Einkaufen zwischen Tanz und Trend: Wie TikTok Shop unser Shopping neu erfindet

Plötzlich kaufen wir dort ein, wo wir lachen, scrollen und tanzen: Mit TikTok Shop beginnt eine neue Ära des Einkaufens – nahtlos integriert in den Social-Media-Feed. Social Commerce heißt der Trend, bei dem Produkte nicht mehr aktiv gesucht, sondern nebenbei entdeckt und gekauft werden. 

In China längst Alltag, nimmt das Konzept nun auch in Europa Fahrt auf. Am 31. März 2025 launchte TikTok Shop offiziell in Deutschland. Was das bedeutet? Nutzer können Produkte direkt aus Videos oder Livestreams heraus erwerben – ohne die Plattform zu verlassen. Die Verkaufsfläche ist der Feed, die Werbung ist der Creator. Und der Kauf erfolgt zwischen Tanzvideo und Lifehack.

Prof. Dr. Moritz E. Behm ist Experte und Keynote-Speaker für Innovations- und Transformationsmanagement sowie digitale Geschäftsmodelle. Er lehrt an der Hochschule Fresenius in München. Er ist Teil unseres EXPERTS Circle. Die Inhalte stellen seine persönliche Auffassung auf Basis seiner individuellen Expertise dar.

Der Markt wächst – und zwar schnell

Der weltweite Markt für Social Commerce wird laut Prognosen bis Ende 2025 ein Volumen von rund 820 Milliarden US-Dollar erreichen. Schon 2025 könnte der Umsatz hierzulande bei über 7 Milliarden US-Dollar liegen (Statista Digital Market Outlook 2024). Diese Entwicklung verändert das Einkaufsverhalten grundlegend. Während früher Suchmaschinen oder Marktplätze wie Amazon dominierten, verschiebt sich der Einstieg ins Shopping hin zu sozialen Netzwerken – allen voran TikTok.

TikTok Shops erwirtschafteten im Jahr 2023 ein Bruttowarenvolumen (GMV) von 11,09 Milliarden US-Dollar.

Erfolgreiche Kategorien:

1. Schönheit & Körperpflege (2,49 Mrd. US-Dollar)

2. Damenbekleidung (1,39 Mrd. US-Dollar)

3. Herrenbekleidung (893 Mio. US-Dollar)

Was ist TikTok Shop – und wie funktioniert das?

TikTok Shop integriert Kaufprozesse direkt in die Plattform. Nutzer sehen ein Produkt im Video – und kaufen es mit einem Klick. Bezahlt wird direkt in der App. Der gesamte Checkout, die Logistik und die Nachverfolgung sind in die Plattform eingebunden. Unternehmen können ihre Produkte in kurzen Clips oder Live-Sessions präsentieren. Dabei helfen die Creators, die ihre Reichweite in Verkaufszahlen umwandeln – oft durch unterhaltsame, persönliche oder emotionale Produktinszenierungen. Aus „Likes“ wird Umsatz.

Wer nutzt TikTok-Shop?

In Deutschland gab es Ende 2024 rund 20 Millionen TikTok Nutzerinnen und Nutzer. (Statista 2024). 27 Prozent der erwachsenen TikTok-Nutzer in Deutschland haben schon einmal etwas im TikTok-Shop gekauft. 13 Prozent bereits mehrfach (NIM 2025). TikTok wird zudem zunehmend als Produktsuchmaschine genutzt. 74 Prozent der Internetnutzer der Generation Z verwenden TikTok zur Suche, und 51 Prozent ziehen es sogar Google vor – vor allem wegen des ansprechenden Kurzvideoformats (emarketer 2024).

Warum ist das wichtig für deutsche Unternehmen?

Für Händler, Marken und Mittelständler bietet TikTok Shop große Chancen – aber auch Herausforderungen. Der Zugang zu jungen Zielgruppen, virales Potenzial und direkte Abverkäufe stehen auf der Habenseite. Gleichzeitig braucht es neue Kompetenzen: Storytelling, Influencer-Management, digitale Logistikprozesse und Datenanalyse. Die generische Produktion von Inhalten, die man gleich für die verschiedenen Social-Media-Kanäle nutzen kann, ist nicht angeraten, da sich die Formate stark voneinander unterscheiden.

Was verändert sich beim Einkauf konkret?

TikTok Shop steht für einen grundlegenden Wandel im Konsumverhalten:

  1. Impulskauf statt Planung: Der Kunde sucht nicht mehr, er lässt sich überraschen.
  2. Inspiration statt Information: Emotion schlägt Produktdatenblatt.
  3. Erlebnis statt Transaktion: Der Einkauf wird zum Teil der Unterhaltung.

Damit verschwimmen die Grenzen zwischen Werbung, Unterhaltung und Einkauf. Wer heute bei TikTok scrollt, ist zugleich Konsument, Zuschauer und Käufer – oft ohne sich dessen bewusst zu sein.

Wie können Mittelständler profitieren?

Der Mittelstand kann Social Commerce strategisch nutzen – wenn er bereit ist, neu zu denken:

  1. Authentische Inhalte statt Hochglanzwerbung
  2. Partnerschaften mit Creatorn aufbauen
  3. Produkte storytellingfähig machen – was bewegt, wird geteilt
  4. Schnelle Logistik und klarer Checkout: Die User Experience entscheidet

Gerade kleinere Marken mit klarer Positionierung und starkem USP haben auf TikTok gute Karten – sofern sie kreativ kommunizieren und flexibel testen. Allerdings schlummert auch besonderes Potenzial bei etablierten Firmen und Marken, die diesen Kanal für sich erschließen. TikTok Shop steht erst am Anfang. Doch das Nutzerverhalten verändert sich rasant. Die Frage ist nicht mehr, ob Social Commerce kommt – sondern wie schnell er zur neuen Normalität wird.

Fazit: TikTok ist nicht nur Bühne – es ist Marktplatz

Social Commerce verändert den E-Commerce tiefgreifend. Mit TikTok Shop kommt eine neue Dynamik nach Deutschland: schneller, emotionaler, direkter. Für Unternehmen bedeutet das: Jetzt ist der Moment zu handeln – nicht später. Denn wer dort nicht sichtbar ist, wo die Aufmerksamkeit stattfindet, verliert bald den Zugang zur nächsten Kundengeneration.