Geld oder Liebe: Die Münchner Opernfestspiele feiern 150. Geburtstag

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EZB-Präsidentin Christine Lagarde hielt die Festrede. © Geoffroy Schied

Barocke Klageklänge, erlesene Solistinnen, eine Hommage an Europa, der Intendant spricht über Tradition, der Ministerpräsident über sich: So war der Festakt zum 150. Opernfestspiele.

„Dich erblicken, dich erlangen“, zwei Frauenstimmen, eine Liebeserklärung („Pur ti miro, pur ti godo“), gesungen über einem Streichergespinst und hingetupften Akkorden, das schönste Opernfinale neben Wagner „Tristan“: Und weggefegt ist das Wortgeklingel zuvor. Ewig hätte man Monteverdis „Poppea“ lauschen können, das Getrampel im Nationaltheater beweist es.

Doch Festakt, 150. Geburtstag der Münchner Opernfestspiele, das schreit am Donnerstagabend nach Reden. Tatsächlich sind es die ältesten Musiktheaterfestspiele der Neuzeit. 1875 als „Festlicher Sommer“ erstmals veranstaltet, waren diese Wochen immer als Repertoireschau des Hauses gedacht. Mehr ein Best-of zu Extra-Preisen, ein, zwei Neuinszenierungen inklusive, keine Premierenparade wie etwa in Salzburg. Beethovens „Fidelio“, Webers „Freischütz“, Mozarts „Don Giovanni“ wurden damals gespielt, nichts davon bei diesem Festakt. Und das, obwohl eben jener Mozart-Wurf am Freitag Premiere hatte.

Bayerisches Staatsorchester
Eine kleine Delegation des Bayerischen Staatsorchesters unter der Leitung von Stefano Montanari spielte Werke von Purcell, Rameau und Händel. © Geoffroy Schied

Stattdessen Barockes von Purcell, Rameau und Händel, Letzterer ist immerhin seit dem früheren Intendanten Peter Jonas neben Mozart, Strauss und Wagner hier der vierte Säulenheilige. Eine kleine Delegation des Bayerischen Staatsorchesters unter Stefano Montanari sitzt auf der Bühne, Generalmusikdirektor Vladimir Jurowski wollte man den Zusatzjob wegen der „Giovanni“-Premiere 24 Stunden später wohl nicht zumuten. Die wunderbaren Solistinnen Sonya Yoncheva und Avery Amereau singen vom Tod als willkommenem Gast, von Liebe statt Herrschen oder von Wäldern als Unschuldsorten – wer mag, kann daraus Kommentare zur Weltlage heraushören.

Für die ist an diesem Abend ohnehin Christine Lagarde zuständig. Der Präsidentin der Europäischen Zentralbank hat es die zweite Festspiel-Premiere in diesem Sommer angetan, „Pénélope“ von Gabriel Fauré. Doch nur kurz streift sie das unbekannte Stück; wer eine Analyse dieser besonderen Frauenfigur aus Sicht der Festrednerin erwartet hat, sieht sich enttäuscht. Stattdessen gibt es einen ausführlichen historischen Aufriss und eine Hommage an den europäischen Integrationsprozess.

Warnung vor Zersplitterung Europas

Lagarde warnt in erlesenem Englisch (das die Übertitel-Übersetzung etwas vereinfacht wiedergibt) vor nationalistischer Abschottung und einer Zersplitterung Europas. Und sie sieht, als Hüterin des Euro, enge Verbindungen zur Kunst: „Wie die Geschichte zeigt, bleibt es für die Kultur selten ohne Folgen, wenn die Wirtschaft ins Stocken gerät.“ In Zeiten knapper Kassen dürfe sich der Zugang zur Kunst nicht verschlechtern – gerade weil sich die Kultur als beständiger Faktor in allen Krisen erweise. Mit den Opernfestspielen hat das, wie das Musikprogramm, nur bedingt zu tun.

Die Würdigung des Festivals hat zuvor der Intendant erledigt. Auch Serge Dorny spricht von Europa als einem „kulturellen Projekt“ und davon, dass Künstler Identität jenseits nationaler Grenzen schaffen. Dorny wirbt für einen nach vorn gerichteten Traditionsbegriff: „Tradition ist eine Abfolge von Neuerungen“, sie sei nicht konservierend, sondern transformierend. Der Chef der Staatsoper sitzt ansonsten in Reihe eins zusammen mit den Ehrengästen, neben Lagarde sind das Herzog Franz nebst Lebensgefährte Thomas Greinwald, Kardinal Reinhard Marx sowie Kunstminister Markus Blume und Ministerpräsident Markus Söder.

Entgleisung des Ministerpräsidenten

Die beiden CSU-Politiker sind mit Grußworten beteiligt. Blume lobt den Erfolg des Hauses und den Freistaat als größten Sponsor, Söder spricht von Kunst als wichtige Investition in die Demokratie, ansonsten von sich, dankt den Gala-Damen für ihre Roben. Und bezeichnet Lagarde als „zweitmächtigste Frau der Welt“, nächstes Jahr könne man ja die laut Forbes-Liste mächtigste einladen, das wäre Ursula von der Leyen. Die Festrednerin reagiert auf die als Pointe gemeinte Entgleisung, wie es ihr Stil ist: mit einem würdigen Lächeln.

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