Erfolg vor Gericht - „Raffgierige Vermieter zur Kasse gebeten“ - wann sich Klage gegen zu hohe Miete lohnt
Der Stuttgarter Mietervereinsvorsitzende Rolf Gaßmann kann nicht oft vermelden, dass „raffgierige Vermieter zur Kasse gebeten werden“. Nun gibt es diesen Ausnahmefall, der sich für einen Mieter auszahlt. Gaßmann weist darauf hin, dass in Stuttgart als drittteuerster Stadt bei der Wiedervermietung von Bestandswohnungen zu oft klaglos zu viel für eine Wohnung bezahlt wird. Und er moniert, dass sich die Stadtverwaltung dieses Themas noch immer nicht intensiv genug annimmt – anders als Frankfurt. Extrem ist die Lage in Stuttgart bei Wohnungen, deren Zimmer separat vermietet werden. Weil sich die Miete in einer Wohngemeinschaft auf mehrere Personen verteilt, und teils noch Möbel und Nebenkosten im Preis inbegriffen sind, herrscht oft völlige Intransparenz. Dabei gelten auch hier die gängigen Preisobergrenzen.
Der durchschnittliche Aufschlag liegt bei 24 Prozent
Laut einer Auswertung des Internetportals Immoscout vom Ende vergangenen Jahres liegt die durchschnittliche Angebotsmiete in Stuttgart bei 13,63 Euro. Der Aufschlag gegenüber der Mietspiegelmiete von 11,04 (gültig seit Dezember 2022), beträgt 24 Prozent. Laut Mietpreisbremse wäre bei einer Neuvermietung nur ein Aufschlag von zehn Prozent zulässig. „Die große Mehrheit der Angebote verstößt dagegen“, so Gaßmann. Und die wenigsten Mieter begehrten nach ihrem Einzug dagegen auf.
Dass es sich aber lohne, zeige der Erfolg von Christian R., der im Januar 2020 endlich eine Wohnung mit 44 Quadratmetern ergatterte, dafür aber 850 Euro bezahlen sollte – kalt und ohne Nebenkosten. Nach zwei Jahren sollte die Miete auf 870 Euro steigen, also auf fast 20 Euro pro Quadratmeter. Er unterschrieb und bezahlte, kontaktierte dann aber den Mieterverein, der ihn auf die ortsübliche Miete von 12,40 Euro pro Quadratmeter hinwies. Den zehnprozentigen Aufschlag hinzugerechnet hätte die Miete maximal bei 13,64 Euro (rund 600 Euro) liegen dürfen.
„Unsinnige Ausnahme“
Allerdings sieht die Mietpreisbremse eine aus Vereinssicht „unsinnige Ausnahme“ vor: Weil dem Vormieter schon zu viel Geld aus der Tasche gezogen wurde – im konkreten Fall waren es 750 Euro – konnte Christian R. nur die Reduzierung auf diesen Betrag und die Rückerstattung des bisher zu viel bezahlten Betrags verlangen. Vor Gericht bekam er Recht. Der Vermieter musste 3000 Euro zurückzahlen, die Prozesskosten übernehmen und die Miete auf 750 Euro senken. „Ausreden des Vermieters, er habe in die Wohnung investiert, ließen die Richter nicht gelten“, so Gaßmann. Es handelte sich um reine Instandhaltung und nicht um verbessernde Modernisierungen.
Dabei ist diese Miete noch vergleichsweise moderat. Die bußgeldbewehrte Mietpreisüberhöhung beginnt bei einem Aufschlag von 20 Prozent, der Straftatbestand Mietwucher bei 50 Prozent. Es solle naheliegen, dass sich die Stadt dieses Themas annimmt, weil der nächste (höhere) Mietspiegel auch auf Basis der Preise für solche Wohnungen ermittelt wird. In einem Online-Mietencheck mit dem Freiburger Unternehmen Mietenmonitor kontrollierte sie von Oktober 2022 bis August 2023 insgesamt 290 Inserate. In 118 Fällen wurde der Vermieter wegen des Verdachts auf überhöhte Miete angeschrieben. 45-mal konnte der Vermieter die Miethöhe erklären. In sieben Fällen kündigte der Vermieter nach Erhalt des Schreibens der Stadt an, die Miete zu senken. Der Mieterverein wünscht sich, dass die Stadtverwaltung nicht nur heimlich nachforscht, sondern dieses Thema viel offensiver angeht und die Bürger auffordert, Verdachtsfälle von Mietpreisüberhöhungen zu melden. Die höchstrichterliche Rechtsprechung schränkt den Handlungsraum allerdings ein.
