Die Überschwemmung von Gelting: Ein Rundgang am Tag danach - Gründe weiter unklar

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Tiefe Krater hat das durchsickernde Wasser auf dem Grundstück der Gärtnerei Holzer gerissen. So wie hier auf dem Weg zu den Gewächshäusern. Die standen wie berichtet am Donnerstag unter Wasser © Sabine Hermsdorf-Hiss

Das Hochwasser hat die Gärtnerei Holzer hart getroffen. Die Familie Zwickl musste ihre Wohnung verlassen. Wie das alles passieren konnte? Völlig unklar.

Geretsried/Wolfratshausen – Als Josef Holzer am Mittwoch die Pfütze auf dem Boden vor den Gewächshäusern sah, hielt er das für den ersten geschmolzenen Schnee. Und als Andreas Zwickl mit seiner Familie am frühen Donnerstagabend anfing zu kochen, richteten sich alle auf einen gemütlichen Abend ein. Dann kam alles anders. Die Feuerwehr stand vor dem Haus der Zwickls. Knappe 15 Minuten hatte die Familie Zeit, um die nötigsten Dinge einzupacken. Dann mussten sie ihr Haus verlassen. Denn aus der Wasserlache vor dem Holzerschen Gewächshaus war eine Seenlandschaft geworden. Der Loisach-Isar-Kanal war durchgesickert, das Wasser flutete die Gärtnerei, den Wertstoffhof der Stadt Wolfratshausen sowie den Keller des XXXLutz-Möbelhauses.

Überschwemmung am Wertstoffhof
Am Wertstoffhof der Stadt Wolfratshausen wurde noch am Freitag Wasser abgepumpt. Am Donnerstag stand es auf dem Grundstück gut einen halben Meter hoch. © Sabine Hermsdorf-Hiss

Flut bei Wolfratshausen: Geltinger Gärtnerei erneut zerstört

Die Firma Uniper – sie betreibt den Kanal – und Mitarbeiter des Wasserwirtschaftsamts, Feuerwehrmitglieder und Rathausmitarbeiter aus Wolfratshausen und Geretsried inspizierten die Lage vor Ort. Offenbar gab es ein Problem am Kanal, der erst kürzlich aufwendig saniert wurde – für rund acht Millionen Euro. Am Donnerstagabend gaben die Bürgermeister Klaus Heilinglechner und Michael Müller Sofortmaßnahmen bekannt. Es wurde eine Sperrzone am Kanal eingerichtet, der durchweichte Damm gesperrt. Uniper ließ das Wasser aus dem Kanal nahezu komplett ab, gab Pressesprecher Theodoros Reumschüssel bekannt. Und: Die Familie Zwickl wurde evakuiert. Das Wohnhaus von Andreas Zwickl und das seiner Eltern grenzt unmittelbar an den Gefahrenbereich.

Hochwasser am Kanal - Familien müssen Wohnungen verlassen

„Wir haben Wechselklamotten eingepackt für uns und die Kinder, ein bisschen Waschzeug und Futter für den Hund“, berichtet Zwickl am Freitag gegenüber unserer Zeitung. Er sitzt mit seiner Familie auf einer Sitzbank im Café Servus in Gelting. Im gleichnamigen Hotel wurde die Familie untergebracht. Eigentlich wollten sie am Donnerstagabend eh zusammensitzen und den Geburtstag seiner Mutter feiern. Das taten sie auch – aber im Exil. „Der Wirt hat uns ein Gläschen hingestellt“, sagt Zwickl. „Wir wurden nett aufgenommen.“

Seine Tochter lehnt sich an seine Schulter während er spricht. „Die Kinder waren gestern ein bisschen durch den Wind.“ Deswegen gingen sie am Freitag nicht in die Schule. Das Referat, dass die Neunjährige über das Waldtier Wiesel halten sollte, wird sie erst nach dem Wochenende vortragen.

Kanal undicht - Gärtnerei überschwemmt - auch andere Grundstücke sind betroffen

„Eigentlich sollten wir mittags Bescheid kriegen, ob wir zurück ins Haus können“, sagt Andreas Zwickl. Daraus wurde nichts. „Wir können nichts anderes machen, als zu warten.“ Zwischendurch darf der Familienvater kurz nach Hause, um die Hasen zu füttern. „Der Keller war beim letzten Mal trocken“, stellt er fest. Eine gute Nachricht.

