Politisches Beben in Thailand – Premierministerin nach Skandaltelefonat suspendiert

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Paetongtarn Shinawatra (Mitte) wurde am Dienstag des Amtes enthoben. © Lillian Suwarnrumpha/AFP

Thailand kommt nicht zur Ruhe: Ein geleaktes Telefonat führt zur Suspendierung der Premierministerin. Versinkt das Land wieder im politischen Chaos?

Das Telefonat, das Thailands Premierministerin ihr Amt kosten und das Land in eine politische Krise stürzen könnte, dauert 17 Minuten. Mitte Juni telefonierte Paetongtarn Shinawatra mit Hun Sen, dem ehemaligen Premierminister von Kambodscha, der dort noch immer die Fäden in der Hand hält. „Onkel“ nennt Paetongtarn in dem Telefonat Kambodschas starken Mann, sich selbst bezeichnet sie scherzhaft als „Nichte“. Über einen ihrer eigenen Militärkommandeure hingegen sagt sie, Hun Sen solle nicht auf ihn hören, der Mann sei ein „Gegner“.

Ein paar Tage vor dem Telefonat war ein schon länger schwelender Grenzkonflikt zwischen den beiden Nachbarländern ausgebrochen, ein kambodschanischer Soldat kam bei dem Feuergefecht ums Leben. Thailand machte daraufhin die Grenze dicht, Kambodscha ließ keine thailändischen Waren mehr ins Land. Eine veritable Krise, sollte man meinen, Zeit für Diplomatie, nicht für unterwürfige Gesten. Doch Paetongtarn, 38 Jahre alt, versuchte es mit Schmeicheleien.

Regierungskrise in Thailand: „Die Premierministerin ist eine Staatsfeindin“

Man weiß von dem Telefonat, weil Hun Sen das Gespräch aufgezeichnet und anschließend, so sagt er das zumindest, an 80 Regierungsbeamte weitergegeben hat. Von dort fand es seinen Weg an die thailändische Öffentlichkeit. Und in der brodelt es seitdem gewaltig. Am Wochenende gingen in der Hauptstadt Bangkok Tausende auf die Straße und forderten Paetongtarns Rücktritt. „Die Premierministerin ist eine Staatsfeindin“, war auf Plakaten zu lesen, Paetongtarn müsse „abtreten, denn sie ist das Problem“, forderte einer der Veranstalter der Proteste.

Dem kam jetzt allerdings das thailändische Verfassungsgericht zuvor, am Dienstag entschieden die neun Richter einstimmig, die Premierministerin vorläufig ihres Amtes zu entheben. Eine Gruppe konservativer Senatoren war vor das oberste Gericht gezogen, sie werfen Paetongtarn wegen des Telefonats einen Verstoß gegen Ethikregeln für Regierungsmitglieder vor. Eine endgültige Entscheidung soll in mehreren Wochen gefällt werden. Die Amtsgeschäfte übernimmt vorerst Vizeregierungschef Suriya Jungrungruangkit.

Thailand kommt seit Jahren politisch nicht zur Ruhe

Thailand kommt seit Jahren politisch nicht zur Ruhe, immer wieder putschen sich in dem südostasiatischen Land die mächtigen und königstreuen Militärs an die Macht. Paetongtarn war erst im vergangenen August zur Premierministerin gewählt worden, nachdem ihr Vorgänger Srettha Thavisin nach nur rund einem Jahr im Amt vom Verfassungsgericht abgesetzt worden war. Sretthas und Paetongtarns Partei Pheu-Thai war bei den Parlamentswahlen im Mai 2023 nur auf dem zweiten Platz gelandet, Wahlsieger wurde der charismatische Reformer Pita Limjaroenrat. Aufgrund des Widerstands der Militärs gelang es Pita allerdings nicht, eine Regierung zu bilden; später wurde seine Partei verboten. Pheu-Thai hingegen ließ sich auf eine Allianz mit mehreren königstreuen Kleinparteien ein und kam so an die Macht.

Paetongtarns Partei gilt dennoch als kritisch gegenüber Monarchie und Militär. Dass die Premierministerin in dem umstrittenen Telefonat mit Hun Sen über einen Kommandeur des eigenen Militärs gestänkert hat, nahmen ihr nun viele besonders übel. Manch einer vermutet, dass Thailands königstreue Eliten und Militärs Paetongtarn deshalb loswerden wollten – und ein Gerichtsverfahren dem Ganzen den Anschein von Legalität verleihen soll. Auch die Protestierenden vom Wochenende gelten überwiegend als Anhänger des Königshauses.

„Thailand sind die demokratischen Strukturen nicht sonderlich gefestigt“

Die Menschen in Thailand hätten Paetongtarn schon vor dem geleakten Telefonat nicht viel zugetraut, „sie gilt als überfordert und zu jung und zu unerfahren für das Amt“, sagt Vanessa Steinmetz, die in Bangkok das Büro der Friedrich-Naumann-Stiftung leitet, der Frankfurter Rundschau. „Das verheerende Telefonat mit Hun Sen hat das in den Augen vieler jetzt bewiesen.“ Paetongtarn stammt aus dem reichen und einflussreichen Clan der Shinawatras, die Thailands Politik seit Jahrzehnten mitbestimmen. Vater Thaksin Shinawatra war von 2001 bis 2006 Premierminister, bis ihn ein Militärputsch für mehrere Jahre ins Ausland trieb. Auch Thaksins Schwester Yingluck war Premierministern, auch sie wurde aus dem Amt gedrängt.

„In Thailand sind die demokratischen Strukturen nicht sonderlich gefestigt, auch die Justiz ist nicht wirklich unabhängig“, sagt Steinmetz. Die vielen Militärcoups der vergangenen Jahre – zuletzt herrschte in Thailand von 2014 bis zur Wahl 2023 ein General – hätten das Ansehen des Landes stark beschädigt, das hätten auch die Eliten des Landes erkannt. „Heute ist es eben so, dass Gerichtsentscheidungen von einflussreichen Kräften des Landes beeinflusst werden“, sagt Steinmetz.

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