Assad-Sturz: Rebellen wollten Zwangsverschleierung und Musik-Verbot – Deutschland schritt ein
Die Wirtschaft in Syrien ist am Ende. Derweil planten islamistische HTS-Rebellen zeitweise ein Sitten-Recht. Das Bundesentwicklungsministerium warnt.
Berlin – Schreckliche Bilder aus Syrien: Ausgezehrte Körper in unterirdischen Foltergefängnissen. Nach dem Fall des Diktators Baschar al-Assad konnten viele Gefangene des Regimes, von denen manche jahrzehntelang ausharren mussten, endlich befreit werden.
Mit dem Ende der grausamen Assad-Diktatur keimt nun Hoffnung in Syrien auf. Doch die Situation ist überaus komplex und die Zukunft des Landes ungewiss. Das syrische Bündnis Haiʾat Tahrir asch-Scham (HTS), das zusammen mit anderen Gruppierungen Assad gestürzt hat, ist keine normale Rebellengruppierung, sondern eine islamistische Miliz, mit Wurzeln in der Terrororganisation al-Qaida. Und nach einem langen Bürgerkrieg und jahrzehntelanger Diktatur steht die syrische Wirtschaft am Abgrund.
Nach Assad-Sturz: Islamistische Rebellen wollten Sittengesetz
Blicke ins Land sind in den letzten Jahren selten gewesen, die deutsche Botschaft in Syrien ist seit 2012 geschlossen. Dennoch hielten Mitarbeiter des Bundesentwicklungsministeriums (BMZ) den Kontakt zu Syrien aufrecht. Besonders die Region um die Stadt Idlib, die im Bürgerkrieg stark umkämpft und 2023 von einem Erdbeben betroffen war, bekam Unterstützung.
Aus dem BMZ ist zu hören, dass die HTS-Rebellen im Land ein Sittengesetz einführen wollten, das Musik verbietet, Frauen den Zugang zum öffentlichen Raum verwehrt und Mädchen zur Verschleierung zwingt. „Wir haben klargemacht: Das ist für uns eine rote Linie, dann verabschieden wir uns aus Idlib. Im Ergebnis haben sie das Gesetz zurückgezogen“, heißt es aus dem BMZ.
BMZ-Staatssekretär Niels Annen (SPD) betont derweil im Gespräch mit IPPEN.MEDIA: „Die Entscheidung, Entwicklungshilfe in den letzten Jahren ferngesteuert weiter zu leisten, war richtig“. Er fügt hinzu: „Die syrische Wirtschaft wird ohne externe Unterstützung überhaupt nicht in der Lage sein, die eigene Bevölkerung zu versorgen.“
Rückführung von syrischen Flüchtlingen und Heimkehr-Appell: „Wird kaum möglich sein“
Gleichzeitig wird über die Rückkehr syrischer Exilanten in ihr Heimatland diskutiert. Unionspolitiker brachten bereits einen Tag nach dem Sturz Assads einen Aufnahmestopp von Geflüchteten ins Gespräch. CDU-Politiker Jens Spahn sprach sogar von der Rückführung syrischer Flüchtlinge in Charterflugzeugen. Mohammed al-Baschir, der Chef der neuen syrischen Übergangsregierung, forderte unterdessen die Exilanten zur Rückkehr auf. Annen hält solche Pläne für unrealistisch: „Es wird kaum möglich sein, Rückkehrer aufzunehmen, ohne dass es einen Kollaps im Land gibt. Einen solchen wirtschaftlichen Kollaps gilt es unbedingt zu verhindern.“ Andernfalls drohe ein Chaos, das die gesamte Region destabilisieren könnte.
Es bestehe die Notwendigkeit einer schnellen Unterstützung durch Deutschland und Europa: „Je früher Deutschland Kontakt aufnimmt, desto besser“. Die Europäische Union und die Vereinten Nationen beginnen bereits, erste Kontakte zu den neuen Machthabern in Syrien zu knüpfen. Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas entsendet den deutschen Spitzendiplomaten Michael Ohnmacht nach Damaskus. Dort traf sich UN-Sondergesandter Geir Pedersen bereits mit dem Chef der islamistischen HTS-Miliz, Ahmed al-Scharaa.
Die Islamisten zeigen sich derzeit moderat und offen für internationale Zusammenarbeit. Annen schätzt: „Es würde islamistischen Gruppierungen schwerfallen, eine Art Taliban-Regime zu errichten, wie wir das etwa aus Afghanistan kennen. Dagegen sperrt sich die Bevölkerung in Syrien zu sehr.“