Er ist nicht der Erste, der das sagt

Die Nationalmannschaft muss offensiv spielen, weil sie nicht defensiv spielen kann, meint der Bundestrainer. Eine Aussage, die bekannt vorkommt.

Julian Nagelsmann deutete an, dass er Dinge verändern will. Eine andere Wahl bleibt dem Bundestrainer nach dem 2:3 gegen die Türkei und dem 0:2 gegen Österreich auch nicht. Es muss einiges passieren, damit die Heim-EM für Deutschland nicht zum Debakel wird. Was genau, das wusste er am Mittwochabend noch nicht. "Die eine Idee im Kopf" habe er nicht.

Klar ist: Nagelsmann will auf dem Platz mehr Emotionen sehen, mehr Leidenschaft, mehr Aggressivität. Das hatte ihm schon nach der Türkei-Niederlage gefehlt, gegen Österreich sah er davon auch zu wenig. "Wir müssen noch mehr arbeiten, müssen über die Kaderzusammenstellung, aber auch über Arbeit ein Gefüge werden. Wir müssen arbeiten auf dem Feld", sagte er nun am Mittwochabend im Wiener Ernst-Happel-Stadion.

Video | Nagelsmann rechnet mit DFB-Stars ab
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Mehr Arbeit, mehr Miteinander, das will der 36-Jährige den Spielern vermitteln. Aus den Individualisten soll ein Team werden. Was er den Spielern aber nicht vermitteln will, ist ein gänzlich anderer Spielstil. Die offensive Art und Weise, mit der Deutschland zuletzt auftrat, ist laut Nagelsmann alternativlos.

"Wir sind keine Verteidigungsmonster, das sind wir nicht. Wir sind eine Mannschaft, die bestehen kann, wenn wir die Zeit, in der wir verteidigen müssen, minimieren. Wenn wir aber eine absurde Ballverlustrate haben in der ersten Halbzeit, geht die Rechnung nicht auf."

Nagelsmann, Flick, Nowotny, Kohler

Nagelsmanns Kritik betraf nicht nur die Abwehr. Verteidigen ist die Aufgabe des gesamten Teams, nicht nur der hinteren Kette. Dass aber genau der so simpel wirkende Teil des Spiels fast die größte Schwäche im deutschen Team ist, ist nicht neu. Nagelsmann ist nicht der Erste, der das sagt.

Auch sein Vorgänger Hansi Flick merkte nach dem Ausscheiden bei der WM in Katar diesen Mangel an. "Wir reden schon seit, was weiß ich, wie viel Jahren über einen Neuner, den wir brauchen, über spielstarke Außenverteidiger. (…) Was den deutschen Fußball ausgezeichnet hat, war, dass wir verteidigen konnten. Das sind Elemente, die wir für den Nachwuchsbereich brauchen. Das sind die Basics." Eben jene Basics, die Grundlagen des Spiels, fehlten und fehlen der deutschen Mannschaft.

Dinge, die auch andere Experten bereits anmerkten. Ex-Nationalspieler Jens Nowotny sagte dem "RedaktionsNetzwerk Deutschland" im Januar dieses Jahres nach dem WM-Aus: "Was uns über das gesamte Turnier hinweg das Genick gebrochen hat, waren individuelle Defensivfehler. Es fehlen die defensiv denkenden Spieler, die im Eins-gegen-Eins nach hinten stark sind, die damit Selbstvertrauen tanken und das ans Team übertragen."

Weltmeister Jürgen Kohler stimmte wenige Monate später im "Kicker" mit ein: "Es sind wiederkehrende Fehler in der Defensive, taktisch und individuell. Wir waren über Jahrzehnte das Land mit den besten Abwehrspielern der Welt, da muss also etwas schiefgelaufen sein. Das Verteidigen wird zu wenig trainiert."

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Zwei Lösungswege

An der Ausbildung im Nachwuchs wird bereits gearbeitet. Dort soll das Verteidigen wieder eine größere Rolle spielen. Für die EM im nächsten Jahr hat das aber noch keine Folgen. Wohl auch nicht für die WM 2026.