Palästinenser, die sich in Rafah befinden, zurück in den Norden, nach Gaza-Stadt, zu führen. Beide Vorschläge seien allerdings nicht konsensfähig gewesen, so der Insider weiter.
Israelische Offensive ist trotz internationaler Warnungen wahrscheinlich
US-Präsident Joe Biden habe dem israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu gegenüber am Donnerstag telefonisch bekräftigt, dass sein Land keinen israelischen Großangriff auf Rafah unterstütze, solange nicht ein realistischer Plan zur Evakuierung von Zivilisten gefunden worden sei. Das teilte das Weiße Haus mit. Auch Großbritanniens Premier Rishi Sunak habe Netanjahu am selben Tag vor den humanitären Folgen eines solchen Angriffs gewarnt, so die Regierung in London.
Trotzdem ist davon auszugehen, dass die Offensive in Rafah kommen wird. Israel will unbedingt die restlichen Hamas-Einheiten zerschlagen, die es noch in Rafah vermutet und insbesondere deren Führung ausschalten. Das israelische Militär veröffentlichte jüngst ein Video, das den Hamas-Chef Jihia Sinwar zeigen soll, wie er sich am 10. Oktober 2023 durch einen Tunnel unter der Stadt Bani Suheila bewegt. Das wird als Beleg dafür interpretiert, dass er sich im Gazastreifen befindet und gefasst werden kann.