Angespannte Lage: Deutsche Autozulieferer schwer unter Druck

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Die Situation bei den Autoherstellern ist angespannt – darunter leiden auch die Zulieferer, speziell in Deutschland. © Becker&Bredel/Imago

Die Autohersteller kämpfen mit rückläufigen Absätzen – auch die Zulieferer leiden. Speziell deutsche Unternehmen verlieren im weltweiten Vergleich an Boden.

Elektromobilität, autonomes Fahren, Zollstreit und dazu ein rückläufiger Absatz – Autohersteller kämpfen aktuell an vielen Fronten. Die weltweite Fahrzeugproduktion sank im Jahr 2024 um 2,2 Prozent, in Europa sogar um fünf Prozent und damit auf das Vor-Corona-Niveau. Deutsche Autowerke erreichten im Durchschnitt nur eine Auslastung von 68 Prozent – weit von der 85-Prozent-Marke entfernt, ab der sie als effizient gelten.

Auch an der Zuliefererindustrie geht diese Entwicklung nicht spurlos vorbei. Die aktuelle TOP 100-Zuliefererstudie von Berylls by AlixPartners zeigt: Der Gesamtumsatz der 100 größten Automobilzulieferer weltweit sank im Jahr 2024 im Vergleich zum Vorjahr um 4,6 Prozent auf 1,085 Billionen Euro. Von den 34 europäischen Zulieferern im Top-100-Ranking mussten 27 Unternehmen ein Umsatzminus hinnehmen. Zwar blieben die Margen weitgehend stabil – doch das ist laut den Experten in erster Linie wohl den bereits erfolgten zahlreichen Spar- und Restrukturierungsprogramme bei den Zulieferern zu verdanken.

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Deutsche Zulieferer verlieren an Boden

Besonders deutsche Zulieferer geraten zunehmend unter Druck: Obwohl das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) seit 2019 um 19 Prozent gewachsen ist, lag das kumulierte Umsatzwachstum der deutschen Zulieferer der Analyse zufolge lediglich bei acht Prozent. Dieser Unterschied verdeutlicht, wie die seit Jahrzehnten starke Position deutscher Zulieferer im globalen Wettbewerb zunehmend schwindet. Noch gravierender ist die Entwicklung in Japan. Dort fiel das BIP von 2019 bis 2024 um 20 Prozent. Im selben Zeitraum sank der Umsatzanteil der Top-100-Zulieferer aus Japan um sieben Prozent.

Vier neue chinesische Konzerne in den Top 100 der Zulieferer

Bei US-Zulieferern läuft es ebenfalls nicht rund, was sich auch im Ranking zeigt: Japan, die USA und Deutschland mussten zwischen 2019 und 2024 den größten Verlust an in den Top 100 vertretenen Unternehmen hinnehmen. In Japan fielen fünf, in den USA und Deutschland jeweils drei Zulieferer unter jene Schwelle, die die Einstiegshürde für das Top-100-Ranking bildet. Stark im Aufwind sind dagegen die chinesischen Zulieferer. Allein im Jahr 2024 stiegen vier neue Unternehmen ins globale Top-100-Ranking auf:

  • Huawei, der Technologiekonzern, der im Automobilbereich speziell bei Konnektivität und Softwarelösungen aktiv ist
  • Huizhou Desay, ein Anbieter von Cockpit-Elektronik und Infotainmentsystemen
  • Ningbo Tuopu, ein Spezialist für Fahrwerk- und Dämm-Komponenten gegen Noise-Vibration-Harshness
  • NBHX, eine Unternehmensgruppe, die Innenausstattungs- und Dekorelemente herstellt

Top-10 der höchsten Umsätze: Sieben Unternehmen stammen aus China

Laut der Analyse tragen diese Neuzugänge einen erheblichen Teil dazu bei, dass die chinesischen Top-100-Zulieferer das nationale BIP-Wachstum von 27 Prozent im Zeitraum von 2019 bis 2024 mit einer gewaltigen Steigerung des Umsatzes um 139 Prozent übertreffen konnten. Von den zehn Umsatz-Champions der Zulieferer im Jahr 2024 stammen sieben Unternehmen aus China, zwei aus Deutschland (Schaeffler, ThyssenKrupp Automotive) und eines aus Indien (Motherson Group).

Noch liegen Japan (20,8 Prozent) und Deutschland (20,4 Prozent) bei Marktanteilen der Zulieferer vorne. Doch der Trend ist deutlich: Im Vergleich zu 2020 verloren die Japaner 6,1 Prozent und Deutschland 1,8 Prozent. China dagegen legte im selben Zeitraum um 2,3 Prozent zu. Die Aussichten für China? Glänzend. Die Prognose der Berylls-Experten: In etwa fünf bis acht Jahren werden die Chinesen Deutschland und Japan beim Marktanteil überholen.

Abhängigkeit reduzieren: Zulieferer suchen zunehmend neue Geschäftsfelder

Die generell schwierige Marktlage setzt aktuell viele Zulieferer unter Zugzwang. Sie schauen sich nach neuen Einnahmequellen außerhalb des Kerngeschäfts um: 2024 stieg der Anteil der Umsätze, die nicht in der Automobilindustrie erwirtschaftet wurden auf 17,5 Prozent. Unter anderem setzen die Zulieferer bevorzugt auf Heiz- und Klimatechnologie, industrielle Automation, Medizintechnik sowie nachhaltige Bautechnologien. Diese Expansion geschieht meist über den Aufkauf anderer Firmen – Ziel ist, die eigene Abhängigkeit vom volatilen Fahrzeugmarkt zu reduzieren.

Agilität statt Größe: Neue Faktoren entscheiden über den Erfolg

Auch in 2025 wird es für die Zulieferer nicht einfacher, eine grundlegende Entspannung der Rahmenbedingungen sei nicht zu erwarten. Das Beispiel des Elektronik- und Software-Anbieters Marelli, der kürzlich Insolvenz anmelden musste, verdeutlicht die Dramatik der Lage. Geopolitische Spannungen, zunehmender Protektionismus, steigende Finanzierungskosten und ein verschärfter globaler Wettbewerb um Technologieführerschaft und Talente prägen das Umfeld. Um bestehen zu können, müssen die Zulieferer den Experten zufolge vorausschauend ihre Strategie anpassen, ihre Portfolios differenzieren und sich regional breiter aufstellen. Größe oder Tradition seien heut nicht mehr entscheidend, um als Automobilzulieferer erfolgreich zu sein, stattdessen zählten Agilität, technologische Relevanz und die Fähigkeit, in unsicheren Zeiten belastbare Entscheidungen zu treffen.

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