Leistet mehr als 60 Windkrafträder - Neue Mega-Anlage aus BaWü soll jetzt zum „Held der Energiewende“ werden

Erleichterung ist spürbar an diesem Vormittag in der Halle der neuen EnBW-Netzstabilitätsanlage in Marbach. Die Beteiligten haben eine fast viereinhalbjährige Leidenszeit hinter sich. Nun endlich – mit mehr als zwei Jahren Verspätung – geht die Gasturbine offiziell in Betrieb. Eingeschaltet wird sie aber vorerst nicht.

Die Marbacher Anlage soll nur Schwankungen im Stromnetz ausgleichen. Diese Aufgabe wird in Zeiten der Energiewende immer wichtiger: Gehen Kohlekraftwerke wie von der EnBW geplant im Jahr 2028 endgültig vom Netz, könnten kleine Kraftwerke wie das in Marbach in Notfällen verstärkt in die Bresche springen.

Corona-Beschränkungen, Werksschließungen, Lieferengpässe, zuletzt ein schadhaft gelieferter Trafo – das 100 Millionen-Euro-Projekt drehte seine Schleifen bis zur ersten Zündung der Gasturbine im Juli 2024 und der Übergabe an die Transnet BW im September 2024. 

Den Humor haben sich die EnBW-Verantwortlichen trotzdem bewahrt: Michael Claas, Leiter Erzeugung Portfolioentwicklung bei der EnBW, spitzte am Freitag seine Rede auf einen „fatalen Zusammenbruch am Tag der Übergabe“ zu – meinte damit aber nur die Kaffeemaschine, die nach rund 26 000 Tassen ihren Geist aufgegeben hatte.

Mega-Anlage aus BaWü soll jetzt zum „Held der Energiewende“ werden

Erstmals gewährte die EnBW Blicke ins Innere von „Marbach 4“, wie die Anlage intern genannt wird. Leichtes Heizöl aus den benachbarten Öllagern mit rund 70 000 Kubikmetern ermöglicht den Betrieb – sollten Sonne, Wind und andere regenerative Quellen künftig zu wenig Strom hergeben oder Transformatoren, Umspannwerke oder Teile des Netzes ausfallen.

Nur 30 Minuten dauert es nach Angaben der EnBW, das Kraftwerk hochzufahren. Michael Claas spricht von einer „Feuerwehr, auf die man sich verlassen kann, aber froh ist, wenn man sie nicht rufen muss“. 

Die Anlage sei mit einer maximalen Feuerungsleistung von 940 Megawatt ein „richtiges Kraftpaket“. Es könne mindestens 38 Stunden im Dauerbetrieb sein und schaffe mindestens 500 Stunden im Jahr.

„Marbach 4“ leistet so viel wie 60 Windkrafträder

Ein Meilenstein ist „Marbach 4“ aber auch aus Sicht der Transnet BW. Das Unternehmen hatte mit Marbach eine von vier solcher Anlagen in Süddeutschland mit insgesamt 1200 Megawatt Strom ausgeschrieben. 

Dem Netzbetreiber Transnet BW stehen in Marbach damit bis zu 300 Megawatt zur Verfügung. Das entspreche etwa der Leistung von 60 größeren Windkrafträdern oder circa 3,5 Prozent der Stromnachfrage im Land am Abend des 13. Februar, teilte eine Sprecherin mit. 

„Die Anlage in Marbach kann zu einem der Helden der Energiewende und der Netzstabilität werden“, sagte Tobias Egeler, Leiter für Netzwirtschaft und Digitales bei Transnet BW.

Dankesworte an die Stadt Marbach für ihre Bereitschaft, überhaupt als Energiestandort zu fungieren, beantwortete der Bürgermeister Jan Trost mit der Bereitschaft, neben einem geplanten Großbatteriespeicher künftig auch ein Gaskraftwerk im Energie- und Technologiepark aufzunehmen. 

Solche Projekte sichern der Stadt neben der Energieversorgung auch Steuereinnahmen. Wie der EnBW-Leiter Claas im Gespräch betonte, erwäge sein Unternehmen die Ansiedlung eines Gaskraftwerks, wolle jedoch abwarten, ob die geplante SEL-Gasleitung, die unweit des Parks verlaufen soll, auch tatsächlich dort zustande komme.

Großbatteriespeicher soll Ende 2025 in Betrieb gehen

Bei dem Großbatteriespeicher wird es sich laut EnBW mit einer Kapazität von 100 Megawattstunden und einer Leistung von 100 Megawatt um den größten entsprechenden Speicher im Erzeugungsbereich der EnBW handeln. Der Großbatteriespeicher nutze die vorhandene Infrastruktur vor Ort gemeinsam mit der Netzstabilisierungsanlage, unter anderem den Netzanschluss. Dies erlaube Synergien im Projekt. Die Inbetriebnahme sei für Ende 2025 geplant.

Wo gibt es Netzstabilitätsanlagen?

Anlagen
Es gibt folgende vier Anlagen mit jeweils 300 Megawatt: In Baden-Württemberg die der EnBW mit Marbach 4, heizölbefeuert; in Bayern die von Uniper in Irsching und die von LEAG in Leipheim, beide gasbefeuert; in Hessen betreibt RWE in Biblis elf Turbinen, ebenfalls gasbefeuert.

Netzbetreiber
Als Übertragungsnetzbetreiber sichert die Transnet BW die Stromversorgung von rund elf Millionen Menschen in Baden-Württemberg. Transnet baut derzeit auch die Trassen im Projekt SuedLInk mit zwei Gleichstrom-Übertragungsleitungen.

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Von Oliver von Schaewen

Das Original zu diesem Beitrag "„Ein Held der Energiewende“ – Happy End für ein EnBW-Kraftpaket" stammt von Stuttgarter Zeitung.