Russland stößt weiter vor: Ukraine-Krieg steht vor entscheidender Phase
Die Ukraine strauchelt, Russland stachelt: Die neuesten Entwicklungen im Ukraine-Krieg zeichnen kein hoffnungsvolles Bild für die Verteidiger.
Tschassiw Jar – Munition knapp, Waffen knapp, Personal knapp: 2024 ist ein schwieriges Jahr für die Ukraine im Krieg gegen Russland. Kyjiw befindet sich in der Defensive, ein größerer Gegenangriff dieses Jahr ist nicht zu erwarten. Jüngste Vorstöße der russischen Truppen in Donezk und Lugansk scheinen Russlands Überlegenheit zu untermauern. Kremlchef Wladimir Putin kommt damit seinem Etappenziel näher, die Regionen im ostukrainischen Donbass vollständig einzunehmen. Ein wahrscheinlicher Kandidat für das nächste große Gefecht ist Tschassiw Jar. Darüber berichtet das amerikanische Nachrichtenmagazin Newsweek.
Ukraine-Krieg: Tschassiw Jar und Charkiw mögliche Ziele für russischen Angriff
Tschassiw Jar ist eine Kleinstadt in Donezk. Es liegt wenige Kilometer östlich von Bachmut, das russische Truppen letzten Frühling eroberten. Sie gilt aufgrund ihrer Hügellage als strategisch relevant, zudem war sie ein wichtiger Stützpunkt der ukrainischen Streitkräfte und ist das Tor zu den Städten Kramatorsk und Slowjansk. Letzteres war bereits 2014 Schauplatz russischer Aggression, als vermummte Bewaffnete unter Führung des inzwischen inhaftierten Kriegstreibers Igor Strelkow die Regierungsgebäude der Stadt besetzten und die „Donezker Volksrepublik“ ausriefen.

Auch Charkiw zählt als potenzielles nächstes Ziel. Nach Kyjiw ist die Metropole im Nordosten des Landes die zweitgrößte Stadt der Ukraine. Darauf deutet hin, dass Russland Truppen in den Regionen Kursk, Brjansk und Belgorod konzentriert. Dort sollen aktuell um die 50.000 Soldaten stationiert sein, wie das Institute for the Study of War (ISW) berichtete.
Russland versucht, die Ukraine zu destabilisieren
Ob Russland tatsächlich eine große Sommeroffensive starten – und auf Charkiw vorrücken – wird, ist ungewiss. Der Militäranalyst Pavel Lusin sagte im Interview mit Newsweek, es sei „schwer zu sagen“, ob Moskau genug Ressourcen für einen erheblichen Vorstoß aufbringen könnte. „Was wir jedoch sehen, ist, dass Russland versucht hat, einen signifikanten Teil der ukrainischen Streitkräfte in Awdijiwka zu umzingeln“. Das sei nicht gelungen. Aber: „Russland macht vielleicht einen ähnlichen Versuch, weil es stärkere Stellungen braucht, um im Krieg eine Pause zu bekommen“. Diese werde dringend benötigt, um die angeschlagenen Truppen auszuruhen und zu verstärken.
Donezk und Lugansk komplett zu erobern sowie Cherson und Saporischschja zu russischem Staatsgebiet zu erklären, sind Teil der Kreml-Strategie, die Ukraine zu destabilisieren – mit purer militärischer Macht und Desinformation. Dazu gehört auch, westliche Unterstützung einzuschränken. Europäische Nachrichtendienste haben bereits ihre Regierungen davor gewarnt, Russland könne nun großangelegte Sabotageakte auf Europa durchführen, wie die Financial Times berichtete. In Bayreuth wurden erst vor wenigen Wochen zwei mutmaßliche Spione festgenommen, die im Auftrag Putins US-Stützpunkte ausgespäht haben sollen. Auch Sprengstoffanschläge auf militärische Ziele in Deutschland sollen sie geplant haben. (ah)