„Ich entwickelte ein ganz neues Körpergefühl“ - Aggressiver Brustkrebs mit 29: Wie Carolin die richtige Ernährung half, gesund zu werden
Brustkrebs ist die häufigste Form der Krebserkrankung bei Frauen – allein in Deutschland erhalten jährlich über 70.000 Frauen diese Diagnose. Das mittlere Erkrankungsalter liegt bei 64 Jahren, nur etwa ein Prozent der Betroffenen ist jünger als 35.
Abtastuntersuchung beim Frauenarzt völlig unauffällig
Als Carolin Kotke die Diagnose Brustkrebs erhielt, war sie gerade mal 29 Jahre alt. „Ich habe das gar nicht ernst genommen, als ich einen Knoten in der Brust gespürt habe“, erzählt sie im Gespräch mit FOCUS online. Denn erst zwei Monate zuvor war die routinemäßige Abtastuntersuchung beim Frauenarzt völlig unauffällig. „Ich dachte, dass es hormonell bedingt ist und wieder weggeht“.
Erst als ihr Freund sie nach einigen Wochen bat, endlich zur Gynäkologin zu gehen, tat sie dies. „Ich bin ihm sehr dankbar dafür, denn ich hatte gerade einen neuen Job als Marketing-Managerin in Hamburg begonnen und wollte nicht mit Arztterminen in der Probezeit negativ auffallen“, erklärt sie. Heute ist ihr klar, dass ein Abwarten bis zum nächsten Routinetermin sie wahrscheinlich das Leben gekostet hätte.
Sechs Monate Chemotherapie: Die Metastasen wurden größer
Die Ärztin erkannte nach Abtasten und Ultraschall sofort, dass etwas nicht stimmte und schickte sie zum Radiologen. Nach einer Mammographie und einer Gewebeprobe war die Diagnose eindeutig. „Mir hat es den Boden unter den Füßen weggezogen, damit hatte ich überhaupt nicht gerechnet“, schildert Kotke den Moment, der ihr Leben veränderte. Wie häufig bei jungen Frauen litt sie unter einer aggressiven und östrogenabhängigen Form von Brustkrebs.
Dann ging alles schnell: Weil der Tumor bei der Gewebeentnahme zerstochen wurde, musste dieser zuerst operativ entfernt werden. Erst danach erhielt sie sechs Monate lang eine Chemotherapie, die nicht hundertprozentig anschlug: „Ich hatte immer noch Krebszellen in der Brust und aus den Mikrometastasen in den Lymphknoten wurden Metastasen“, erzählt sie.
Brustkrebs-Mutation BRCA-1 festgestellt - Entfernung des Brustgewebes
Es folgte daher Bestrahlungen sowie eine Antihormon-Therapie, um dem Tumor Östrogen zu entziehen, den Treibstoff für sein Wachstum. „Dadurch wurde ich von heute auf morgen in die Wechseljahre versetzt mit allen Begleiterscheinungen, die damit verbunden sind – von Hitzewallungen über Knochen- und Gelenkschmerzen bis hin zu extremen Stimmungsschwankungen“, erzählt sie.
Eine Genanalyse ergab zudem, dass Kotke eine Mutation des BRCA-1-Gens in ihrem Erbgut trägt. Wer diese Mutation hat, hat eine schwierige Prognose: Denn das Brustkrebs-Risiko liegt dadurch bei bis zu 80 Prozent, das Risiko für Eierstockkrebs bei bis zu 60 Prozent. „Deshalb habe ich mir das Brustgewebe entfernen und mit Silikon wieder aufbauen lassen“, erzählt sie.
Zwei Jahre später erfolgte Entfernung der Eierstöcke
Um ihr Krebsrisiko noch weiter zu senken, ließ sie sich zwei Jahre später auch die Eierstöcke entfernen. Kein einfacher Entschluss, denn damit entschied sich die junge Frau gegen die Möglichkeit, Kinder zu bekommen. „Um schwanger zu werden, hätte ich die Antihormon-Therapie beenden müssen, damit wäre mein Wiedererkrankungsrisiko noch einmal zusätzlich zu meiner Genmutation erhöht gewesen“, erzählt sie.
