Das Wahlverhalten von Arm und Reich kehrt sich um
In der jetzigen Wahl haben sich diese Verhältnisse umgekehrt. Von den Wählern mit mehr als 100.000 Dollar stimmte eine Mehrheit von 51 Prozent für Kamela Harris gegenüber nur 46 Prozent für Donald Trump. Bei den Wählern mit mehr als 200.000 Dollar Jahreseinkommen lag sie sogar noch etwas deutlicher vorn.
Dafür konnte Trump bei denen mit weniger als 50.000 Dollar 51 Prozent der Stimmen für sich gewinnen, während Harris es nur auf 48 Prozent brachte. Trump war der Gewinner beim ärmeren Drittel der Bevölkerung, Harris die Siegerin beim reicheren. Ob das eine dauerhafte Verschiebung bedeutet, lässt sich derzeit noch nicht sagen. Aktuell aber ist es aber erst einmal so.
It’s the economy, stupid
Der maßgebliche Grund für diese gravierende Veränderung ist die wirtschaftliche Lage der Menschen in den letzten Jahren. Jeweils ein Viertel der befragten Wähler gab bei den üblichen Nachwahlbefragungen an, dass ihnen die Inflation große oder gar keine Probleme bereite. Trump holte bei den ersteren fast drei Viertel der Stimmen, Harris bei den letzteren über drei Viertel.
Noch wichtiger für den Erfolg von Trump war aber, dass er gut vier Fünftel jener Menschen für sich gewinnen konnte, in deren Augen sich ihre finanzielle Lage in den vier Jahren unter Joe Biden verschlechtert hatte. Das sieht mit 46 Prozent immerhin fast jeder zweite so. Da half es Harris nicht viel, dass sie unter denen, die ihre finanzielle Situation als verbessert beurteilten, ebenfalls gut vier Fünftel der Stimmen holte. Denn nicht einmal jeder vierte gehört zu dieser Gruppe. Die ökonomischen Verlierer sind in der Bevölkerung fast doppelt so zahlreich vertreten wie die Gewinner.
Das ständig wiederholte Argument der Leitmedien, die ökonomische Lage hätte sich doch verbessert, spiegelt die reale Lebenssituation vieler Menschen nicht wider. Ein gewachsenes Bruttoinlandsprodukt sagt über den Alltag der Bevölkerungsmehrheit nur sehr begrenzt etwas aus. Es kommt auf die Verteilung an und die hat eine immer stärkere Schlagseite zugunsten der reicheren Bevölkerungsteile. Auch eine niedrige Arbeitslosenquote ist weniger aussagekräftig als man zunächst annimmt.
Wichtig ist nicht nur, dass man einen Job hat, sondern auch, wie der bezahlt wird, und ob die Lohnentwicklung mit der Inflation Schritt halten kann. In der Regierungszeit von Biden wurden die anfänglichen Reallohnverluste zwar seit Mitte 2023 wieder wettgemacht, mehr aber auch nicht. Außerdem gilt das nur im Durchschnitt. Üblicherweise trifft die Inflation die niedrigeren Einkommen stärker, weil sie einen Großteil davon für Miete und Lebensmittel ausgeben müssen, wo die Teuerungsrate in der Regel überdurchschnittlich ausfällt.
So erreichte sie bei Lebensmitteln im Oktober 2022 einen Spitzenwert von über elf Prozent und bei Mieten lag sie für das gesamte Jahr 2023 mit knapp acht Prozent doppelt so hoch wie die allgemeine Inflationsrate.
Demokraten haben die veränderte Lage aufgrund ihrer eigenen Privilegien nicht verstanden
Die Parteiführung der Demokraten und prominente Parteirepräsentanten wie die Obamas haben diese Stimmung aufgrund ihrer eigenen sehr privilegierten Lage – so haben die Obamas in den letzten Jahren Millionen Dollar durch Bücher und Vorträge verdient – nicht wahrgenommen. Sie haben nicht begreifen können, dass die mediale Unterstützung durch Stars wie Taylor Swift, Beyoncé oder Bruce Springsteen bei den Verlierern der wirtschaftlichen Entwicklung eher das Gegenteil dessen bewirken würde, was sich die Parteiführung davon versprochen hat.
Wenn sich Musiker, die zu den Multimillionären oder gar Milliardären zählen, für Harris aussprechen, wirkt das wie eine Bestätigung des Trumpschen Mottos, das gesamte Establishment sei auf Seiten von Harris und könnte nur durch ihn endlich aus Washington vertrieben werden. Ähnliches trifft im Übrigen auch auf die Wahlempfehlungen pro Harris durch Vertreter der alten Garde der republikanischen Partei wie die Cheneys zu.
Was heißt das für die Bundestagswahl?
Trotz aller Unterschiede lässt der Wahlausgang in den USA doch Schlussfolgerungen für die Bundestagswahl zu. Auch hierzulande hat die ökonomische Entwicklung die Kluft zwischen den Gewinnern und den Verlierern deutlich vergrößert. Nicht nur haben die hohen Einkommen in den letzten zweieinhalb Jahrzehnten ungefähr doppelt so stark zugenommen wie die mittleren und ungefähr fünfzehnmal stärker als die niedrigen, die Inflation hat die niedrigen Einkommen auch härter getroffen.
Seit der Jahrtausendwende liegt die Inflationsrate für die niedrigen Einkommen im Durchschnitt 20 Prozent höher als für die hohen Einkommen. Das hat eindeutige Folgen für die Einstellung der Betroffenen zur Demokratie. Während sich nach einer aktuellen Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung im oberen Drittel der Bevölkerung fast zwei von drei Befragten mit der Art und Weise, wie die Demokratie in Deutschland funktioniert, ziemlich oder sehr zufrieden zeigen, trifft das im unteren Drittel nicht einmal auf jeden dritten zu.
Dementsprechend kann die AfD hier auch am stärksten punkten, wie die Europawahl und noch deutlicher die Landtagswahlen im Osten gezeigt haben. Die AfD ist derzeit die Partei, die unter Arbeitern und ganz generell bei den unteren Einkommensgruppen den größten Anklang findet.
Erfolgversprechend kann man dieser Entwicklung nach rechts nicht dadurch begegnen, dass man nur immer wieder auf die Gefahren für die Demokratie hinweist. Das hat gegen Trump auch nicht geholfen. Dauerhaft wirksam ist allein eine Verbesserung der konkreten Lebenssituation der Menschen, die sich mehr oder minder stark abgehängt fühlen. Daran wird von ihnen das Funktionieren der Demokratie gemessen.