Gericht beraubt Apotheken große Teile ihres Einkommens: Verband ruft Habeck auf den Plan

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Ein BGH-Urteil nimmt Apotheken eines Teils ihres Einkommens. Die Branche schlägt Alarm. Schon jetzt gibt es immer weniger Apotheken.

Berlin – Die Apothekendichte in Deutschland liegt weit unter dem europäischen Durchschnitt. Auf der einen Seite belastet der Trend Online-Apotheke die Filialen in den Städten, auf der anderen Seite ist es der Fachkräftemangel. Ein neues Urteil des Bundesgerichtshofs verschärft die Situation weiter: Es schränkt die Gewinnerwartungen der Apotheken ein.

BGH-Urteil verhindert freie Skonti – Apotheken entgeht Gewinn

Im Detail geht es beim Urteilsspruch um sogenannte Skonti, die Apotheken vom Großhandel erhalten können, wenn sie Arzneimittel abkaufen. Der Bundesgerichtshof hatte am 8. Februar geurteilt, dass diese Skonti nach Arzneimittelverordnung unzulässig sind, falls die Summe aus Rabatten und Skonti zu einer Unterschreitung des festgelegten Großhandelszuschlags führen.

Die Apothekerverbände fordert eine Erhöhung der Honorare.
Die Apothekerverbände beklagen schon länger eine schwere wirtschaftliche Situation. © IMAGO/Müller-Stauffenberg

Zur Erklärung: Großhändler haben im Arzneimittelverkauf das Recht, einen Aufschlag zu verlangen, wenn sie verschreibungspflichtige Arzneimittel (Rx-Medikamente) von Herstellern kaufen und bei den Apotheken wieder verkaufen. Laut Verordnung sind es maximal 3,15 Prozent des Arzneimittelpreises – falls der Großhändler zum Beispiel ein Medikament für 100 Euro kauft, darf er durch den Aufschlag bis zu 103,15 Euro verlangen. Hinzu kommt ein Festzuschlag von 73 Cent, die Apotheke müsste also 103,88 Euro bezahlen. Innerhalb der 3,15 Prozent ist der Großhändler befugt, Rabatte zu vergeben – eine gängige Praxis, immerhin kann er sich so vom Wettbewerb abheben und sich durchsetzen.

Die Skonti-Abschläge, um die es im Gerichtsspruch ging, würden in die 3,15 Prozent freier Rabattvergabe fallen. Durch die Begrenzung wollte der BHG verhindern, dass der Gesamtnachlass über die Spanne von 3,15 Prozent hinausgeht. Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) schlug darum Alarm.

„Fatale Konsequenzen“ – Verbände warnen vor schwieriger Situation der Apotheken

Vonseiten der Apotheken herrscht nun Sorge vor „fatalen wirtschaftlichen Konsequenzen“. Das ging so weit, dass sich die ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening in einem Brief an den zuständigen Bundesminister Robert Habeck (die Grünen) gewandt hatte. „Wir schlagen Ihnen vor und bitten Sie dringend, durch eine Klarstellung in der Arzneimittelpreisverordnung die Möglichkeit der Gewährung von Skonti festzuschreiben“, schrieb Overwiening. Durch das Urteil würde die „schwierige wirtschaftliche Situation“ der Apotheken „zusätzlich“ verschärft. Overwiening forderte dringende Unterstützung, um die Folgen der BGH-Entscheidung zu „beseitigen“.

Für die Apotheken seien die Skonti von „erheblicher“ Bedeutung. Durch ihren Wegfall würden den Apotheken im Durchschnitt Verluste zwischen 20.000 Euro und 25.000 Euro ergeben, erklärte Overwiening unter Berufung auf Daten der Treuhand Hannover. „Die Bundesregierung handelt schon lange viel zu zögerlich, wenn es darum geht, die wirtschaftliche Situation der Apotheken zu verbessern“, kritisierte Overwiening. Wenigstens bei der Debatte um die Skonti müsse die Regierung eine Verschlechterung der Situation „sofort stoppen“. Eine Änderung der Arzneimittelpreisverordnung erfordere die Initiative des Wirtschaftsministeriums sowie die Zustimmung des Bundesrates.

Apothekenzahl verringert sich – Deutschland bleibt weit hinter europäischem Schnitt zurück

Der Verband warnt seit Längerem vor der wirtschaftlichen Lage der deutschen Apotheken. Nach ABDA-Zahlen erwirtschaftete die durchschnittliche Apotheke im Jahr 2023 einen Umsatz von 3,443 Millionen Euro, das steuerliche Betriebsergebnis sank mit 4,3 Prozent auf ein Langzeittief. Außerdem geht die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung stetig zurück. Im ersten Quartal 2024 sank die Apothekenzahl auf 17.429 – die Apothekendichte liegt mit 21 Apotheken pro 100.000 Einwohnern weit unter dem europäischen Durchschnitt. Das hatte der Deutsche Apothekerverband (DAV) im aktuellen Apothekenwirtschaftsbericht 2024 offengelegt.

Weiter befeuert der Fachkräftemangel die ohnehin schwierige Situation. Laut ABDA steht in den kommenden Jahren eine Lücke von etwa 10.000 Apothekern ins Haus. Für viele Apotheken gestaltet sich die Suche nach einem Nachfolger immer schwieriger. Auch der Beruf des pharmazeutisch-technischen-Assistenten müsse attraktiver werden. DAV-Präsident Hans-Peter Hubmann sprach bereits von „alarmierenden Zeichen“ – die Branche wartet auf neue Impulse der Politik.

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