Gastro-Preisschock? Münchner Wirt erklärt Folgen: „Schnitzel bis zu 3 Euro teurer“

  1. Startseite
  2. Politik

Kommentare

Zum 1. Januar steigt die Mehrwertsteuer in Restaurants wieder auf 19 Prozent. Im Merkur-Interview sagt Pschorr-Wirt Jürgen Lochbihler, was das für die Branche bedeutet: „Das war's dann, Amen.“

München – Langsam füllt sich das Pschorr-Wirtshaus am Münchner Viktualienmarkt. Das Mittagsgeschäft läuft an. Zuvor spricht Wirt Jürgen Lochbihler im Interview mit dem Münchner Merkur über den Zustand der Gastrobranche und der Anpassung der Mehrwertsteuer. Einst hat es Lochbihler selbst in der Politik versucht, für die Freien Wähler als Kandidat für den bayerischen Landtag 2008. „Um die Stimme der Gastronomie in der Politik zu verankern“, wie er sagt. Daraus wurde nichts – und die Branche fühlt sich von der Politik alleingelassen.

Jürgen Lochbihler, Geschäftsführer des bayerischen Wirtshauses „Der Pschorr“ am Münchner Viktualienmarkt.
Jürgen Lochbihler ist seit 2005 Geschäftsführer des bayerischen Wirtshauses „Der Pschorr“ am Münchner Viktualienmarkt. © Demi Daut/fkn

Aktuell liegt die Mehrwertsteuer in Restaurants bei reduzierten sieben Prozent. Zum 1. Januar läuft diese wegen Corona-Krise und Ukraine-Krieg eingeführte Regel aus. „Ein Schlag ins Gesicht“, wie Lochbihler meint.

Herr Lochbihler, wenn ich beim Metzger eine Schnitzelsemmel kaufe und im Stehen esse, fallen sieben Prozent Mehrwertsteuer an. Esse ich bei Ihnen am Tisch, wird es bald wieder 19 Prozent sein. Finden Sie das fair?

Nein, das ist natürlich ungerecht. Dass es nun auslaufen soll, ist für uns sehr bitter.

Was bedeutet eine Rückkehr zu den 19 Prozent denn?

Dadurch wird der jetzige Nettopreis von sieben Prozent herausgerechnet und mit 19 Prozent Mehrwertsteuer aufgeschlagen. Das ist eine De-Facto-Preiserhöhung um zwölf Prozent.

Die die Wirte dann an die Kunden weitergeben?

Wir müssen das weitergeben. Das ist sonst auch total unfair gegenüber den Mitarbeitern. Denn von jedem Euro Umsatz, den ein Wirt macht, bleiben in der Regel circa sechs Prozent als Gewinn übrig. Wenn man nun zwölf Prozent weniger Gewinn macht, bleibt nichts mehr übrig. Um alles zu stemmen, muss ein Wirt zum Beispiel ein Schnitzel mindestens um 2,50 bis 3 Euro teurer machen.

Höhere Steuer bedroht Gastro-Existenzen: „Das war's dann, Amen“

Nun gab es Preiserhöhungen in der Gastronomie auch während der niedrigeren Mehrwertsteuer. Nur an der Steuer kann es also nicht liegen, dass der Besuch im Restaurant teurer wird.

Preiserhöhungen gibt es überall, zum Beispiel im Supermarkt. Das betrifft uns genauso wie jeden Verbraucher, denn wir kaufen ja auch Speisen ein. Aktuell geht der Preis von Zucker um 80 Prozent nach oben. Orangensaft wird es überhaupt nicht mehr geben, wenn die Preisexplosion so weitergeht. Wir haben bisher nicht alle Erhöhungen weitergeben, auch wenn das beim Verbraucher so ankommt.

Sie haben Ihr Wirtshaus in bester Lage der Landeshauptstadt. Laut dem Ifo-Institut sind die Umsätze in Großstädten wie München seit den letzten Corona-Einschränkungen 2021 wieder um 20 Prozent gestiegen. Und laut Bundesfinanzausschuss ist sogar ein „optimistischer Blick auf die Zukunft der Branche gerechtfertigt“.

In der Stadt haben wir über den Tourismus einfachere Rahmenbedingungen. Aber im ländlichen Raum sieht es ganz anders aus. Hier sind die Gastronomen viel näher an ihren Gästen. Wenn der Wirt seine Preise erhöht, verliert er Kundschaft. Die Menschen überlegen, ob sie überhaupt noch ins Wirtshaus gehen. Viele werden stattdessen ein Fertiggericht im Supermarkt kaufen, es sich in der Mikrowelle warm machen und ihre zwei Bier daheim trinken. Nur: Wenn der Wirt seine Preise nicht erhöht, verliert er seinen Gewinn. Das geht schon ein paar Monate gut, aber im September wird es dann so sein, dass ihm Lieferanten abspringen, der Vermieter kündigt, die Bank Kredite nicht verlängert oder der Insolvenzverwalter den Laden zu sperrt. Das war's dann, Amen.

Pschorr-Wirt Jürgen Lochbihler im Interview mit IPPEN.MEDIA.
Pschorr-Wirt Jürgen Lochbihler im Interview mit dem Münchner Merkur. © Demi Daut/fkn

„Der Ukraine helfen wir, aber unsere eigenen Wirtshäuser sperren wir zu?“

Bundeskanzler Olaf Scholz hat der Mehrwertsteuersenkung nach eigener Aussage mit der Überzeugung zugestimmt: „Das schaffen wir nie wieder ab.“

Der Kanzler versteckt sich hinter Sachzwängen. Das ist sicherlich Politik, aber keine Wertschätzung der Branche. Die Wirte, bei denen Herr Scholz, Herr Lindner oder Herr Habeck zum Essen gehen, müssen ihnen ins Gewissen reden.

Es scheiterte wohl vor allem am Geld. Laut Bundesregierung würde eine niedrigere Mehrwertsteuer ein finanzielles Loch von circa 3,3 Milliarden Euro jährlich reißen.

Ich habe vorgestern in der Zeitung gelesen, dass die Ukraine-Hilfen von vier Milliarden Euro auf acht Milliarden aufgestockt werden. Hier sind innerhalb weniger Tage vier Milliarden Euro übrig, während man der Gastronomie seit Monaten erzählt, sie muss auf den Finanzierungsbescheid warten. Der Ukraine helfen wir, aber unsere eigenen Wirtshäuser sperren wir zu? Ich bin kein Populist, aber das ist schwer zu vermitteln. Das ist unfair und ein Schlag ins Gesicht für die ganze Branche.

Interview: Andreas Schmid

Auch interessant

Kommentare