Fachleute warnen: Viele Kinder beherrschen heute den Hampelmann nicht mehr
Toben, Springen, Purzelbäume schlagen: All das sollte für Kinder selbstverständlich sein. Leider beherrschen viele von ihnen diese einfachen Übungen nicht mehr.
Mit beiden Beinen hüftbreit nach außen springen, die Hände dabei überm Kopf zusammenschlagen. Dann die Beine schließen und die Hände auf die Oberschenkel klatschen. Dieser Bewegungsablauf, bekannt als „Hampelmann“, ist eine beliebte Aufwärmübung. Sie bringt den Kreislauf in Schwung und trainiert auch Koordination und Motorik. Doch heutzutage bringt sie viele Kinder an ihre Grenzen, wie der Kinderatlas der BARMER zeigt. Und bestätigt damit, wovor Lehrer und Kinderärzte schon lange warnen.
Hampelmann, Purzelbaum, Balancieren: Für viele Kinder eine Herausforderung
Der Kinderatlas der BARMER ist Teil des Arztreports und führt seit 2005 die häufigsten und für Kinder typischen Diagnosen auf und wertet sie anonymisiert aus. Er zeigt: Viele Kinder haben motorische Schwierigkeiten, können keinen Hampelmann oder Purzelbaum machen.
Das bestätigt auch Kinderärztin Claudia Haupt, Vorsitzende des Landesverbandes der Kinder- und Jugendärzte in Hamburg. Im Gespräch mit focus.de erklärt sie, dass früher jeder Fünfjährige bei der Untersuchung U8 den Hampelmann beherrschte. „Heute kann das gerade noch jedes zehnte Kind.“

Eine mögliche Ursache sieht sie im zunehmenden Bildschirmmedienkonsum. Der Kinder, wie auch der Eltern. „Eltern sind Vorbilder. Sie sollten ihr eigenes Handy-Verhalten reflektieren“, erklärt sie.
Toben statt Bildschirmzeit
Dass Kinder bei kognitiven Leistungs-, Motorik- und Sprachtests schlechter abschneiden, je mehr Zeit sie vor Bildschirmen verbringen, ist bekannt. So zeigt die BLIKK Medienstudie von 2017, im Auftrag des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) und des Instituts für Medizinökonomie und Medizinische Versorgungsforschung, dass regelmäßige Smartphonenutzung bei Kindern zwischen zwei und fünf Jahren motorische Hyperaktivität, Konzentrations- und Sprachentwicklungsstörungen fördert. Bei Acht- bis Dreizehnjährigen, die mehr als eine Stunde täglich am Handy verbringen, führt sie zu gesteigerten Genuss von Softdrinks und einem erhöhten Body-Mass-Index.
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Statt vor Bildschirmen zu sitzen, brauchen Kinder jeden Tag Gelegenheiten zum Toben, Klettern, Balancieren und Erkunden, rät die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Und gerade Babys und Kleinkinder brauchen für ihre Entwicklung überhaupt keine Bildschirme. Im Gegenteil, sie benötigen Nähe und Menschen, die sie anschauen und mit ihnen interagieren. Und die Möglichkeit, sich zu bewegen und auszuprobieren. Auch, wenn es im Alltag nicht immer leicht ist: „Handyfrei bis Drei“ ist nach Angaben des Nationalen Zentrums Frühe Hilfen des Bundesministeriums für Familie deshalb ein guter Richtwert.
Welche Übungen sollten Kinder beherrschen?
Haben Eltern den Verdacht, dass die motorische Entwicklung ihres Kindes nicht altersgerecht verläuft, sollten sie sich an eine Kinderärztin oder einen Kinderarzt wenden. Erste Anzeichen können Gleichgewichtsstörungen und auffällig unsichere und ungeschickte Bewegungsabläufe sein.
Eine Orientierung bieten auch die Grobmotorik-Übungen bei den U-Untersuchungen beim Kinderarzt. Diese sind laut DAK:
Bei der U7a mit etwa drei Jahren:
- einen Ball aus zwei Metern Entfernung fangen
- kleine Sprünge machen
- Treppe steigen
Bei der U8 im Alter von vier Jahren:
- auf einem Bein stehen
- 20-30cm weit mit beiden Beinen gleichzeitig springen
- selbstständig Kleidung an- und ausziehen
Bei der U9 im Alter ab fünf Jahren:
- auf einem Bein stehen
- rückwärts laufen
- auf Zehenspitzen und Fersen laufen
Dieser Beitrag beinhaltet lediglich allgemeine Informationen zum jeweiligen Gesundheitsthema und dient damit nicht der Selbstdiagnose, -behandlung oder -medikation. Er ersetzt keinesfalls den Arztbesuch. Individuelle Fragen zu Krankheitsbildern dürfen von unserer Redaktion nicht beantwortet werden.