„Am besten wie in Bayern“: Erste CDU-Politiker träumen von absoluter Mehrheit – ist das realistisch?
Erste CDU-Abgeordnete sprechen von der absoluten Mehrheit bei der Neuwahl. Dafür reichen unter Umständen deutlich weniger als 50 Prozent der Stimmen.
Friedrich Merz auf den Spuren Konrad Adenauers? Die Union greift bei der kommenden Neuwahl die absolute Mehrheit an. In der Geschichte der Bundesrepublik hatte die bislang nur einer erreicht: Adenauer, 1957. Er holte 50,2 Prozent der Stimmen, was sich wohl nie mehr wiederholen lässt. Dieser Tage sprechen erste Abgeordnete dennoch öffentlich vom Erdrutschsieg. Auch, weil deutlich weniger als 50 Prozent für die absolute Mehrheit reichen könnten. Ist das nur wahlkampftaktische Träumerei oder wirklich denkbar?
CDU träumt von Bundestagswahl-Ergebnis über 40 Prozent: „Am besten so wie in Bayern“
Der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Tino Sorge, wünscht sich im Interview mit IPPEN.MEDIA ein Ergebnis „am besten so wie in Bayern derzeit, wo die CSU in Umfragen bei 43 Prozent steht“. Eine aktuelle Umfrage im Auftrag von Sat.1 sieht die Christsozialen im Freistaat tatsächlich bei 43 Prozent. Was, wenn die Union dieses Ergebnis in ganz Deutschland holt? „Dann könnten wir allein regieren und CDU pur umsetzen“, sagt Sorge.

Absolute Mehrheit bei der Bundestagswahl: „Es würde 43, 44 Prozent der Stimmen reichen“
Denn: Um eine absolute Mehrheit zu erreichen, braucht eine Partei nicht zwingend mehr als 50 Prozent im Wahlergebnis. Entscheidend ist die Mehrheit der Sitze im Bundestag. Wenn mehrere Parteien den Sprung ins Parlament verpassen und deren Stimmen sich nicht in Mandate umsetzen, könnte der CDU ein wesentlich niedrigeres Wahlergebnis reichen, wie der Politikwissenschaftler Martin Gross von der LMU München erklärt. „Hierfür müssten sowohl FDP als auch Linke und das BSW an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern und keine drei Direktmandate gewinnen“, sagt Gross.
Dann würde der Bundestag nur aus vier Fraktionen bestehen. „In einem solchen Fall würden der CDU/CSU in einem Parlament mit AfD, Grüne und SPD dann wohl auch um die 43, 44 Prozent der Stimmen reichen, um eine absolute Mehrheit der Sitze zu haben“, so Gross gegenüber unserer Redaktion. Er sagt aber auch: „Eine absolute Mehrheit ist für CDU/CSU bei einem erfolgreichen Wahlkampf durchaus möglich, allerdings aus meiner Sicht – Stand jetzt – eher unrealistisch.“
Umfragen zur Bundestags-Neuwahl: CDU/CSU aktuell weit von absoluter Mehrheit entfernt
Denn noch sind die Konservativen von den von Sorge angestrebten 43 Prozent weit entfernt. Die ersten Umfragen nach dem Ampel-Aus sahen CDU und CSU zusammen bei 32 bis 33 Prozent. Damit wären sie zwar klar die stärkste Fraktion, aber doch gut zehn Prozentpunkte hinter der womöglichen absoluten Mehrheit. Hier müsste die Union also noch zulegen.
Gleichzeitig müssten andere Parteien verlieren. FDP und Linke (beide um die vier Prozent) stehen aktuell zwar unter der Fünf-Prozent-Hürde. Das Bündnis Sahra Wagenknecht allerdings wird mit sieben bis acht Prozent geführt. Die Unionsaussagen von der absoluten Mehrheit sind damit „noch eher Kaffeesatzleserei“, wie Gross betont.
Spahn über absolute Mehrheit im Bundestag: „Diese Marke kann die bürgerliche Mitte erreichen“
Neben Sorge sprechen auch andere in der Partei die absolute Mehrheit an. Der frühere Gesundheitsminister Jens Spahn sagt uns: „Die Mehrheit liegt im nächsten Bundestag voraussichtlich schon bei knapp über 40 Prozent. Diese Marke kann die bürgerliche Mitte erreichen – und dann wirklich einen Unterschied machen für unser Land.“
Spahn zeigt sich überzeugt, dass die Union noch Stimmen dazugewinnen kann. „Das rot-grüne Projekt ist mit der Ampel gescheitert“, so der CDU-Politiker. „Die Bürger wollen eine grundsätzlich andere Politik bei Wirtschaft, Migration, Klima und Energie. Die Bürger wissen, dass mit den Habeck-Grünen und der Scholz-SPD keine Wende möglich ist.“
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann äußerte sich im ZDF-Talk „Maybritt Illner“ ähnlich. „Uns geht es um einen Politikwechsel.“ Moderatorin Illner entgegnete: „Aber Sie brauchen gegebenenfalls ja einen Koalitionspartner.“ Linnemann, schon längst im Wahlkampf angekommen, antwortete: „Sind Sie sicher?“ Adenauer brauchte 1957 übrigens eigentlich keine Koalition, entschied sich dann aber doch für ein Bündnis mit der Deutschen Partei (DP).