Gärtnerei ist krisenerprobt: Schon 2021 gab‘s hier eine Katastrophe

Josef Holzer murmelt einen Satz mehrmals, als er unserer Zeitung die Krater zeigt, die das durchsickernde Wasser an der Böschung gerissen hat: „Hilft ja nichts.“ Es ist die zweite Katastrophe für den Traditionsbetrieb binnen drei Jahren. 2021 wütete ein Hagelunwetter im Nordlandkreis, das Glas aller Gewächshäuser an der Loisach in Gelting wurden zerstört. „Wir haben nur noch ein paar Kleinigkeiten von damals zu regeln. Eigentlich hatten wir den Hagelschaden gerade überwunden“, sagt Josef Holzer junior. Dann kam seine Großmutter in den Laden, sie wunderte sich über die vielen Enten, die am Donnerstag vor den Gewächshäusern schwammen. Da schwante dem Gärtner, dass die Pfütze vom Vortag vielleicht mehr war, als bloß die Folgen der ersten Schneeschmelze.

Wenig später war das Grundstück voller Experten. Vertreter von Fachfirmen schritten in Gummistiefeln die Wege ab, entlang der Krater, die das durchsickernde Wasser hinterließ. Die Männer sprühten Farbe um die Risse, um zu beobachten, ob sie größer werden. Und Josef Holzer berief wieder einmal den Familienrat ein. „Am Anfang haben wir uns angeschwiegen“, verrät seine Gattin, während sie Weihnachtssterne für eine Großbestellung packt. „Dann haben wir gesagt: Augen zu und durch.“

Am Freitag klingelt das Telefon bei Holzers Sturm. Befreundete Betriebe boten ihre Unterstützung an. „Das motiviert schon zum Weitermachen.“ Außerdem Kunden, die wissen wollen, wie es weitergeht. Und ein Mitarbeiter der Versicherung ruft an. Man kennt sich gut inzwischen. Leider.

Am Montag wird Kanal abgedichtet - Uniper-Sprecher kündigt Aufarbeitung an

Wie hoch der Schaden ist, den die Überschwemmung anrichtete, lässt sich noch nicht abschätzen. Auch die Ursache ist nicht ermittelt. „Wir werden am Montag die schadhaften Stellen provisorisch abdichten“, kündigt Uniper-Sprecher Reumschüssel gegenüber unserer Zeitung an. Durch den Kanal fließe in der Zwischenzeit nur die Mindestmenge an Wasser, die nötig ist, damit die Tiere darin überleben und keine Frostschäden entstehen. „Dann beginnt am Montag die Analyse.“ Die könnte länger dauern. Reumschüssel: „Sie wird mit der nötigen Sorgfalt durchgeführt werden.“ Bis auf weiteres sollen die undichten Stellen durchgehend beobachtet werden.

Die Feuerwehr Wolfratshausen schloss ihren Hochwassereinsatz am Freitag ab. In der Nacht zuvor war ein Trupp mit Pumpen im Möbelhaus XXXLutz gefordert. Grundwasser drückte in den Keller. Kommandant Andreas Bauer: „Der Wasserstand ist immer weiter gestiegen, bis der Kanal abgelassen wurde.“

Familie darf nach Hochwasser wieder nach Hause

Am Freitag pumpten die Ehrenamtlichen eine Garage im Ortsteil Farchet aus – Luftlinie 350 Meter vom Loisach-Isar-Kanal entfernt. Ob ein Zusammenhang besteht? Bislang handle es sich nur um einen „zeitlichen Zusammenhang“, erklärte Uniper am Donnerstagabend.

Am Freitag, kurz vor 17 Uhr erfährt Andreas Zwickl, dass seine Familie zurück nach Hause durfte. „Wir haben uns sehr gefreut“, sagt er. An Übernachtungsmöglichkeiten hatte es aber auch zuvor nicht gemangelt. „Wir haben 25 Nachrichten bekommen mit Hilfsangeboten. Es war schön zu sehen: Wenn es hart auf hart kommt, sind wir nicht allein.“

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