Gaza-Hilfslieferungen: Chaos bei Verteilung – Offenbar Tote und Verletzte
Die humanitäre Lage im Gazastreifen bleibt weiterhin dramatisch. Bei einer von einer US-Stiftung geführtem Verteilungszentrum hat es Tote und Verletzte gegeben.
Gaza – Im Gazastreifen läuft die Verteilung von Hilfsgütern chaotisch. Trotz Berichten über anfänglicher Tumulte und der Stürmung eines neuen Verteilungszentrums im Süden des Küstengebiets soll die Arbeit der US-geleiteten Gaza Humanitarian Foundation (GHF) nach eigenen Angaben weitergehen. Nach palästinensischen Angaben hatte es dabei mehrere Tote und Dutzende Verletzte gegeben haben. US-Wachleute haben demnach Warnschüsse abgegeben. Später berichteten palästinensische Rettungskräfte, drei Menschen seien durch Schüsse der israelischen Armee getötet worden.
„Zwei Millionen Menschen im Gazastreifen werden ausgehungert“
Der Direktor der israelischen Hilfsorganisation Standing Together, Alon-Lee Green postete ein Video mit verstörenden Bildern über eines der Verteilungszentren. „Dieses dystopische Video, das im ‚Lebensmittelverteilungszentrum‘ der israelischen Armee in Gaza gedreht wurde, ist ein absurdes Beispiel für die von Schrecken und Zerstörung geprägte Politik der Regierung: Zwei Millionen Menschen werden ausgehungert, es werden Pferche gebaut, in denen man ein wenig Essen bekommt, von den Hungrigen wird Höflichkeit erwartet und wenn sie die Zäune durchbrechen, werden sie aus Hubschraubern beschossen“.
Lastwagen mit weiteren Hilfsgütern sollen der Stiftung zufolge heute in den Gazastreifen einfahren, die Liefermengen täglich größer werden. Den Menschen in der in großen Teilen zerstörten Enklave fehlt es praktisch an allem. Nach Monaten der Blockade lässt Israel wieder in geringen Mengen Hilfslieferungen für die rund zwei Millionen Palästinenser zu. Bisher haben die GHF rund 8.000 Lebensmittelpakete verteilt, teilte die Stiftung mit. Jedes Paket könne etwa fünf bis sechs Menschen für dreieinhalb Tage ernähren. Insgesamt seien es 462.000 Mahlzeiten. Allerdings sei es wegen Behinderungen durch die islamistische Hamas zu mehreren Stunden Verzögerung bei der Auslieferung gekommen.

Hamas wirft Israel Misserfolg bei Verteilung von Hilfsgütern vor
Laut Hamas sei der von Israel initiierte Mechanismus zur Verteilung von Hilfsgütern ein „totaler Misserfolg“. Israel will nach eigenen Angaben mit der von den USA unterstützten Verteilstrategie verhindern, dass die Hamas Lieferungen für ihre eigenen Zwecke abzweigt und weiterverkauft. Dadurch soll verhindert werden, dass Kämpfer und Waffen bezahlt werden.
UN-Vertreter sagen dagegen, Israel habe keine Beweise dafür vorgelegt. Kurz vor dem Anlaufen der Hilfe war der GHF-Vorsitzende Jake Woods - ein US-Militärveteran - zurückgetreten. Woods soll es Berichten zufolge für unmöglich gehalten haben, den neu entwickelten Hilfsplan umzusetzen und gleichzeitig „die humanitären Prinzipien der Menschlichkeit, Neutralität, Unparteilichkeit und Unabhängigkeit“ zu wahren.
Israel lässt lauf UN zu wenig Hilfen für Gazastreifen durch
Kritisiert wird vor allem die geringen Mengen an Hilfslieferungen, sagt die UN. Bis zu hundert LKW pro Tag sollen zugelassen werden. „Was können fünf oder neun oder gar hundert Lastwagen für eine Bevölkerung tun, die als Kriegswaffe Hunger leiden muss?“, fragte Tamara Rifae, Sprecherin des UN-Flüchtlingshilfswerks UNRWA, in einem Gespräch mit der britischen Zeitung Independent. „Um eine Hungersnot abzuwenden, müssen täglich mindestens 500 bis 600 Lastwagen mit Lebensmitteln, humanitären und kommerziellen Gütern in den Gazastreifen gelangen. Das ist das erforderliche Minimum.“
Zurzeit lagern in Jordanien und Ägypten Waren, die innerhalb weniger Stunden nach Gaza gebracht werden könnten - wenn Israel die Einreise erlaubt. Die Grenzübergänge müssten sofort geöffnet werden, fordert die UNRWA. „Wir haben über 3.000 Lastwagen, nicht nur mit Lebensmitteln, sondern auch mit Medikamenten, die auf grünes Licht warten“, so Juliette Touma von der Organisation. „Sie transportieren Medikamente, deren Haltbarkeitsdatum bald abläuft.“ Gleichzeitig setzt Israel seine Angriffe auf den Gazastreifen fort. Nach Angaben des Nachrichtenportals Middle East Eye waren bei einem jüngsten Luftschlag neun Menschen getötet und 15 Personen verletzt worden.
Linken-Abgeordnete wirft Merz Blindheit vor
Aus Deutschland kommt inzwischen immer deutlichere Kritik an Israel. „Was die israelische Armee im Gazastreifen mach, ich verstehe ehrlich gesagt nicht mehr, mit welchen Ziel“, hatte Bundeskanzler Friedrich Merz zuletzt kritisiert. Die Linke wirft dem Kanzler Blindheit vor. „Wie blind darf Politik sein? Bundeskanzler Merz versteht nicht, mit welchem Ziel Israel im Gazastreifen vorgeht. Dabei werden die Ziele immer wieder von Teilen der Regierung klar benannt: Umsiedlung, ethnische Säuberung, Vertreibung“.
UN-Generalsekretär mahnt Israel zur Einhaltung von Völkerrecht
UN-Generalsekretär Antonio Guterres warnt die israelische Regierung. „Israel hat im Rahmen des humanitären Völkerrechts klare Verpflichtungen. Sie muss Zivilisten menschlich behandeln. Es ist ihr untersagt, die Zivilbevölkerung eines besetzten Gebiets zwangsweise zu deportieren oder zu vertreiben. Und als Besatzungsmacht muss es zustimmen, die notwendige Hilfe zuzulassen und zu ermöglichen“. Ein Waffenstillstand scheint derzeit reine Utopie zu sein. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat es am Dienstag nochmals klargestellt. „Wir werden unsere Feinde besiegen. Und wir werden unsere Geiseln zurückholen“. (erpe/dpa)