Attentat auf Magdeburger Weihnachtsmarkt: Experte analysiert Täter-Profil

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Rechtsextremist, Linksextremist oder Islamist? Der vermeintliche Angreifer von Magdeburg entspricht laut Fachleuten keinem typischen Täter-Muster.

Magdeburg – Die Untersuchungen und Motivsuche im Zusammenhang mit dem Anschlag in Magdeburg und dem Verdächtigen Taleb A. sind noch im Gange. Die Debatte über die Beweggründe des mutmaßlichen Angreifers und sein Profil entbrennt auch auf Social-Media-Plattformen.

Der Tatverdächtige hatte seine Abkehr vom Islam vor dem Anschlag auf der Plattform X öffentlich gemacht. Er war 2006 aus Saudi-Arabien nach Deutschland eingewandert und hatte sich in den letzten Jahren gegen das saudische Regime positioniert und saudische Frauen bei der Asylsuche unterstützt. Peter Neumann, ein Experte für Terrorismus, äußerte gegenüber ntv über den Verdächtigen: „In 25 Jahren noch nie so ein Täter-Profil gesehen“.

Anschlag auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt: „Großer Widerspruch“ im Täter-Profil

Neumann erläuterte im Spiegel-Interview den „großen Widerspruch“ im Profil des mutmaßlichen Täters: „Warum führt ein militanter Islamkritiker aus Saudi-Arabien einen Anschlag aus, wie ihn in genau dieser Form eigentlich die Terrororganisation ‚Islamischer Staat‘ verüben könnte?“ Die Möglichkeit, dass A. seine Islamkritik nur als Tarnung verwendet haben könnte, hält der Experte jedoch „für sehr unwahrscheinlich“. Er begründet dies mit den ständigen öffentlichen Äußerungen des Verdächtigen. „Ein Schläfer, der nicht schläft, wäre ein absolutes Novum“, so Neumann.

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Anschlag in Magdeburg: Auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg ist ein Autofahrer in eine Menschengruppe gefahren. Der Mann wurde festgenommen. (Archivbild) © Christoph Soeder/dpa

Am Abend des 20. Dezember fuhr der mutmaßliche Täter in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt von Magdeburg. Fünf Menschen starben, 200 weitere wurden verletzt. Neumann sieht Parallelen zwischen dem Anschlag in Magdeburg und dem Attentat im Olympia-Einkaufszentrum in München 2016.

Parallelen zwischen Magdeburg-Anschlag und Attentat in München

Der Anschlag in München vor etwa acht Jahren war rassistisch motiviert. Der 18-jährige David S. tötete damals neun Menschen und verletzte weitere. Fast alle Opfer hatten einen Migrationshintergrund. Die Tat wurde zunächst als Amoklauf bezeichnet, später mehrten sich jedoch die Hinweise auf einen politischen Hintergrund. Heute wird der Anschlag als rassistisch und politisch motiviert eingestuft.

Auch die Süddeutsche Zeitung berichtet über die Parallelen zwischen der Tat in München und dem Anschlag in Magdeburg. Beide Täter entwickelten Hass auf die deutsche Politik und Gesellschaft aufgrund des Umgangs mit dem Islamismus. „Beide sahen das Heil in der AfD – und in den eigenen Mordplänen“, heißt es in dem Artikel.

Vor seiner Tat war der Täter aus München Patient in der Jugendpsychiatrie. Die psychische Erkrankung des 18-Jährigen soll es den bayerischen Behörden „unheimlich schwer“ gemacht haben, „seine rechtsextreme Gesinnung zu identifizieren“, so Neumann im Spiegel-Interview. Auch im Fall des Verdächtigen in Magdeburg „deutet vieles darauf hin“, dass A. psychisch krank war. „Er hatte Wahnvorstellungen und fühlte sich verfolgt. Er verstand nicht, warum ihm 2016 die Ausreise drohte, aber gleichzeitig die – seiner Meinung nach – falschen Flüchtlinge aus islamisch geprägten Ländern in Deutschland aufgenommen wurden“, erklärt der Terrorismusexperte.

Hintergründe des Anschlags in Magdeburg: Deutschland denkt in starren Kategorien

In Bezug auf Anschläge denkt man in Deutschland in starren Kategorien, so Neumann: „Rechtsextremist, Linksextremist, Islamist.“ A. passt jedoch in keine dieser Kategorien. Obwohl der Verdächtige seit elf Jahren polizeibekannt war, wurde er nicht überwacht. Sarah Tacke, Juristin und Leiterin der Rechtsredaktion des ZDF, erklärte im „heute-journal“, dass für eine Überwachung „tatsächliche Hinweise, dass sich jemand auf eine staatsgefährdende Straftat vorbereitet“ notwendig seien. Behörden müssten nach Mustern suchen. Auch rückblickend „ergibt sich nicht das Bild eines Mannes, der darauf hinarbeitet, einen solchen Anschlag zu begehen“, so Tacke. Wie auch Neumann erklärt die Rechtsexpertin, dass Taleb A. nicht ins Raster passe.

In Großbritannien gibt es bereits eine eigene Kategorie für Täter oder Verdächtige, deren Extremismus sich aus verschiedenen Ideologien zusammensetzt. „Gefährder mit ‚gemischter, unklarer und instabiler Ideologie‘“, so Neumann. Diese Kategorie „trifft es sehr gut“. Eine solche Kategorie existiert in Deutschland jedoch nicht.

Experte über Anschlag auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt: Tatverdächtiger „war kein Islamist“

Taleb A., der 2006 zur Ausbildung nach Deutschland kam, befindet sich nach dem Anschlag in Untersuchungshaft. Gegen den 50-jährigen Arzt wird derzeit wegen Mordes und versuchten Mordes in Verbindung mit gefährlicher Körperverletzung ermittelt.

Dass A. nach dem Anschlag noch am Leben ist, biete die Möglichkeit, „viele Dinge noch herauszufinden“, so Neumann gegenüber der ARD. Für den Experten steht jedoch fest, dass der Verdächtige „kein Islamist war“. Die Hintergründe der Tat und die Tatsache, dass die Sicherheitsbehörden A. nicht als gefährlich eingestuft und überwacht haben, müssen nun aufgearbeitet werden. (pav)

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