FDP-Chef sieht die Ampel am „Wendepunkt“: Gibt Lindner jetzt den Lambsdorff?

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Lindners Kampfansage an Grüne und SPD gleicht dem Scheidungspapier, mit dem Otto Graf Lambsdorff 1982 die Koalition mit der SPD beendete, kommentiert Georg Anastasiadis.

Für die Ampel-Koalition ist nach dem Verfassungsurteil vom Mittwoch eine zweite Zeitenwende angebrochen, die finanzpolitische. Doch das erste Opfer sind nicht die teuren, den Haushalt beherrschenden grünen Klimaprojekte (die kommen später auch noch dran) – sondern die Wirte. Sie werden ab 2024 ihren Gästen wieder den vollen Mehrwertsteuersatz abverlangen müssen. Man mag das bedauern.

Doch klar ist: Der Staat, dem nach dem richterlichen Verbot der wundersamen Geldvermehrung 60 Milliarden Euro fehlen, muss nach dem hoffentlich heilsamen Schock wieder anfangen, sich auf seine wirklich zentralen Aufgaben zu besinnen und Ausgaben zu priorisieren.

Lindner hat die Chance: Rückkehr zur finanzpolitischen Vernunft – oder sogar das Ende der Ampel?

Darin liegt auch eine Chance. Das gilt in doppelter Weise für die FDP und ihren Finanzminister Christian Lindner, dessen Aufgabe bisher in erster Linie darin bestand, die nötigen Finanzmittel für das teils wirre Wünsch-dir-was seiner Ampelpartner herbeizuzaubern, und zwar unter Vermeidung von Steuererhöhungen.

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP)
Was macht Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) nach dem für die Ampel verheerenden Karlsruher Urteil? Ein Kommentar von Georg Anastasiadis. © Annette Riedl/dpa

Lindner hat jetzt – mit Karlsruher Auftrag und Rückendeckung – erstens die Chance, die Rückkehr zur finanzpolitischen Vernunft durchzusetzen. Oder, sollte dies am Widerstand von Grünen und SPD scheitern, die Liberalen erhobenen Hauptes aus der ungeliebten Koalition heraus- und in einen Steuererhöhung-nein-danke-Wahlkampf hineinzuführen.

Otto Graf Lambsdorff ließ Koalition aus SPD und FDP platzen

Lindner ist offenkundig bereit – wenn nötig zu beidem. Bis in die Wortwahl gleicht seine Ansage, man sei nun an einem „Wendepunkt“ angekommen und werde „mit weniger Geld wirksamere Politik machen müssen als im vergangenen Jahrzehnt“, dem berühmten „Wendepapier“ des früheren FDP-Wirtschaftsministers Otto Graf Lambsdorff.

Der setzte am 9. September 1982 mit einem Forderungskatalog für wirtschafts- und finanzpolitische Reformen dem SPD-Kanzler Helmut Schmidt und der SPD-Linken die Pistole auf die Brust. Neun Tage später war Deutschlands erste sozialliberale Koalition zu Ende.

Georg Anastasiadis

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