TV-Kolumne „Hart aber Fair“ - Bei der Corona-Aufarbeitung in „hart aber fair“ dominieren Schuldzuweisungen

 

„Die Long-Covid-Projekte werden nicht eingeschränkt“, versicherte Lauterbach und verwies auf Anstrengungen seitens des Bundesgesundheitsministeriums. Diese reichten von 150 Millionen Euro Investitionen für Forschung über eine Long-Covid-Homepage bis zum Veranstalten von Kongressen mit dem Ärztinnen- und Ärzteverband. „Warum sind Selbsthilfevereine beim dritten Kongress ausgeladen?“, hakte Lierck nach und brachte damit Lauterbach sichtlich in die Bredouille.

„Sehr schlau gemacht, da kommt er nicht mehr raus“, musste Klamroth neidlos anerkennen. Tatsächlich bekam Lierck vom Gesundheitsminister vor laufender Kamera nicht nur eine offizielle Einladung: „Sie sind eine Bereicherung für uns“, versuchte Lauterbach die Wogen zu glätten. Damit hatte der Bundesgesundheitsminister in der Sendung viel zu tun.

Heribert Prantl beklagt „die Nachwirkungen eines inquisitorischen Klimas“

Während Medizinethikerin Alena Buyx die gesellschaftlichen „Höchstleistungen“ in Pandemie-Zeiten unterstrich, gaben sich die anderen Gäste auf dem Podium weniger versöhnlich. „Es lohnt sich, wenn man aus der Hüfte schießt, auch zu schauen, wohin die Kugel geht“, kritisierte Epidemiologe und Virologe Klaus Stöhr die damaligen Entscheidungsträger. Er hätte sich begleitende Forschung gewünscht und forderte eine Aufbereitung nicht nur der Maßnahmen wie Ausgangssperren, Genesungsstatus und Massentestungen. Es gehe um den wirtschaftlichen Aspekt. So hätte die Bundesregierung 2022 zwei Milliarden Euro ausgegeben, um in den Schulen Kinder zu finden, die Corona-positiv testeten. „Wissen Sie, wie viel es kostete, ein Kind zu finden?“, wollte er von Klamroth wissen, und schoss sofort die Antwort nach: „180.000 Euro.“

Noch emotionaler redete sich Heribert Prantl (Autor und Kolumnist „Süddeutsche Zeitung“) in Rage: „Ich bin zornig, dass die Aufarbeitung nicht passiert ist. Es braucht eine echte Aufarbeitung, weil noch nie so massiv in Grundrechte eingegriffen wurde wie in drei Jahren Corona“, schimpfte der selbsternannte „Freund der Grundrechte“ und ortete „post-coronale Tristesse und die Nachwirkungen eines inquisitorischen Klimas“.

Hirschhausen nennt designierten US-Gesundheitsminister „Vollkatastrophe“

„Bevor Sie die Aufarbeitung alleine machen“, unterbrach ihn Klamroth und richtete das Wort an Lauterbach. Dass die Grundrechte keine Rolle spielten, wollte der nicht auf sich sitzen lassen. Zudem sei Deutschland „besser durch die Pandemie gekommen als andere europäische Länder“. Er gab zwar zu, nicht alles richtig gemacht zu haben, aber: „Wenn wir weniger vorsichtig gewesen wären, wären noch mehr Menschen gestorben, und es würden noch mehr an Long Covid leiden“, zeigte er sich überzeugt.

Eine Aufarbeitung „haben wir nicht hinbekommen, weil die FDP nicht kompromissbereit war“, hatte er im ehemaligen Regierungspartner einen Schuldigen gefunden (Prantls Einwurf „Nicht auf die FDP schieben!“ ging im nachfolgenden Applaus unter), „und es wird mit das Erste sein, was die neue Regierung der Gesellschaft schuldig ist“.

Um die nächste Pandemie zu verhindern, wollte Wissenschaftsjournalist und Arzt Eckart von Hirschhausen endlich darüber reden, „aus der Sch...ße zu lernen“. Für eine künftige Pandemiebekämpfung sei die Ernennung von Robert F. Kennedy Jr., einem Impfgegner und Verschwörungstheoretiker, als möglicher US-amerikanischer Gesundheitsminister „keine Verheißung“, gestand Lauterbach. „Heißt, ist Vollkatastrophe“, brachte es von Hirschhausen auf den Punkt, dessen Dokumentation „Hirschhausen und der lange Schatten von Corona“ zuvor in der ARD ausgestrahlt wurde. „Danke fürs Übersetzen“, lachte Klamroth.

„Wir haben die Kinder relativ hart rangenommen, aber in Betrieben viel zugelassen“

Alle Punkte aufzuarbeiten, das maßte sich selbst der Moderator nicht an und rückte ein Thema in den Fokus: „Die psychischen Belastungen bei jungen Menschen sind stark gestiegen“, wusste Psychologin Melanie Eckert. Depression, Essstörungen, Internetabhängigkeit - „die Folgen merken wir heute noch“.

„Wir haben die Kinder relativ hart rangenommen, aber in Betrieben viel zugelassen“, gestand Lauterbach ein, „da war die Produktion wichtiger als Schulen.“ Er habe in seiner Regierungsperiode jedoch sehr viele kleine Schritte gesetzt, damit Kinder und Jugendliche besser behandelt würden. „Vielleicht ist die Pandemie der Moment, dass wir mit Kindern besser umgehen“, gab er sich hoffnungsvoll, „verdient hätten sie's.“

Ampel-Enthüllungen: Lauterbach wirft FDP „beispiellosen Verrat“ vor

„Ich glaube nicht, dass ein ausreichendes Umdenken stattfindet“, sah das Eckert als Co-Gründerin des Hilfsangebots „Krisenchat“ anders, „sonst wäre unsere Finanzierung eine andere“. In fünf Jahren habe sie es nicht geschafft, eine institutionelle Förderung zu etablieren, und mit dem Wegfall der Ampel seien zwei Drittel der Finanzierung weg.

Ein ideales Stichwort für Lauterbach, sich wieder einmal vom Ex-Finanzminister und der FDP im Stich gelassen zu fühlen: „Offen gesagt, ich könnte damit leben, wenn die FDP es nicht schafft, in den Bundestag zu kommen“, ätzte er, zuletzt noch angesprochen auf die Enthüllungen zum Ampel-Aus. „Beispiellosen Verrat“ warf Lauterbach den Liberalen vor. Ohne diesen schwierigen Koalitionspartner könne Olaf Scholz endlich „zeigen, was er kann, um ein guter Bundeskanzler zu sein“.