Obdachlosenunterkunft: Es braucht dringend einen Neubau

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Veraltet: Die Notunterkunft an den Loisachauen in Garmisch-Partenkirchen soll bestenfalls einem Neubau weichen. 20 Bewohner in Notunterkunft Personal schwer zu finden © FOTOPRESS THOMAS SEHR

Die Obdachlosenunterkunft an den Loisachauen kostet der Marktgemeinde Garmisch-Partenkirchen viel Geld. Paradoxerweise könnte ein Neubau finanziell entlasten – da eine Umstrukturierung der bisherigen Unterbringung vom Staat Fördermittel einbringt.

Garmisch-Partenkirchen – Ein italienischer Staatsangehöriger sucht nach Arbeit, fährt mit seinem alten Pkw über die Grenze nach Deutschland. Bei Garmisch-Partenkirchen will das Auto nicht mehr, er hat eine Panne – wirtschaftlicher Totalschaden. Da psychisch erkrankt und mittellos, ist der Mann nicht in der Lage, die Reparatur selbst zu bezahlen. Eine Autowerkstatt in der Nähe der Loisachauen erklärt sich bereit, seinen Wagen abzuschleppen. Doch will der Italiener nun ohne sein Auto den Kreisort nicht mehr verlassen – und kommt in die Obdachlosenunterkunft an den Loisachauen. Schicksale wie diese gibt es zuhauf. 20 Menschen leben aktuell in der Notunterkunft. 19 männlich, eine weiblich.

Es hat sich einiges geändert, seit sich der Männerfürsorgeverein München (KMFV) seit 2021 um die Einrichtung im Auftrag der Marktgemeinde kümmert. Zuvor war das Bild ein teils schreckliches: Eingekotete Betten, Urin auf Fußböden, haufenweise Müll. Die Mitarbeiterinnen waren anfangs mehr mit Reinigungsarbeiten beschäftigt, als mit ihrer eigentlichen Aufgabe. „Wir mussten wieder eine menschenwürdige Unterbringung sicherstellen“, sagt Barbara Cunradi-Rutz. Mittlerweile haben sich die Zustände in der Obdachlosenunterkunft verbessert. Am Ziel sind Sozialpädagogin Cunradi-Rutz und ihre Mitstreiter aber noch lange nicht. Zwar ist die Notunterkunft weitestgehend aus den Negativ-Schlagzeilen verschwunden. Es liegt aber noch viel Arbeit vor ihnen, wie Cunradi-Rutz bei der Sozial- und Ordnungsausschusssitzung im Rathaus verkündete.

Unterkunft kostet Arbeitskraft, Zeit und Geld - ein Neubau mit neuem Konzept könnte Abhilfe schaffen

Die Sozialpädagogin ist seit mittlerweile drei Jahren in der Einrichtung tätig. Es dauerte, bis der Altbau im Gewerbegebiet halbwegs wieder auf Vordermann gebracht werden konnte. Nun soll ein Neubau, bestenfalls an einem anderen, zentraleren Standort, einige Probleme lösen – besonders finanzielle.

Denn die Unterkunft kostet nicht nur Arbeitskraft und Zeit, sondern auch Geld. Da die Unterbringung von Obdachlosen zu einer hoheitlich kommunalen Aufgabe zählt, ist die Marktgemeinde dafür zuständig und muss entsprechend für die Kosten aufkommen. Ein Problem ist bereits behoben worden: Früher brachte die Polizei, wenn sie Menschen ohne Wohnsitz aufgegriffen hat, auch von den kleineren Nachbarorten nach Garmisch-Partenkirchen. „Aber jede Kommune ist selbst für ihre Obdachlosen zuständig“, sagt Vize-Bürgermeisterin Claudia Zolk (CSB). „Dennoch beherbergt der Markt aktuell auch Obdachlose aus vielen anderen Gemeinden, denn es ist ein Gebot der Mitmenschlichkeit, diesen Frauen und Männern zu helfen“, sagt sie weiter. Hier sei die Marktgemeinde aber strenger geworden. Man habe mit der Polizei Kontakt aufgenommen und die Sache geklärt.

Tatsächlich käme ein Neubau der Gemeinde langfristig günstiger, da ist sich Cunradi-Rutz sicher. Dadurch könnte eine Wohngruppe eingerichtet werden, wodurch Fördermöglichkeiten zur Verfügung stünden. Der Vorteil: Die Marktgemeinde müsste nicht mehr selbst für sämtliche Kosten aufkommen. Doch müsste auch der Standort gewechselt werden. Am Gewerbegebiet jenseits eines Zentrums seien die Obdachlosen nicht gut aufgehoben.

Personalmangel: Stellen müssen dringend besetzt werden

Zudem hat die Notunterkunft nach wie vor mit Personalproblemen zu kämpfen. Am 31. Mai 2023 hat eine Sozialpädagogin gekündigt, berichtet Cunradi-Rutz. „Trotz intensiven Ausschreibungen haben wir erhebliche Schwierigkeiten, die Stelle nachzubesetzen.“ Es fehlen geeignete Bewerber. Und wegen „ungünstiger Rahmen- und Arbeitsbedingungen am Standort Loisachauen“ hätten sich qualifizierte Fachkräfte „stets für andere Stellen entschieden“. Mitarbeiter Manfred Baierlacher hat sich trotz seines offiziellen Ruhestands bereit erklärt, sein Stundenkontingent befristet aufzustocken, was eine kurzfristige Rettung war. Zum 1. Oktober 2023 konnte die verwaiste Stelle nachbesetzt werden – „leider mussten wir aber auch dieses Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 2023 wieder auflösen“.

So schöpften der KMFV das Stundenkontingent und das Budget für den Sozialdienst nicht aus. Mit diesen Mitteln konnte der Verband zumindest Monika Haseidl als pädagogische Hilfskraft gewinnen, die auch für einfache Hausmeisterdienste zur Verfügung steht. „Sie hat sich in dieser Zeit als Glücksfall für den KMFV, für die Marktgemeinde und für die gesamte Einrichtung erwiesen“, sagt Cunradi-Rutz erfreut. Haseidl begleitet Bewohner zu Arztbesuchen, leitet sie bei Renovierungen an, hilft bei der Umsetzung hygienischer Maßnahmen und organisiert Veranstaltungen wie die Adventsfeier oder den Besuch der Barber Angels, eines karitativ tätigen Vereins von Friseuren. „Der Erfolg lässt sich gut am verbesserten Zustand der Bewohnerzimmer erkennen.“ Das zeigte Cunradi-Rutz dem Sozialausschuss anhand von Fotos: Weg mit verschmutzten und vermüllten Räumen, hin zu sauberen und aufgeräumten Zimmern. Da Haseidl eine große Entlastung darstellt, verlängerte der KMFV ihren Vertrag nun mit Zustimmung der Marktgemeinde. Dennoch suchen die Verantwortlichen bislang erfolglos eine Teilzeitkraft.

Doch weitere Baustellen tun sich auf: Man brauche größere Mülltonnen oder Container. Denn Mülltrennung ist alles andere als einfach in der Einrichtung. „Letztens hatten wir jemanden mit 5,08 Promille im Blut. So jemandem ist es schwer beizubringen, dass Abfall getrennt werden muss“, sagt Cunradi-Rutz resigniert.

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