„Im Stich gelassen“: Familie verschanzt sich vor Plage in Deutschland – Fenster den ganzen Tag zu

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Die Angst um die eigene Gesundheit sorgt für selbst auferlegten Hausarrest: Nicht Corona, sondern eine tierische Plage breitet sich rasant aus.

Aalen – Zu Hause festsitzen aus Angst vor einem Gesundheitsrisiko: Da denken viele wohl noch an die Corona-Pandemie. Die weltweite Krankheit sorgte dafür, dass sich Milliarden Menschen zu Hause aufhielten. Bilder von menschenleeren Großstädten stehen bis heute bezeichnend für jene Zeit. Auch im Jahr 2025 gibt es wieder Besorgte in Deutschland, die aufgrund einer bestimmten Plage das Haus nicht verlassen wollen. Allerdings ist diese Plage tierischer Natur.

Die Rede ist vom Eichenprozessionsspinner, der in diesem Jahr versärkt auftritt. So auch in der Stadt Aalen in Baden-Württemberg. Wie eine Familie der Schwäbischen berichtet, bekämpfe die Stadt mit knapp 70.000 Einwohnern die Tiere nur unzureichend. Wegen der feinen Brennhaare der Eichenprozessionsspinner-Raupen müssen sich der Aalener Waldemar Haaf und seine Frau in ihrer Wohnung „verbarrikadieren“, wie es heißt.

Fenster zu, Garten und Terrasse tabu – Familie in Aalen harrt wegen Plage zu Hause aus

Der 47 Jahre alte Haaf und seine Frau könnten die Terrasse in der Erdgeschosswohnung in der Zeppelinstraße nicht nutzen, stellt er klar. Weil die Nester vor der Stadt nicht entfernt werden, fühlen sich die beiden „im Stich gelassen“. Sie können auich nicht im Gch arbeiten oder entspannen. Auch Schlafen sei quasi unmöglich: Haaf könne nicht lüften, die Fenster müssen 24 Stunden am Tag zu bleiben.

Gespinste mit Raupen des Eichenprozessionsspinners.
Der Eichenprozessionsspinner bildet charakteristische Gespinste und kann durch seine Brennhaare Hautreizungen und Atemwegsprobleme verursachen. © imagebroker/Imago

Haaf, seine Frau und andere Anwohner der Straße leiden an den brennenden Härchen der Raupen der Eichenprozessionsspinner. Diese können bei Berührung allergische Reaktionen auslösen, was bereits passiert sei. Trotz gründlicher Reinigung der Terrasse schaffen es immer wieder Härchen in die Wohnung, setzen sich an der Kleidung fest. „Unsere Hände sehen mittlerweile katastrophal aus und der juckende Ausschlag ist kaum auszuhalten“, so Haaf. Auch Kinder sind in Gefahr: Eine „Zumutung“ sei die Situation für diese, die sich etwa im nahe gelgegenen Waldspielplatz, Waldorfkindergarten oder AWO-Kinderhaus aufhalten.

Bei Kontakt mit den Haaren hilft viel kaltes Wasser zum Abwaschen. Der Ausschlag heilt in der Regel von selbst aus. Die Haare können in seltenen Fällen jedoch auch Atembeschwerden, Atemnot, Augenreizungen oder gar einen allergischen Schock auslösen. Die feinen Brennhaare des Eichenprozessionsspinners werden ab dem dritten Larvenstadium gebildet, brechen leicht ab und enthalten das Nesselgift Thaumetopoein. Vom Wind können sie über weite Strecken verbreitet werden.

Stadt Aaalen entfernt 30 Kilogramm Eichenprozessionsspinner-Larven pro Baum

Bei der Stadt hat Haafs Frau Elena Morgun zwar schon nachgefragt, doch die Antwort frustriert: Die Nester seien trotz Hebebühne für die Arbeiter zu hoch gewesen. Aalens Mitarbeiter stellten klar, dass rechtliche Schritte gegen die Stadt deswegen möglich seien, was Haaf als „Unding“ bezeichnete. Die Stadt habe laut Haaf zu spät reagiert, die Eichen seien schon länger kahl gefressen. Erst nach einer Veranstaltung am 14. Juni, nach der es Beschwerden gab, startete die Stadt die Entfernung.

Eichenprozessionsspinner
Die Raupe sieht harmloser aus als sie ist. (Archivbild) © Pia Bayer/dpa

Aalen will den Tieren Herr werden. „Die Stadt ist seit Auftreten des Schädlings mit Nachdruck dabei, den EPS-Befall einzudämmen“, äußerte die Pressesprecherin der Stadt, Karin Haisch, auf Nachfrage der Aalener Nachrichten/Ipf- und Jagst-Zeitung. 30 Kilogramm Raupen pro Baum werden dabei entfernt.

Hitze sorgt für weitreichende Verbreitung des Eichenprozessionsspinners

Der Eichenprozessionsspinner liebt die Wärme. Wie auch bestimmte Mücken- und Zeckenarten profitiert der Schädling vom Klimawandel und breitet sich in Deutschland, das eine Hitzewelle erlebte, verstärkt aus. Auch Bayern ist stark betroffen. In vielen Regionen wird die Ausbreitung in diesen Wochen wieder verstärkt bekämpft. So setzt der Landkreis Lüneburg in Niedersachsen seit drei Jahren mit Erfolg sogenannte Nematoden ein. Diese winzigen Fadenwürmer werden lebendig auf die Baumkronen gespritzt und bekämpfen die bis zu drei Zentimeter langen Raupen.

„Die Nematoden sind ein natürliches Mittel, das für Menschen ungefährlich, nicht umweltschädlich ist und gegenüber 90 Prozent der Population der Eichenprozessionsspinner wirkt“, erklärt Jens-Michael Seegers, Leiter des Betriebes für Straßenbau- und Unterhaltung. Da die kleinen Fadenwürmer lichtempfindlich sind, wird nach Sonnenuntergang gesprüht. (cgsc mit dpa)

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