„Tatort“ heute aus Bremen: Der Feind in meiner Wohnung
Ein Stalker ist tot, doch der Terror geht weiter. Wie im neuen Bremer „Tatort“ eine gute Idee von einem schlechten Drehbuch zur Strecke gebracht wird. Achtung, Spoller!
Eine Person kontrollieren wollen, ihr oder ihm permanent auf die Pelle rücken, sie oder ihn terrorisieren – Stalking hat viele Gesichter. Um einen solchen Fall handelt es sich auch in diesem „Tatort“ aus Bremen, mit der Konsequenz, dass am Ende nicht das Opfer, sondern der Stalker tot ist. Regisseurin Franziska Margarete Hoenisch findet durchaus starke Bilder für die Bedrohungssituation, in der sich Rani Ewers (Via Jikeli) befindet – bange Blicke, ob ihr Ex Marek Kolschak (Jonathan Berlin) sich ihr schon wieder genähert hat, Flashbacks zu Momenten erzwungener Zweisamkeit.
Doch es muss nicht immer offensichtlicher Terror sein. Totale Kontrolle kann auch anders funktionieren, vor allem dann, wenn das potenzielle Opfer nicht selbstbewusst genug ist, Grenzen zu ziehen. Es ist eine gelungene, wenn auch eine bittere Pointe in „Solange du atmest“, dass der Feind (auch) unerkannt in der eigenen Wohnung leben kann (Sarina Radomski als Paula Södersen).

Ist „Solange du atmest“ also ein gelungener Film? Leider nein, denn er basiert auf einem Drehbuch, das in vielen Details erschreckend platt ist. Judith Westermann senkt das anfangs hohe Niveau, indem sie die Handlung mühsam mit den üblichen Aufnahmen aus Überwachungskameras und gegen Ende holzhammerhaft mit verräterischen Spuren an Schuhen in Gang hält, sie erweitert den Plot um eine wenig konzise journalistische Recherche im Drogenmilieu, um den Kreis der Verdächtigen zu vergrößern.
Und sie konstruiert einen Showdown, der unfreiwillig komisch anmutet – Drama im Schrebergarten, mit vergifteter Limonade und zwei Kommissarinnen, die die Täterin nur mit Mühe bändigen können. Dass dieses Finale buchstäblich am Stock geht, ist allerdings kein Wunder, müssen Jasna Fritzi Bauer als Liv Moormann und Luise Wolfram als Linda Selb doch von Anfang an ein Ermittlerinnenteam geben, das sich ständig und in den unpassendsten Momenten streitet. Ein nerviger, unrealistischer Kindergarten der Kriminalerinnen, den man nicht ernst nehmen kann. Schade um ein wichtiges Thema, um eine wirklich gute Idee.
Was ist Stalking?
Stalking (aus dem Englischen to stalk, was in der Jägersprache „Jagen“ oder „Hetzen“ bedeutet) ist das wiederholte Verfolgen oder Belästigen einer Person, deren physische oder psychische Unversehrtheit dadurch beeinträchtigt wird. Es wird seit 2007 als Nachstellung strafrechtlich verfolgt. Das Spektrum der Handlungen reicht von permanenten Kommunikationsversuchen mittels Telefon, Sprachnachrichten oder Mails über das Auflauern vor der Wohnung oder am Arbeitsplatz bis hin zu körperlicher Gewalt. Über 90 Prozent der Opfer, die bei der Polizei oder anderen Stellen Hilfe suchen, sind weiblich und rund 85 Prozent der Täter Männer. Auslöser ist zumeist eine narzisstische Kränkung, die Täter fühlen sich gedemütigt oder handeln aus einer Art „Liebeswahn“. Doch Stalking kann auch beispielsweise Nachbarn, Ärztinnen und Ärzte oder Juristinnen und Juristen treffen. Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland fast 25 000 Fälle von Stalking polizeilich erfasst.