Einigen Frauen, die diesen Weg beschreiten, bleibt es daher nicht erspart, noch während der Schwangerschaft eine Chemotherapie zu durchlaufen. „Das war für mich keine Option“, erzählt sie. „Für mich und meinen Partner war das Allerwichtigste, mein Risiko, erneut zu erkranken, so weit wie möglich zu reduzieren“, begründet sie ihren Entschluss.
Ernährungsanpassung: Ich wollte selbst tätig werden und meinen Körper unterstützen
Eine Entscheidung, die sie nicht bereut, denn heute ist Carolin gesund. Geholfen auf dem Weg zu Genesung hat ihr vor allem eins: eine Veränderung ihrer Ernährungsgewohnheiten. „Während der Chemotherapie ging es mir sehr schlecht, ich wurde immer schwächer und hatte massive Magen-Darm-Probleme“, erzählt sie.
Nichts blieb mehr bei ihr. Um diese Abwärtsspirale aufzuhalten, begann sie sich mit gesunder Ernährung zu befassen. „Ich wollte nicht tatenlos dasitzen, sondern selbst tätig werden, um meinen Körper während der Krebstherapie zu unterstützen“, erzählt sie. Denn schätzungsweise 80 Prozent aller Krebspatienten leiden in dieser herausfordernden Zeit an einer Mangelernährung.
Durch nährstoffreiche Ernährung schnell wieder fit
Recht schnell bemerkte Kotke, was ihr guttat und was nicht - und wie eine nährstoffreiche Ernährung ihrer Genesung half. „Durch eine Optimierung von Mineralstoffen und Vitaminen stärken wir das Immunsystem und helfen dem Körper das Wachstum der Krebszellen zu hemmen“, erläutert sie. Auch bei ihr war das so: „Ich entwickelte durch eine optimierte Ernährung ein ganz neues Körpergefühl und wurde relativ schnell wieder fit – auch die Wundheilung nach den Operationen lief gut“, erzählt sie.
„Ein Jahr nach Beendigung meiner Krebstherapie war ich das erste Mal frei von Allergien und Hautproblemen, unter denen ich davor lange Jahre litt.“ Auch Beschwerden wie das Fatigue-Syndrom, über das viele Krebspatienten klagen, sowie die Wechseljahrbeschwerden durch ihre Anti-Hormon-Therapie besserten sich dadurch.
Kotke schreibt Ratgeber für Betroffene – Ernährung bei Krebs
Nach ihrer Genesung begann Carolin parallel zu ihrem Job eine Ausbildung zur Ernährungsberaterin, einen Beruf, den sie heute mit Leidenschaft ausübt. „Man weiß, dass rund ein Drittel aller Krebserkrankungen durch eine gesunde Ernährung vermieden werden könnten“, sagt sie. Wichtig sei vor allem, viel frisches Obst, Gemüse und auch Vollkornprodukte zu sich zu nehmen und hochverarbeitete Lebensmittel wie etwa Wurst, Fertigpizza, Pommes, Chips und Co. zu meiden.
Um anderen zu helfen, schrieb Carolin einen Leitfaden für Krebsbetroffene „Ernährung bei Krebs – Wie komme ich gut durch die Therapie“, der auf ihrer Webseite heruntergeladen werden kann. Darin beschreibt sie unter anderem, auf was es genau bei der Ernährung ankommt und wie man Therapiebeschwerden wie beispielsweise Durchfall lindern kann. „Die Darmschleimhaut kann durch eine Chemotherapie sehr stark in Mitleidenschaft gezogen werden, deshalb ist zum Beispiel Schonkost mit leicht verdaulichen und fettarmen Gerichten mit Reis, Kartoffeln und gut verdaulichem gedünsteten Gemüse wichtig“. Flohsamen helfen zudem, den Stuhl zu festigen. Gegen Übelkeit kann außerdem Ingwer helfen, da es den Magen beruhigt, das flaue Gefühl und den Brechreiz nimmt, erklärt sie weiter.
