Vor erst 76 Jahren fiel das Fallbeil zum letzten Mal: Der Mechaniker Richard Schuh wurde in Baden-Württemberg geköpft – wegen Raubmordes.
Tübingen – 18. Februar 1949: Um sechs Uhr morgens saust im Innenhof des örtlichen Justizgefängnisses das fast vierzig Kilo schwere Messer der Guillotine herab. Es enthauptet Richard Schuh. Er ist 28 Jahre alt und gelernter Mechaniker aus Remmingsheim im Kreis Tübingen, Baden-Württemberg. Es ist die letzte Exekution eines Zivilisten in Westdeutschland. Nur drei Monate später wird das Grundgesetz die Todesstrafe abschaffen.
Ende Januar 1948 steht Richard Schuh an der Straße und streckt den Daumen raus. Der Lastwagenfahrer Eugen Roth nimmt ihn mit. Er soll seine Hilfsbereitschaft mit dem Leben bezahlen: Schuh, der es auf die nagelneuen Reifen des Lasters abgesehen hat, schießt dreimal auf den Fahrer und wirft den Toten an den Straßenrand. Danach fährt der Mörder den Truck in ein Waldstück, wo schon zwei Komplizen warten, um die schönen Reifen für den Schwarzmarkt abzumontieren.
Die Tanten des Mörders kämpfen vergeblich um sein Leben
Auf einen Fahndungsaufruf („Schwere Bluttat“) melden sich Zeugen, denen Schuh die Reifen angeboten hatte. Schuh gesteht zwar, bereut aber nichts und wirkt gefühlskalt. Infolgedessen sehen die Richter in dem Mörder einen Mann, dessen jahrelanger Kriegsdienst an der West- und Ostfront ihn mehr zu „Gewalt und Unrecht als zu Ordnung und Moral“ erzogen habe. Am 14. Mai 1948 lautet das Urteil des Landgerichts Tübingen: „Tod durch Enthaupten“ wegen Mordes in Tateinheit mit schwerem Raub.
Schuhs Revision wird verworfen. Daraufhin stellen seine drei Tanten ein Gnadengesuch. Es bleibt ebenfalls erfolglos. Landgerichtsdirektor Walter Biedermann argumentiert: Wer Schuh begnadige, müsse auch alle künftigen Mörder begnadigen.
Der Verurteilte blieb auf dem Weg zur Guillotine „ruhig und gefasst“
In der Nacht vor seiner Hinrichtung schläft der Mörder nicht, sondern raucht, trinkt Wein und schreibt Abschiedsbriefe: an Ex-Geliebte, die Familie, eine Vermieterin. Gegen sechs Uhr am Morgen verhält sich Schuh, wie überliefert ist, „ruhig und gefasst“; er wünscht sich, dass der Pfarrer auf dem Weg zum Schafott neben ihm geht. Dort angekommen, tut die extra aus Rastatt nach Tübingen transportierte Guillotine, was sie soll. Heute steht sie im Strafvollzugsmuseum Ludwigsburg.
Das Anatomische Institut der Universität Tübingen bekommt Schuhs Leiche, um seine Kopfform zu analysieren. Denn die Beschaffenheit des Schädels ließ nach der 1949 noch nicht ganz aus der Wissenschaft verschwundenen Phrenologie („Schädellehre“) auf Eigenschaften und geistige Fähigkeiten schließen. Vor allem Kriminelle wiesen angeblich ganz bestimmte Proportionen auf, nach denen geforscht wurde.
„Die Todesstrafe ist abgeschafft“: Artikel 102 des Grundgesetzes kommt zu spät für Schuh
Schließlich, am 23. Mai 1949, drei Monate nach Schuhs Enthauptung, tritt das Grundgesetz in Kraft. Artikel 102, für den eine breite Bewegung gekämpft hatte, formuliert knapp und eindeutig: „Die Todesstrafe ist abgeschafft.“
Richard Schuhs Hinrichtung markiert nur das Ende der Todesstrafe für Zivilisten, denn die Alliierten haben in Deutschland noch bis 1951 Militärs-Angehörige wegen Kriegsverbrechen exekutiert. Schuhs Ermordung per Gerichtsurteil ist auch lediglich die letzte zivile in Westdeutschland. Denn in der DDR wurde noch 1981 ein Zivilist hingerichtet: Stasi-Mitarbeiter Werner Teske.
In den USA hat die Todesstrafe immer noch Fürsprecher, worüber unsere Redaktion hier berichtet hat.