In St. Peter und Paul interpretierten der Weihbischof und zahlreiche Freisinger die „Heilige Nacht“ so, als hätte sie gleich hinter Lerchenfeld stattgefunden.
Freising - So dermaßen voll wie jüngst bei der „Heiligen Nacht“ von Ludwig Thoma ist die Neustifter Kirche selten. Ein Wunder ist das freilich nicht, denn Weihbischof Wolfgang Bischof schlüpft dermaßen perfekt in die Thoma-Rolle wie kaum ein anderer im Landkreis. Und es war auch heuer zu spüren, dass er die bayerische Nazareth-Geschichte lebt und liebt – geradeso, als hätte einst die Herbergssuche gleich hinter Lerchenfeld stattgefunden.
Das Besondere an dem Abend: Die Sprechrollen verteilten sich zeitweise im Kirchenschiff, wie etwa Josias, der von der Kanzel herab äußerst symbolträchtig und ziemlich unfreundlich das frierende Paar weiterschickte. Damit gelang mit dieser Inszenierung ein sehr beeindruckendes Live-Hörspiel, das von zahlreichen Elementen lebte, aber freilich vor allem von den passgenau ausgewählten Stimm-Rollen, die dem Thoma-Werk einen ganz besonderen Spirit und eine unverkennbare Warmherzigkeit verliehen. Vermutlich, und das muss dem Ensemble attestiert werden, gehört diese Interpretation zu einer der schönsten im ganzen Landkreis, gerade eben, weil es weit über eine weihnachtliche Lesung hinausgeht, sondern geradezu als Gesamtkunstwerk betrachtet werden muss.
Die vokale Gestaltung durch die Chorgemeinschaft St. Peter und Paul unter der Leitung von Bärbel Matos Mendoza und der Jungen Domkantorei unter der Leitung von Benedikt Celler war wuchtig und fragil zugleich. Denn beiden Chören gelang es punktgenau und sehr warm temperiert, die ergänzenden Werke von Max Eham in die bekannte Thoma-Erzählung einzuflechten, sozusagen als kongenialer Soundtrack zur Engelserscheinung hinführend.
Die Mitwirkenden
Weihbischof Wolfgang Bischof (Erzähler), Bettina Spahn (Maria), Walter Kohlhauf (Josef), Günther Bülig (Josias), Barbara Gradl (Josias Frau), Michael Hartmann (Handwerksbursch und Simmerl), Walter Schwind (Hausl, Engel) und Hans Fellner (Vize, Herrgott und Verkündigungsengel).
Auch musikalisch wurde einiges aufgefahren mit den Vagner Blechbläsern und der Camerata Strumentale – beide Ensembles skizzierten eindrucksvoll die Wanderung durch Schnee und Eis und die Erlösung im Stall. Auch das war eine bemerkenswerte Gesamtleistung: Obwohl das Werk auf eine große Bühne gestellt wurde, war die Vorführung trotzdem sehr intim – geradeso, als würde der Weihbischof nicht vor hunderten Menschen lesen, sondern in einer winzigen verschneiten Kapelle vor wenigen Gläubigen.
Was ihm damit gelang: Den Weihnachtsgedanken spürbar zu machen, den bereits Stadtpfarrer Daniel Reichel zu Beginn aufgegriffen hatte. „Wenn wir einem Menschen helfen, immer wenn sich zwei Menschen verzeihen – und immer wenn ein Kind geboren ist, ja, dann ist Weihnachten.“ Und eines wurde sehr klar und deutlich spürbar bei der „Heiligen Nacht“ von Thoma in Freising: Nazareth kann überall sein, vor allem da, wo Menschen Hilfe und Wärme benötigen. Das nahmen sich auch die zahlreichen Gäste zu Herzen und spendeten für die Bahnhofsmission München.