Umsturz in Syrien: Jetzt hat das deutsche Innenministerium neue Befürchtung
Der militärische Erfolg der HTS-Miliz könnte Islamisten aus Deutschland dazu motivieren, nach Syrien zu reisen, teilt das Bundesinnenministerium mit.
Damaskus – Nach dem Umsturz in Syrien sieht das deutsche Bundesinnenministerium eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass Islamisten aus Deutschland nach Syrien ausreisen wollen, um zu kämpfen. Eine unmittelbar erhöhte Gefährdungslage durch dschihadistische Akteure der syrischen Miliz Hayat Tahrir al-Sham (HTS) wird hierzulande jedoch vorerst nicht erwartet, hieß es weiter.
Aufstieg der HTS in Syrien: Was bedeutet der Sturz Assads für die dschihadistische Szene?
Der Sturz des langjährigen syrischen Machthabers Baschar al-Assad kam überraschend: Am vergangenen Sonntag (8. Dezember) brachten die Rebellen unter HTS-Chef Abu Mohammed al-Dscholani im Rahmen ihrer Ende November gestarteten Offensive die syrische Hauptstadt Damaskus unter Kontrolle – und leiteten damit das Ende des Regimes ein. Assad floh nach Russland. Die Erfolge der HTS könnten „die islamistische Szene in Deutschland motivieren, die Propaganda der HTS zu verbreiten sowie Ausreiseversuche in Richtung Syrien zu unternehmen und sich an dortigen Kämpfen zu beteiligen“, teilte eine Ministeriumssprecherin auf Anfrage der Zeitungen der Funke-Mediengruppe am Mittwoch mit.
Es gebe „in weiten Teilen“ der dschihadistischen Gemeinschaft eine „weitgehend positive Wahrnehmung“ der militärischen Siege gegen das Regime des Diktators Assad, hieß es weiter. Dies könnte, so das Ministerium, eine „motivierende Wirkung auf potenzielle Ausreisende nach Syrien haben“. Nicht nur in Kreisen, die dem Terrornetzwerk al-Qaida nahestehen, sondern auch vereinzelt unter Anhängern der Dschihadistenmiliz „Islamischer Staat“ (IS) würden die Erfolge von HTS demnach „positiv aufgenommen“. „Generell können militärische Erfolge – soweit sie propagandistisch entsprechend instrumentalisiert werden – das Ansehen und die Attraktivität“ dschihadistischer Gruppen erhöhen, fuhr die Sprecherin fort.
Al-Dscholani gibt sich gemäßigt: Zusammenarbeit mit neuen Machthabern in Syrien möglich?
In Deutschland sei laut dem Innenministerium vorerst keine „Erhöhung der Gefährdungslage“ durch dschihadistische Akteure der HTS in Deutschland zu erwarten. Agenda und Strategie der Organisation würden sich anders als etwa beim IS auf Syrien fokussieren, hieß es. „Anschläge in anderen Ländern lehnt die HTS offiziell ab“, erklärte die Ministeriumssprecherin zu den Hintergründen. Die Machtübernahme der Islamisten führt Syrien in eine ungewisse Zukunft: Die HTS, die aus der Al-Nusra-Front, dem syrischen Zweig des Terrornetzwerks al-Qaida, entstanden war, hat eigenen Angaben zufolge seit 2016, keine Verbindungen mehr zu al-Qaida.
Ihr Anführer al-Dscholani gibt sich gemäßigt. Viele westliche Länder, einschließlich der USA, stufen die Miliz jedoch als Terrororganisation ein. Nach Meinung des Bundesverteidigungsministers Boris Pistorius (SPD) muss sich Deutschland nach dem Sturz des Assad Regimes verstärkt in der Region engagieren. Den islamistischen HTS-Milizen, die das Assad-Regime gestürzt hatten, müsse man außerdem die „Chance geben, das zu tun, worauf es jetzt ankommt und gleichzeitig bereitstehen mit anderen europäischen Partnern, hier Beiträge zu leisten zur Stabilisierung der Region im Interesse der Sicherheit und zur Verhinderung eines Wiedererstarkens des IS oder seiner Kämpfer.“ (bme mit AFP)