Vater sperrt Familie auf Balkon aus – Ehefrau zeigt ihn wegen Freiheitsberaubung an

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Das Amtsgericht Dachau verhängte eine mildere Strafe als gedacht für den Angeklagten. © picture alliance / dpa

Ein dreifacher Familienvater hat sich vor dem Amtsgericht wegen Freiheitsberaubung verantworten müssen, weil er seine Familie ausgesperrt hat. Ermittlungsungenauigkeiten bescheren dem Angeklagtem aber eine mildere Strafe.

Dachau – Nachts um 2.30 Uhr hat ein dreifacher Familienvater aus dem westlichen Landkreis die Nerven verloren. Der 44-jährige technische Angestellte war im März dieses Jahres der Protagonist einer filmreifen Szene in seiner Wohnung, wegen der er sich nun vor dem Amtsgericht Dachau einfinden musste. Er hatte eine Anklage wegen Freiheitsberaubung am Hals.

Bei seiner Heimkunft nämlich sorgte er mit lautem Gezeter dafür, dass seine Ehefrau (45), sein Stiefsohn (21), dessen Freundin sowie die beiden gemeinsamen Kinder der Eheleute (12 und 3), die allesamt selig geschlafen hatten, auf einen Schlag hellwach waren. „Ich wollte, dass sie ausziehen“, so der Angeklagte in der Hauptverhandlung. „Er hat gesagt, dass er nicht schlafen kann, wenn wir da sind“, ergänzte die Ehefrau als Zeugin. Die Ehefrau, der Stiefsohn und die Freundin zogen allerdings nicht aus, sondern gingen auf den Balkon, um „erst mal eine zu rauchen“, wie die Ehefrau erklärte.

Diese spontane Nikotin-Party nutzte der Hausherr, um die Balkontür zu schließen und das Rollo herunterzulassen. Irgendwer, das ließ sich im Prozess nicht mehr klären, rief die Polizei, die nach wenigen Minuten vor Ort war, die bizarre Situation auflöste, das Geschehen notierte und die Staatsanwaltschaft informierte.

Im Prozess legte der Verteidiger des Angeklagten, Joachim Schwarzenau, erst einmal Fotos vom Balkon vor. Was die Polizei in der Tatnacht nicht protokollierte, war, dass sich der Balkon im Erdgeschoss befindet und eine Treppe in den Garten hat, von dem man bequem auf die Straße gehen kann. Damit war der Vorwurf der Freiheitsberaubung schlagartig passé. Stattdessen stand jetzt „nur“ noch eine Nötigung im Raum. Und natürlich die Frage: Warum in aller Welt tickt ein nüchterner, gestandener Ehemann und Vater nachts um halb drei völlig aus?

„Wir haben uns öfters gekabbelt“, so der Angeklagte. Es sei eine schwierige Zeit gewesen damals. Seine Frau und er hätten sich einige Zeit vor der Tatnacht getrennt. Dennoch wohnte die Familie weiter zusammen unter einem Dach.

Ungewöhnliche Strafarbeit

„Wir haben übel Schulden“, so der 44-Jährige weiter. 75 000 Euro, um genau zu sein. Sein Konto sei längst gepfändet. Und obwohl er neben seinem Haupt- noch einen Minijob angenommen habe und seine Frau im Verkauf arbeite, bleiben „nur 700 Euro im Monat für uns alle zum Leben“.

Da kam Mitgefühl im Saal auf, das die Staatsanwältin sogleich dämpfte. Denn der Angeklagte ist mehrfach vorbestraft und stand bei seiner Raserei um halb drei unter offener Bewährung. Dennoch schlug Rechtsanwalt Schwarzenau vor, das Verfahren gegen eine Auflage einzustellen.

Es folgte die zweite Dreisamkeit in dieser Geschichte. Teilnehmer an der Strafmaß-Party waren Rechtsanwalt Schwarzenau, die Staatsanwältin und Richter Daniel Dorner. Der Beschluss, der dabei rauskam, ist sehr ungewöhnlich: Das Verfahren wurde vorläufig eingestellt. Im Gegenzug muss der Angeklagte 100 Stunden gemeinnützige Dienste leisten, darf sie aber abbezahlen. Die Stunde zu 10 Euro.

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