Wie ein Zweitligist mit Promi-Input die Champions-League-Elite aufmischt
Im französischen Pokal sorgt USL Dunkerque für Furore! Mit irren Comebacks besiegten sie erst den OSC Lille, dann Stade Brest und stehen nun im Halbfinale gegen PSG. Hinter dem Erfolg stecken Visionen und kluge Personalentscheidungen durch prominente Persönlichkeiten.
Es war einer dieser magischen Momente, die den Fußball lebendig machen – eine Sekunde, die die Welt der Fußball-Romantiker für einen Augenblick wieder größer erscheinen ließ. Im französischen Pokal-Viertelfinale schien USL Dunkerque nach einem 0:2-Rückstand gegen Stade Brest auf verlorenem Posten. Doch dann, in der 84. Minute, landete ein Freistoß aus dem Halbfeld auf dem Fuß von Opa Sangante – und der 34-Jährige verwandelte perfekt. In wenigen Minuten drehte das Team den Rückstand und führte plötzlich mit 3:2.
Der kleine Riese hatte wieder zugeschlagen. Nach dem OSC Lille, der nicht weniger dramatisch mit einem Last-Minute-Tor plus Elfmeterschießen besiegt wurde, muss nun auch Stade Brest dem Pokal „au revoir“ sagen. Gescheitert am Pokalschreck aus der zweiten Liga. Im Halbfinale wartet jetzt Paris Saint-Germain – eine gewaltige Herausforderung, aber auch ein Gegner, der perfekt in die Rolle des nächsten „Opfers“ von Dunkerque passen könnte. Und eine Partie, die die Geschichte des Vereins endgültig in eine neue Dimension katapultieren könnte.
Hinter dem Erfolg: Eine klare Vision
Doch hinter diesem spektakulären Erfolg steckt mehr als nur ein glücklicher Moment. Es ist das Ergebnis einer klaren Vision und eines ambitionierten Plans, der von einigen ganz besonderen Akteuren vorangetrieben wird. Menschen, die im Fußball-Geschäft auch einen gewissen Namen besitzen.
Da ist zuallererst Yüksel Yildirim, ein äußerst vermögender Geschäftsmann und Präsident des türkischen Vereins Samsunspor. Und zugleich ein streitbarer Charakter. Der 63-Jährige erwarb im Jahr 2023 85 Prozent der Anteile an USL Dunkerque, mit dem klaren Ziel, den französischen Zweitligisten als Satellitenverein für sein türkisches Imperium zu etablieren.
Er brachte frisches Kapital und eine neue Richtung in den Verein. Unter seiner Leitung erlebte Dunkerque einen regelrechten Aufschwung. Yildirim war es, der Demba Ba, den ehemaligen Premier-League-Star und Chelsea-Liebling, im Sommer 2023 nach Nordfrankreich holte und ihm Verantwortung übertrug. Ba hatte zu diesem Zeitpunkt gerade einmal einen Business-Kurs absolviert. Erfahrungen im Management eines Fußballklubs konnte er nicht vorweisen. Trotzdem ließ Yildirim ihn machen.
Demba Ba orientiert sich an Ralf Rangnick
„Ich kann meine genaue Position nicht einmal definieren“, erklärt Ba. „Ich kann im Exekutivkomitee sein, die Rolle des Sportdirektors übernehmen oder mich direkt mit den Spielern beschäftigen. Alles ist sehr fließend.“ In kürzester Zeit verwandelte er den Club, traf mutige Personalentscheidungen und holte einen Trainer mit offensivem Spielstil. Ba orientiert sich dabei auch an der Philosophie von Ralf Rangnick, wie er selbst erzählt.

Eine seiner intelligentesten Personalentscheidungen scheint Romain Decoul zu sein. Ein Jura-Professor ohne Erfahrung im Fußball. Ein Arbeitsprofil, das Ba nicht davon abhielt, harte Entscheidungen zu treffen. Der Ex-Chelsea-Spieler rasierte Jocelyn Blanchard, ehemaliger Mittelfeldspieler von Juventus Turin und Vereinslegende bei USL Dunkerque. Decoul sollte so frei gestalten können. Der Unmut der Fans war vorprogrammiert. Mit lauten Pfiffen wurde Ba im Stadion empfangen.
Jura-Professor verpflichtet 25 neue Spieler
Aber Decoul lieferte. Er erwies sich schnell als echtes Scouting-Genie. Innerhalb eines Jahres verkaufte er 22 Spieler und verpflichtete 25 neue, und das für lediglich eine halbe Million Euro. Die Ergebnisse von Dunkerque gaben ihm recht. „Wir sind zu dritt im Scouting-Team“, erklärt Decoul. „Wir glauben an eine vielschichtige Sichtweise, die nicht nur auf Daten basiert. Wir verlassen uns auf fundamentale Prinzipien und unsere eigenen Augen. Unsere Stärke liegt darin, das Spiel zu verstehen und schnell Entscheidungen zu treffen.“ Ein Ansatz, der funktioniert. Decoul wurde bereits von drei Ligue-1-Klubs kontaktiert, doch der Professor blieb Dunkerque treu.
Trainer Luís Castro - aus der Benfica-Jugend nach Frankreich
Die zweite zentrale Figur in Bas Plan ist Trainer Luís Castro. Ein Portugiese, der nie selbst Profifußballer war. Als Trainer ist er aber kein Unbekannter. Der Höhepunkt seiner bisherigen Laufbahn war der Sieg mit der U19 von Benfica Lissabon in der UEFA Youth League 2022 mit einem spektakulären 6:0 im Finale gegen Salzburg. Zu seinen Schützlingen gehörten Spieler wie António Silva, João Neves und Gonçalo Ramos – letzterer spielt mittlerweile beim kommenden Gegner Paris Saint-Germain. Castro hatte ursprünglich auf eine Beförderung zu den Profis spekuliert. Sein Traum zerschlug sich, und Castro zog angesäuert weiter. Bei Dunkerque setzt er auf das klassische 4-3-3.

„Wir halten an unseren Ideen fest, unabhängig vom Gegner. Ich erwarte von meinen Spielern den Mut, bis zum Äußersten zu gehen“, erklärt er. Auch Castro ist mittlerweile begehrt, doch er weiß um die wertvolle Zusammenarbeit mit Ba. Besonders als es zu Beginn nach neun Niederlagen in den ersten 13 Spielen schwer wurde, hielt Ba ihm die Stange. Ein kleines Zeichen der Fußball-Romantik und eine echte Seltenheit in der schnelllebigen Fußballwelt. Diese Haltung zahlt sich nun aus.
Der mögliche Coup gegen Paris Saint-Germain
Und wer weiß, vielleicht gelingt dem „kleinen Riesen“ sogar der Coup gegen den größten Riesen im französischen Fußball. Ein solcher Sieg würde nicht nur Dunkerques Erfolgsgeschichte ein weiteres Kapitel hinzufügen, sondern auch die Herzen der Fußball-Romantiker weltweit noch ein Stückchen höherschlagen lassen.