Farage ist zurück – Sunaks Tories droht die späte Abrechnung
Mancher prophezeit dem britischen Premier Rishi Sunak vor der Parlamentswahl seine „dunkelste Stunde“ – mit einigem Recht. Ein Kommentar von Mike Schier.
München – In 10 Downing Street geht die nackte Panik um: Nigel Farage ist zurück, um eine „politische Revolte“ loszutreten. Der 60-Jährige, der einst die Brexit-Kampagne angeführt hatte, kandidiert am 4. Juli für das britische Parlament. Für Amtsinhaber Rishi Sunak, der in Umfragen ohnehin hoffnungslos zurückliegt, ist das verheerend.
„Rishis dunkelste Stunde“ lautete die Schlagzeile der konservativen Daily Mail. Denn Farage wird ihn nicht nur weitere Stimmen rechts der Mitte kosten. Er will mit seiner Reformpartei die Tories sogar als zweitstärkste Kraft ablösen: „Wir werden die Stimme der Opposition werden!“
Großbritannien steht bei Parlamentswahl vor einem politischen Erdbeben
Großbritannien steht damit vor einem politischen Erdbeben, das erste Fernsehduell Sunaks gegen Labour-Spitzenkandidat Keir Starmer kam gestern Abend fast schon zu spät. Bereits vorher schien alles entschieden. Starmer müsste auf den letzten Metern des Wahlkampfs schon grobe Schnitzer begehen, um den haushohen Vorsprung in den Umfragen noch zu verspielen. Bislang ist seine Kampagne deshalb weniger von Esprit, sondern von großer Vorsicht geprägt: Nur keine Fehler machen!
Sunaks Tories büßen nach Chaos-Jahren unter Johnson und Truss ein
Die Umfragewerte beruhen also nicht auf der Stärke von Labour, sondern der Schwäche der Tories. Es gibt die späte, aber verdiente Abrechnung für die Chaos-Jahre unter Boris Johnson und Liz Truss. Starmer muss vor allem darauf achten, nicht mit seinem sehr linken Vorgänger Jeremy Corbyn in einen Topf geworfen zu werden, der sich wiederholt Antisemitismusvorwürfen ausgesetzt sah.
Der neue Spitzenkandidat, dem wenig Charisma nachgesagt wird, hat den linken Parteiflügel deshalb bei der Aufstellung der Kandidaten rücksichtslos ausgebootet. Die Strategie könnte aufgehen: Corbyn tritt lieber als Unabhängiger an. Und die Labour-Linke dürfte ihren Unmut unterdrücken – zumindest bis zum Wahlsieg. (Mike Schier)