Stadt soll in die Offensive gehen
Dafür, dass es sich um eine Mietpreisüberhöhung gemäß Paragraf 5 des Wirtschaftsstrafgesetzes handelt, müssen Mieter laut Urteilen des Bundesgerichtshofs nachweisen, dass eine finanzielle Mangellage vorliegt und sie sich um eine andere Wohnung bemüht haben. Das ist in der Praxis kaum nachzuweisen. Aber Aufklärung kann helfen: Der Vermieter ist sich seiner Schuld oft nicht bewusst – und der Mieter weiß nicht um sein Klagerecht.
Frankfurt gilt als Vorbild
Wie man es besser machen kann, referierten Vertreter der Stadt Frankfurt kürzlich beim Mieterbund Baden-Württemberg. Sie wird nach einer Anzeige eines Mieters oder einer Leistungsbehörde wie dem Jobcenter aktiv. Mit einer überschlägigen Berechnung wird der Verdacht geprüft und bei Bedarf ein Verfahren eingeleitet. Beamte werden losgeschickt, um die Situation zu dokumentieren. Außerdem werden Unterlagen wie Kaufverträge, Bau- und Grundbuchunterlagen oder eine Bankauskunft angeschaut.
Bis zu 50 000 Euro Bußgeld angedroht
Es folgt eine Vernehmung der Mieter und die Berechnung der zulässigen Miethöhe. Danach tritt die Behörde mit dem Vermieter in Form eines Belehrungsschreibens in Kontakt. Oft kläre sich der Fall und die Miete werde gesenkt. Falls nicht, erfolgt eine Anhörung. Einigt man sich nicht, wird ein Bußgeld von bis zu 50.000 Euro festgesetzt und eine Rückerstattung angeordnet. Erfolgt ein Einspruch, wird das Verfahren an die Staatsanwaltschaft gegeben und der Fall geht vor Gericht. 2022 wurden 154.000 Euro an Bußgeldern verhängt, 162.000 Euro mussten zurückerstattet werden.
Mietervereinschef Rolf Gaßmann findet das vorbildlich: „In Frankfurt wird Mietern engagiert und fachkundig geholfen. Profiteure der Wohnungsnot wissen dort, dass die Stadt gegen überhöhte Mietpreise Zähne zeigt. In Stuttgart muss der zuständige Mitarbeiter heimlich arbeiten, wenn er mit Mietenmonitor Angebote überprüft.“
Mieten haben eine Schmerzgrenze
Mietpreisbremse
Sie gilt bei der Neu- oder Wiedervermietung von Wohnungen und sieht vor, dass die Miete beim Abschluss eines Mietvertrags maximal zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen darf. Neubauten und umfassend sanierte Wohnungen sind von dieser Regelung jedoch ausgenommen.
Kappungsgrenze
In bestehenden Mietverhältnissen kann die Miete binnen drei Jahren um maximal 20 Prozent erhöht werden. In Städten mit Wohnungsnot wie Stuttgart sind es 15 Prozent. Begrenzt ist eine Erhöhung auf jeden Fall durch die ortsübliche Vergleichsmiete, die meist durch einen Mietspiegel dargestellt wird.
Mietpreisüberhöhung
Der Wucherparagraf 5 Wirtschaftsstrafgesetz gilt im Unterschied zur Mietpreisbremse bundesweit. Verstöße sind bußgeldbewehrt. Ausnahmen sind nur hohe Vormiete, Neubau und Modernisierung. Ein Mietvertrag ist erst unwirksam bei einer Überschreitung von mindestens 20 Prozent.