Ist der Häuslebauer-Traum noch zeitgemäß?

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Bei der Ausstellungseröffnung für „Alternativen zum Einfamilienhaus“: (v.l.) Riccardo Stellato, Simon Sörgel, Benedikt Sunder-Plassmann, Bettina Sunder-Plassmann, Peter Erhard und Harald Mansi. © roettig

Zu einer teils provokanten Ausstellung lädt der Wessobrunner Kreis bis zum 8. März in den Sitzungssaal des Wielenbacher Rathauses ein. Man geht der Frage nach, ob des deutschen Häuslebauers Lebenstraum von den eigenen vier Wänden so noch zeitgemäß ist.

Pähl – Es sei Zeit für lebenswerte Ideen als Alternativen zum Einfamilienhaus, so der 1998 gegründete Wessobrunner Kreis, in dem sich Architekten und am Bau Beteiligte für eine zukunftsorientierte Lebens- und Umweltplanung einsetzen. Durch Ressourcenknappheit, Preisexplosion, Klimawandel, Migration und andere Phänomene stünden wir alle vor großen Herausforderungen. So Architekt Benedikt Sunder-Plassmann, Vorsitzender des Kreises, in seiner Eröffnungsrede. In Deutschland gebe es 19 Millionen Bestandsgebäude, davon 16 Millionen Einfamilien- und Doppelhäuser in meist schlechtem energetischem Standard. Nach dem Auszug der Kinder seien die Häuser häufig nur noch von ein bis zwei Personen bewohnt.

„Gelänge es uns, bei nur 2,5 Prozent der Einfamilien- und Doppelhäuser ein Miteinander von Alt und Jung auf dem selben Grundstück oder im selben Gebäude zu erreichen, würden wir pro Jahr 400 000 neue Wohnungen schaffen“, so Sunder-Plassmann. Umnutzung statt Abriss sowie die energetische Sanierung der Häuser mit nachwachsenden Baustoffen seien ein Gewinn für das Klima und die Gesellschaft.

Viele Bebauungspläne müssen überarbeitet werden

Positive Nachverdichtung sei das Gebot der Stunde. Dabei müssten die in die Jahre gekommenen Bebauungspläne von Städten und Gemeinden überarbeitet werden, um durch geschickte Anordnung zusätzliche Baukörper platzieren zu können. Beispiele sind auf den Schautafeln zu sehen wie Aufstockung auf bestehende Garagen, Wohntürme für kleine Familien oder barrierefreie Pavillons für Senioren. Wie Innenarchitekt Roger Mandl auf seiner Schautafel ergänzte, werde in Deutschland täglich durch Zersiedlung und Versiegelung eine freie Landschaft in der Größe von etwa hundert Fußballfeldern verbaut.

Vor dem Hintergrund dieser fatalen Entwicklung sehe er in den Garagenhöfen der Wohnsiedlungen aus der Nachkriegszeit viel Potenzial zur Schaffung flächensparender, bezahlbarer und nachhaltiger Lebensräume mit Einfamilien- bzw. Tinyhaus-Qualität. Bestehende Garagenzeilen könnten mit eingeschossigen vorgefertigten Modulen aus Holz familientauglich, ökologisch und flächenschonend überbaut werden. Dazu zeigt die Falk Schneemann-Architektur ein Beispiel aus Karlsruhe, wo durch die Aufstockung von drei bestehenden Garagenanlagen zwölf neue Wohnungen geschaffen wurden. Wobei die Garagen weiterhin benutzt werden.

Neuen, lebenswerten Ideen eine Chance geben

Die deutsche Familie wünscht sich in der Regel ein frei stehendes Haus auf einem 500 Quadratmeter großem Grundstück. Architekt Dietfried Gruber zeigt eine ressourcenschonende Alternative dazu auf. Bei drei- bis viergeschossigen Bautypen mit Wohnungen bis 160 Quadartmeter liege der Baulandbedarf bei nur 14 800 anstatt bei 41 400 Quadratmeter mit Einfamilienhäusern. Laut Innenarchitekt Mathias Rathke hätten Doppelhäuser den größten Verbrauch an Grund und Boden zu Wohnzwecken, obwohl davon nur 48 Prozent genutzt werden. Als alternative Wohntypologie sieht Rathke das Modularhaus, basierend auf raumoptimierten Grundflächen von je 15 qm. Es könne vom Single bis zur Großfamilie jeden Bedarf decken.

Wie Sunder-Plassmann zu den Gästen wie Bürgermeister Harald Mansi als Hausherr und seinen Kollegen Simon Sörgel (Pähl), Peter Erhard (Böbing) und Georg Malterer (Bernried) betonte, handle es sich bei den Beispielen um Anregungen, nicht um Patentrezepte. Man müsse aber neuen lebenswerten Ideen eine Chance geben. Auch wenn man sich bei einem Nein zum Grundstück für ein Einfamilienhaus bei den Bürgern nicht sonderlich beliebt mache, wie Bürgermeister Mansi aus eigener Erfahrung ausplauderte.

Info

Die Ausstellung im Wielenbacher Rathaus kann Montag bis Donnerstag von 9 bis 16 Uhr besichtigt werden, am Freitag von 8 bis 12 Uhr. Der Eintritt ist frei.

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