Dennoch ist ihr eins wichtig: „Man kann gesunde Ernährung nicht pauschalisieren.“ Deshalb sei es auch wichtig, genau hinzuschauen, welche Nährstoffe Betroffenen fehlen. Eine Blutanalyse sei daher empfehlenswert. „Klar ein Allheilmittel beziehungsweise ein Lebensmittel, dass den Krebs heilen kann, gibt es nicht“, betont Kotke. Man dürfe auch keine Wunder von heute auf morgen erwarten. „Aber wie gut die richtige Ernährung den Heilungsprozess unterstützen kann, habe ich am eigenen Körper erfahren“, sagt die 36-Jährige. „Das hat mir extrem geholfen, wieder Vertrauen zu meinem Körper und zum Leben zu fassen.“
Die besten Ernährungstipps für Krebsbetroffene (Auszug aus Carolin Kotkes Ratgeber):
- Machen Sie sich nicht verrückt bezüglich irgendwelcher Ernährungsformen. Lassen Sie sich nicht verunsichern, hören Sie auf Ihren Körper und versuchen Sie möglichst vielseitig und abwechslungsreich zu essen, um Ihren Körper mit ausreichend guten Nährstoffen zu versorgen, ganz nach dem Motto „eat the rainbow“.
- Achten Sie auf genügend „gute“ Proteine in Ihrer Ernährung. Integrieren Sie zum Beispiel mehr pflanzliche Proteine wie Nüsse, Hülsenfrüchte, Getreide und Pseudogetreide wie Naturreis, Quinoa, Dinkel und Haferflocken.
- Essen Sie ballaststoffreich. Integrieren Sie mehr ballaststoffreiche Lebensmittel wie zum Beispiel Haferflocken, Hülsenfrüchte, Nüsse und Samen in Ihre Ernährung.
- Sie müssen auf nichts verzichten, sondern nur bessere Alternativen finden. Nehmen Sie statt Zucker z.B. alternative Süßungsmitteln wie Agavendicksaft, Kokosblütenzucker etc. und statt Weizenprodukten lieber Vollkorn- und Getreideprodukte wie Hirse, Gerste, Buchweizen, Naturreis und Quinoa.
- Wählen Sie Ihre Fettquellen bewusst aus. Versuchen Sie Transfette in z.B. Fertiggerichten, Chips und Co. zu meiden und lieber bewusst zu Omega-3-Fettsäure-reichen Lebensmitteln zu greifen.
- Essen Sie mehr Obst & Gemüse. Probieren Sie jeden Tag mindestens fünf Portionen Obst und Gemüse in Ihren Alltag zu integrieren, am besten aus der Region und der Saison entsprechend.
- Versuchen Sie tierische Produkte als Beilage und nicht als Hauptkomponente einer Mahlzeit zu sehen. Nehmen Sie beispielsweise maximal 300 bis 600 Gramm Fleisch die Woche zu sich und versuchen Sie industriell verarbeitetes Fleisch zu meiden.
- Integrieren Sie mehr Kräuter und Gewürze in Ihre Ernährung. Knoblauch, Zwiebeln, Lauch, Schalotten, Schnittlauch, Kresse, Sprossen und Co. enthalten z.B. wertvolle sekundäre Pflanzenstoffe sowie Vitamine und Mineralstoffe.
- Essen Sie mehr Bitterstoffe. Gurken, Radieschen, Sprossen, Ingwer, Löwenzahn und Rucola sind zum Beispiel reich an guten Bitterstoffen.
- Trinken Sie genügend. Trinken Sie mindestens 1,5 - 2 Liter pro Tag, am besten Wasser oder Kräutertee.
- Reduzieren Sie Ihren Alkoholkonsum. Beschränken Sie den Alkoholkonsum auf maximal 1 Glas Rotwein zum Essen.
- Lassen Sie Ihren Vitamin-D-Status prüfen. Meine Erfahrung hat gezeigt, dass der Großteil der Krebspatienten einen Vitamin-D-Mangel hat. Im Blut sollte mindestens eine Konzentration von 50 nmol/l (20 ng/ml) Vitamin D vorhanden sein. Ist dies nicht der Fall, sollten Sie zusammen mit Ihrem Arzt die Möglichkeit einer Supplementierung besprechen.
- Bereiten Sie Ihr Essen frisch und schonend zu. Dünsten oder Dampfgaren Sie z.B. Gemüse, damit die Vielfalt an guten Nährstoffen erhalten bleibt und es bekömmlicher wird.
- Setzen Sie auf Bio-Lebensmittel. Bio-Obst und -Gemüse schmeckt intensiver und enthält mehr sekundäre Pflanzenstoffe, Ballaststoffe und Vitamine.
- Kauen Sie Ihr Essen gründlich und lassen sich Zeit beim Essen. So unterstützen Sie Ihren Magen und Darm und beugen Verdauungsproblemen vor.